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Der gestürzte HoffnungsträgerMartin Börschel ist nicht mehr SPD-Fraktionschef

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Zeitreise: Martin Börschel während einer Pressekonferenz am 18. April 2018.

Zeitreise: Martin Börschel während einer Pressekonferenz am 18. April 2018.

Köln – Am Ende reicht nach 16 Jahren eine Seite Papier. Eine Seite, vier Absätze, die Überschrift: „Staffelübergabe in der SPD-Ratsfraktion“. Christian Joisten, 46, kommt, Martin Börschel, 45, geht, am Sonntag war sein letzter Tag. Vom Ende einer Ära sprechen die Sozialdemokraten in ihrer Mitteilung.

Es ist ein selbst verschuldetes Ende, zumindest zu diesem Zeitpunkt, denn Börschel wollte ja ohnehin raus aus der Politik, lieber den eigens für ihn geschaffenen Posten des Geschäftsführers der Stadtwerke (SWK) samt Millionen-Vertrag besetzen.

Das ging schief, auch weil Stratege Börschel taktisch zu sorglos agierte, letztlich Oberbürgermeisterin Henriette Reker den Deal so stoppen konnte (die Rundschau berichtet). Börschel selbst sagt dazu, auch mit Blick auf die 16 Jahre: „Sicherlich habe ich in all den Jahren auch Fehler gemacht, den größten vermutlich ganz am Ende.“

Skandal solle Börschels Schaffen nicht völlig verdecken

Börschel meint die Stadtwerke-Affäre – aber das Wort Stadtwerke selbst nennt er nicht. Er sagt, was Politiker zum Abschied sagen: „Aber meine Motivation war es immer, das Leben für alle Kölnerinnen und Kölner jeden Tag ein wenig besser zu machen.“

SPD-Parteichef Jochen Ott zählt die vielen Erfolge Börschels auf, unter anderem die Wiederbelebung des Köln-Passes für sozial schwächere Familien oder auch Großbauprojekte wie die „Miqua“ oder die „Historische Mitte“. Die Botschaft dahinter: Der Stadtwerke-Skandal soll Börschels Schaffen nicht komplett verdecken.

Börschel war mal der Hoffnungsträger schlechthin für die Kölner Sozialdemokraten, einer, dessen Unverbrauchtheit die Partei aus einer ihrer größten Krisen manövrieren sollte: dem Spendenskandal verbunden mit der Müllverbrennungsanlage in Riehl. Seinerzeit musste Fraktionschef Norbert Rüther gehen, war politisch verbrannt.

Dass die Kölner SPD-Fraktion am 22. Mai 2002 überhaupt einen neuen Chef brauchte, lag also auch damals an einem politischen Skandal. Es musste ein neues Gesicht her: Martin Börschel, 29, Rechtsanwalt. Nach seiner Wahl sagte er: „Leicht wird das nicht werden. Wir können von den Bürgern nicht von heute auf morgen verlangen, alles was geschehen ist, zu vergessen und uns wieder zu vertrauen.“ Es ist ein Satz, der 5906 Tage später nichts an Richtigkeit verloren hat.

„Er war der beste Redner im Rat“

In dieser Zeit zog Börschel in den Landtag ein, durchstand etliche politische Abnutzungskämpfe, bewährte sich als Stratege. „Er war der beste Redner im Rat“, sagt etwa FDP-Fraktionschef Ralph Sterck. Tatsächlich bringt Börschel komplexe Sachverhalte auf den Punkt, braucht keine wiederkehrenden Ausdrücke, um sich im Kopf Zeit zu verschaffen für den nächsten Satz wie einige seiner Kontrahenten.

Doch damit ist es bald vorbei: Wie lange Börschel noch einfaches Mitglied im Stadtrat bleibt? Das klären Joisten und Börschel nach der Sommerpause. Börschel hatte im April versprochen, sich aus der Politik zurückzuziehen – doch da ging er davon aus, bei den Stadtwerken anzufangen.

Nachfolger Joisten sieht die Fraktion „gut aufgestellt“. Es ist eine Fraktion, die die Börschel-Nachfolge mit 13:11- Stimmen entschied. Und es ist eine Fraktion, die von Börschels Plan nichts wusste.

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