Die Fragen und AntwortenKölner Stadtrat ändert seine Finanzierung und erntet Kritik

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Der Kölner Stadtrat (Archivfoto)

Der Kölner Stadtrat (Archivfoto)

Köln – Keine garantierten Dienstwagen für die großen Fraktionen, dafür aber unter anderem mehr Büros und durchschnittlich gesehen mehr Geld:  Der Stadtrat hat am 5. November neue Regeln beschlossen, wie er seine Arbeit finanziert. Es ist häufig ein heikles Thema, wenn die Politik sich mehr Geld zugesteht, um Geschäftsstellen und  politische Arbeit zu finanzieren. Die Fragen und Antworten im Überblick.

Wie lief die Finanzierung bislang ab?

Allgemein gesagt: Im alten Modell setzten sich die Gelder aus mehreren Pauschalen zusammen, jetzt sind es nur zwei Komponenten. Die Idee stammt von Grüne, SPD, CDU, FDP und Volt, also 73 der 90 Ratsmitglieder.

Wie funktionierte das alte Modell?

Das lässt sich beispielsweise an den Grünen darstellen. Im vergangenen Rat hatten sie 18 Fraktionsmitglieder. Für jedes Mitglied erhielt die Fraktion eine monatliche Geldpauschale von 475 Euro – also 5700 Euro jährlich – sowie eine jährliche Fortbildungspauschale von 400 Euro. Pro Ratsmitglied machte das 6100 Euro pro Jahr, bei 18 Grünen im Stadtrat entsprach das im Jahr 2018 insgesamt 109 800 Euro.

Das Geld geht nicht an die Politiker, die Fraktion finanziert damit die  alltägliche Arbeit ihrer Geschäftsstelle, beispielsweise Anträge für den Stadtrat rechtssicher zu formulieren. Zudem erhielten die Fraktionen Zuschüsse für ihre Personalkosten, gestaffelt nach Größe. Die FDP mit fünf Mitgliedern bekam im Jahr 2018 beispielsweise 196 750 Euro, die Grünen mit 18 Politikern 486 150 Euro. Heißt: Zusätzlich zu den 109 800 Euro Pauschalen für die 18 Fraktionsmitgliedern bekam die Grünen-Fraktion noch 486 150 Euro Personalzuschuss, summa summarum 595 950 Euro. Das entsprach 2018 im Schnitt 33 108 Euro je Grünen-Ratsmitglied.

Was ist nun neu, was hat sich verändert?

Es gibt einen jährlichen Sockelbetrag von 170 000 Euro für jede der sieben Fraktionen, von Fraktion spricht man ab mindestens drei Ratsmitgliedern. Zusätzlich erhalten die Fraktionen einen Pauschalbetrag je Ratsmitglied: Je kleiner die Fraktion ist, desto größer fällt er aus. Andersherum gilt: Je größer die Fraktion, desto kleiner ist er. Für die durch die Wahl gewachsenen Grünen heißt das laut Stadt: Sie erhalten 170 000 Euro Euro Sockelbetrag für drei der jetzt 26 Ratsmitglieder, die Mindestanzahl einer Fraktion. Für die anderen 23 gibt es  je  40 000 Euro, ergo 920 000 Euro. Insgesamt macht das 1,09 Millionen Euro – also 41 923 Euro je Mitglied der 26-köpfigen Fraktion, ein Plus von  26,6 Prozent zu 2018.

41 923 Euro erhält ein Ratsmitglied pro Jahr?

Nein. Es handelt sich bei dieser  Durchschnittssumme je Ratsmitglied  um eine theoretische Zahl, die auch die Stadtverwaltung verwendet. Die Ratsmitglieder arbeiten bis auf die wenigen Geschäftsführer  ehrenamtlich, ihre monatliche Aufwandsentschädigung liegt bei   514,10 Euro sowie 21,20 Euro je Sitzung. Fast alle Politiker gehen einer Arbeit nach, machen Politik nebenher – trotz der Verantwortung über einen jährlichen Haushalt von rund  fünf Milliarden Euro. In München  etwa erhalten Ratsmitglieder 2291,95 Euro pro Monat. In Köln bezahlen die Fraktionen mit dem Geld unter anderem Fach-Referenten oder den Geschäftsführer – und nicht die Ratsmitglieder.

Gibt es Kritik an der Erhöhung?

Ja, Nicole Grünewald, Präsidentin der Industrie- und Handelskammer,  sagte: „Die Wirtschaft kämpft im Teillockdown ums Überleben, und eine der ersten Amtshandlungen des neu gewählten Kölner Rates ist es, sich die Fraktionsbezüge signifikant zu erhöhen. Dies ist ein falsches Signal (...). Maßvolles und sparsames Handeln wäre hier das Gebot der Stunde gewesen.“ Auch im Rathaus gibt es Stimmen, die von „einem ordentlichen Schluck aus der Pulle“ sprechen.

