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Der Kardinal tischt aufErzbischof Woelki öffnet Priesterseminar für Hungernde

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Vor dem Herrn sind alle gleich: Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki serviert  in der Corona-Krise Obdachlosen einen Kartoffelauflauf. 

  • Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat das Priesterseminar des Erzbistums Köln für wohnungslose Menschen geöffnet.
  • Viele Hilfsangebote hätten sich wegen Ansteckungsgefahr zurückziehen müssen, den meist gehören Ehrenamtler zur Risikogruppe, so Woelki.
  • Aber auch eine warme Mahlzeit im Priesterseminar geht nicht ohne Vorsicht mehr. An jedem Tisch gibt es auch ein Infoblatt mit Hygienehinweisen.

Köln – Die Tür, die stets verschlossen ist, steht nun weit offen. Darüber prangt ein herzliches Willkommen. Dort, wo sonst angehende Geistliche über die Gänge huschen, reihen sich Tische auf. Warm fällt auf sie das Sonnenlicht. Auf jedem steht ein Blümchen. Es duftet nach Kartoffelauflauf.

Alles ist bereit für ein gemütliches Zusammenkommen im Priesterseminar des Erzbistums Köln in der Kardinal-Frings-Straße. Kardinal Woelki hat öffnen und decken lassen für die Obdachlosen Kölns. Allein, ein Zusammenkommen darf es nicht werden. Zwischen den Tischen ist Abstand. Gegenüber jedes Blümchens klebt ein Infoblatt mit Hygienehinweisen. Nächstenliebe in Zeiten des Coronavirus.

Ehrenamtler gehören oft zur Risikogruppe

Er sei durch Medienberichte aufmerksam geworden auf die Lage der Obdachlosen, sagt Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki. Viele Hilfsangebote wie beispielsweise die Tafeln hätten sich wegen der Ansteckungsgefahr zurückziehen müssen. Denn oftmals gehören die ehrenamtlichen Helfer zur Risikogruppe: Rentner. „Da war mir klar, wir müssen jetzt einsteigen“, sagt der Kardinal.

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Und sein Blick auf der Suche nach einer Lösung musste nicht erst in die Ferne schweifen. Liegt doch direkt neben seinem erzbischöflichen Palais das Priesterseminar. Dort ist der Betrieb gerade wegen der Corona-Pandemie ausgesetzt. Noch ein Anruf bei Weihbischof Ansgar Puff, Vorsitzender des diözesanen Caritasverbandes, und schon kam sie ins Rollen, die Hilfsaktion.

Leergefegte Straßen

„Der Ansgar ist unser Freund“, sagt Josef. „Mit ,f’ wie freundlich“. Seine Lebensunterhalt mag er verloren haben, seinen lebenswichtigen Humor nicht. „Morjen küsste in et Priesterseminar“, habe Puff gesagt. „Für ’ne warme Mahlzeit.“ Da ist Josef gekommen. Die dünne Stütze bessert er sich mit Leergutsammeln auf. Doch Corona hat die Straßen leer gefegt. Und wo keine Menschen sind, landen auch keine Flaschen im Mülleimer.

„Sonst mache ich auf ein paar Metern in der Innenstadt 8 Euro am Tag, jetzt laufe ich 25 Kilometer für 2 Euro“, sagt der 55-Jährige. Ein Kollege wirft ein: „Der Flughafen war immer ein gutes Geschäft für uns.“ Klar, Reisende, die das Leergut noch vor dem Einchecken los werden wollen. Doch es gibt keine Reisenden mehr in Zeiten der Pandemie. „Es ist nie einfach, das Leben“, sagt Josef. „Jetzt ist es halt noch etwas schwerer.“ Seine letzte warme Mahlzeit hatte er am Freitag.

Weitere Hilfsangebote

Noch sind die Betten leer, die Kardinal Woelki in katholischen Krankenhäusern für schwer erkrankte Corona-Patienten aus dem Ausland zur Verfügung stellt. Am Wochenende hatte er die Hilfsmaßnahme bekannt gegeben, nachdem Intensivpatienten aus Frankreich und Italien nach NRW ausgeflogen worden waren.   Daraufhin stellte Woelki sechs weitere Betten  für diesen Zweck zur Verfügung. „Das Auswärtige Amt verhandelt noch über das Ausfliegen zusätzlicher Patienten“, sagt der Kardinal.

Duschen stehen bereit  im Priesterseminar für Hilfsbedürftige. Ab kommenden Samstag können sich dort  Obdachlose einmal wöchentlich  ausgiebig waschen. (ngo)

Aber Josef mit „f wie freundlich“ kann auch dieser schweren Zeit etwas Gutes abgewinnen. „Ich begegne zwar weniger Menschen, aber die nehmen mich jetzt war.“ Immer wieder gebe ihm jemand Leergut oder Stecke ihm Geld zu. „Sonst gehen wir ja in der Masse unter. Aber jetzt sieht Köln mal, wie viel Elend es auf den Straßen gibt.“

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„Freund Ansgar“ stellt sich vor den Eingang. Gleich gehe es los. Nur noch schnell die Regeln. Beim Anstehen  Abstand. Nach dem Eintreten Hände waschen. „Wir haben 20 Tische aufgestellt. Mehr passen nicht rein. Aber keine Sorge, es gibt so lange Essen, bis alle satt sind. Wenn die ersten 20 fertig sind mit essen, kommen die nächsten dran“, versichert der Weihbischof. Vor Puffs Ansprache hat die Küche des Generalvikariats die Herde befeuert auf Teufel komm raus. Nach Puffs Worten steht das Heer der „Corona-Engel“ bereit. „Das erinnert mich an die Hilfsbereitschaft bei der ersten Flüchtlingswelle“, sagt Kardinal Woelki. Nach helfenden Händen musste nicht lange gefragt werden. Zwei davon gehören zu Anna. 23 Jahre jung. „Ich studiere Theologie und Bio.“ Über WhatsApp habe sie von der Aktion erfahren. „Vorlesungen finden ja jetzt nicht statt, und das ist hier echt eine sinnvolle Sache.“ Daniela neben ihr nickt. „Ich engagiere mich eigentlich beim Obdachlosenfrühstück in der Ursulinenschule.“ Die Schule ist zu. Daniela ist hier. Beide haben also Zeit. Brauchen sie auch. „Wir stellen uns auf eine längere Phase ein“, sagt Weihbischof Ansgar Puff.

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