Warum hat die Politik die Regelung verändert?

Die fünf Fraktionen argumentieren mit „immer komplexer werdenden Abläufen in der Kommunalpolitik“, dadurch „kommen ehrenamtliche Ratsmitglieder schneller an die Grenzen des Leistbaren“. Die Regelung mit dem Sockelbetrag sehe ein Landeserlass von 2015 vor, sie sei transparenter. Ein Teil der Wahrheit ist aber auch: Vor allem die einst alleinigen beiden großen Volksparteien SPD und CDU haben massiv Sitze und damit Geld verloren.

Was sagen die Politiker dazu?

Fraktionsgeschäftsführer Lino Hammer (Grüne) sagt: „Das alte Modell wies im Bereich der kleinen Fraktionen und bei Fraktionen von um die 20 Mitgliedern teils erhebliche Sprünge auf, diese wurden nun mit der Umstellung auf Fixbeträge geglättet.“ Außerdem sind nun elf statt neun Parteien im Stadtrat vertreten. Im Rat am 5. November votierte die AfD gegen die neue Regel, die Linke enthielt sich, beide profitieren auch davon. CDU-Fraktionsgeschäftsführer Niklas Kienitz sagt:  „Das alte System glich einer Treppe mit unterschiedlichen Stufenhöhen. Mit der Neuregelung haben wir eine harmonische Kurve geschaffen   (...).“ SPD-Fraktionschef Christian Joisten sagt: „Außerdem sorgt die neue Regel für eine weitere Professionalisierung ehrenamtlicher Kommunalpolitik, die sich stetig steigenden Aufgaben und Herausforderungen gegenübersieht.“

Gibt es zusätzlich zu dem Geld weitere Mittel?

Ja. Die Ratspolitiker bekommen etwa die Portokosten oder die Telefongebühren bis zu einem gewissen Betrag erstattet: Bei einem Einzel-Ratsmitglied wie Walter Wortmann von den Freien Wählern sind das  jährlich 500 Euro Portokosten und 600 Euro Telefonkosten. Bei den Grünen als größter Fraktion sind es 6000  und 10 000 Euro –  etwas weniger als früher. Auch PCs erhalten die Fraktionen, zudem Büroräume – die Anzahl haben die Politiker teils erhöht. Eigentlich hätten CDU und SPD mit 19 Ratssitzen bislang nur zehn Räume zugestanden, jetzt sind es jeweils 13.

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Gibt es weiter Dienstwagen mit Fahrern?

Das müssen die Fraktionen selbst entscheiden. Bislang hatte jede Fraktion mit 25 Mitgliedern das Recht auf ein Auto samt Fahrer, das waren SPD (2018: 26 Sitze) und CDU (25). Ein Wagen plus Fahrer kostete laut Stadt jährlich rund 69 000 Euro. Diese Regelung ist passé, unter anderem weil die Grünen nun die stärkste Fraktion sind, sie gelten nicht als die größten Auto-Fans. Ob CDU und SPD sich wie bislang einen Wagen samt Fahrer leisten, hängt davon ab, ob sie trotz weniger Geld darauf Wert legen.

Wird der Stadtrat also mehr Geld kosten?

Vermutlich ja, komplett klar ist es aber noch nicht. 2019 waren es  5,85 Millionen Euro, davon entfielen 3,43 Millionen Euro auf Personal, etwa Referenten, und 2,42 Millionen auf Aufwandsentschädigungen. Die Verwaltung teilt zum neuen Modell mit: „Eine pauschale Schätzung der Kosten ist schwierig (...).“ Das liegt  daran, dass der Rat noch nicht festgelegt hat, wie viele Fachausschüsse er einberuft. Mehr Ausschüsse bedeuten mehr Sitzungen, die bedeuten mehr Kosten, unter anderem für Verdienstausfall oder Kinderbetreuungskosten. Und: Auch durch Tarifsteigerungen für die Angestellten der Geschäftsstellen  steigen die Ausgaben.

Woher kommt das Geld?

Es ist schon befremdlich, im Antrag  nennen die fünf Fraktionen den Haushalts-Posten „Schulträgeraufgaben“  – obwohl die Finanzierung der  Politik  keine Schulträgeraufgabe ist. Laut Lino Hammer werden die Mehrkosten nur 2021 daraus  gedeckt, danach wie üblich aus dem Posten „Allgemeine Verwaltung“.

Fehlt das Geld dann im Jahr 2021 den Schulen?

Nein, sagt Hammer. Und laut Stadt ist die Umschichtung zwischen den Haushalts-Posten okay. Und: „Angesichts des Volumens der Produktgruppe und aus den Erkenntnissen aus der laufenden Bewirtschaftung der Haushaltsposition kann davon ausgegangen werden, dass die Heranziehung zur Deckung keine Auswirkungen auf die Schulträgeraufgaben hat.“

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