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Die irische TorschützenköniginFC Köln-Stürmerin Amber Barrett im Gespräch

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Die Stürmerin Amber Barrett kickt eit 2019 für den 1. FC Köln.

  • Die irische Nationalspielerin Amber Barrett ist seit 2019 Torjägerin der FC-Frauen.
  • Bernd Imgrund sprach mit ihr über Gaelic Football und irische Pubs in Köln.

Auf das Tribünendach des Franz-Kremer-Stadions pladdert der Regen. Wir sitzen in Reihe 5, mit gehörigem Corona-Abstand. Amber Barrett blickt von hier auf den Rasen, auf dem sie normalerweise für den FC stürmt.

Um mal direkt mit irischen Klischees zu beginnen: Sind Sie zwischen grünen Feldern, Schafen und Kühen aufgewachsen?

Ja. In Milford liegt direkt neben unserem Haus ein Bauernhof mit allem Drum und Dran.

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Amber heißt Bernstein − Ihre Haarfarbe. Haben Ihre Eltern den Vornamen vor oder nach Ihrer Geburt ausgesucht?

Soweit ich weiß, war das eine Momententscheidung, die nichts mit meiner Haarfarbe zu tun hatte.

Sie haben lange parallel zum Fußball auch Gaelic Football gespielt. Was sind die wesentlichen Unterschiede?

Beim Gaelic spielt man mit 15 statt elf Leuten. Du darfst den Ball in die Hand nehmen und loslaufen, sogar Punkte und Tore kannst du mit der Hand machen. In mancher Hinsicht ist Gaelic auch härter als Fußball. Zum Beispiel hast du das ganze Spiel über den selben Gegenspieler, der versucht, dich zu dominieren.

Zur Person

Amber Barrett wurde 1996 in Milford, County Donegal geboren. Aus einer Sportfamilie stammend, spielte sie viele Jahre parallel Fußball und Gaelic Football, bevor sie sich für ersteres entschied.

Ihr Debüt als Nationalspielerin gab sie 2017 gegen Nordirland. 2016 bis 2018 war sie dreimal in Folge irische Torschützenkönigin. 2019 wechselte sie vom Peamount United Football Club nahe Dublin zum 1. FC Köln. Auf den Abstieg 2019/20 folgte der direkte Wiederaufstieg, besiegelt am 9. Mai durch ein 7:2 gegen die Würzburger Kickers. Neben ihrer sportlichen Karriere hat Amber Barrett eine Ausbildung zur Lehrerin absolviert. Sie wohnt in Hürth-Stotzheim. www.fc.de/fc-info/mannschaften/frauen

Was gefällt Ihnen besonders am Gaelic Football?

Mir war immer der Zusammenhalt innerhalb der Mannschaft sehr wichtig. Das habe ich hier in Köln auch sofort gespürt. In Irland spielst du für den Club, in den du hineingeboren wirst, Wechsel sind nicht möglich – wir nennen das die Parish Rule. Wenn dein Team nicht gut ist, hast du vielleicht ein bisschen Pech gehabt. Aber dafür spielst du eben mit den Menschen, mit denen du aufgewachsen bist.

Ihre Familie ist tief verwurzelt in der Gaelic Athletic Association (GAA), die die irischen Sportarten Gaelic Football und Hurling organisiert.

Stimmt. Mein Vater ist Trainer unseres Heimatvereins, meine Brüder spielen in seiner Mannschaft.

Sind Ihre Brüder gut?

Sie würden die Frage sicherlich bejahen! (lacht) Meinen älteren Bruder sehe ich allerdings eher als Trainer.

Wann haben Sie sich letztendlich für den europäischen Fußball entschieden?

Das war 2017 nach einem Gespräch mit Colin Bell, dem damaligen irischen Frauen-Nationalcoach. Die Qualifikation für die Weltmeisterschaften 2019 in Frankreich stand an, und er machte mir Hoffnungen auf die Nationalmannschaft. Um mich professionell weiterzuentwickeln, sollte ich mich auf einen Sport fokussieren. Und wenn Colin Bell so etwas sagt, dieser überaus erfahrene Coach, dann muss man zuhören!

Wie enttäuscht waren Ihre Eltern von dieser Entscheidung?

Sie lassen mich noch immer spüren, dass ich nicht mehr ihr Lieblingskind bin. (lacht) Nein, auch beim Fußball unterstützen sie mich nach Kräften. Sie wissen, dass ich viel erreicht habe und glücklich bin mit dem Verlauf meiner Karriere.

Welchen Stellenwert hat Frauenfußball in Irland?

In den letzten Jahren hat sich da einiges entwickelt. Die GAA agiert sehr fortschrittlich, Frauensport wird engagiert gefördert. Aber natürlich ist auf diesem Gebiet noch sehr viel zu tun, in Irland wie in der gesamten Sportwelt.

Sie waren ab 2016 dreimal Torschützenkönigin der Women’s National League (WNL). Haben Sie mal mehr Tore als Robert Lewandowski erzielt?

Ich habe mal 30 Tore in 16 Partien geschossen. Soweit ich weiß, ist das noch immer WNL-Rekord.

Der Durchschnitt pro Spiel ist auf jeden Fall deutlich besser als der von Lewandowski. 2018 haben Sie bei 21 Einsätzen sieben Hattricks geschafft.

Das ist schon was Besonderes, aber ich würde auf die Tore verzichten, um stattdessen mehr Titel zu gewinnen. Fußball ist ein Mannschaftssport, es geht darum, dass alle zusammen erfolgreich sind.

Aber müssen Stürmerinnen wie Sie nicht ziemlich egoistisch sein?

Klar muss man immer abwägen, ob man nun selbst abschließt oder lieber nochmal abgibt. Aber letztendlich ist niemand größer als das Team. Keine Stürmerin kann sich vorm eigenen Tor den Ball schnappen und auf der anderen Seite scoren. Du brauchst deine Mitspielerinnen wie die dich.

Ihr Heimatort Milford liegt nah der nordirischen Grenze. Haben Sie als Kind etwas von den Konflikten mitbekommen?

Nicht wirklich. Neue Aufstände lagen immer in der Luft, und ebenso die Frage, ob Irland wiedervereinigt werden sollte.

Was meinen Sie?

Ich weiß es nicht. Es gibt in Nordirland viele Menschen, die sich mit diesem Land identifizieren und deren Willen man eben auch berücksichtigen muss.

Wie katholisch sind Sie selbst? Zünden Sie jede Woche ein Kerzchen im Dom an?

Das nicht, aber es ist immer gut, an etwas glauben zu können. Vor einem großen Spiel bete ich, genau wie früher. Aber manchmal halte ich auch Zwiesprache mit meinem verstorbenen Großvater – der übrigens Protestant war.

Ihr Debüt für das Nationalteam war ein Spiel gegen Nordirland. Ist so ein Derby etwas Besonderes?

Ja, auch für mich. Ich habe ja einen College-Abschluss in Geschichte und kenne mich mit dem Konflikt ganz gut aus. Zwischen uns und Nordirland herrscht immer eine besondere Rivalität, und genauso läuft es mit England.

In der Qualifikation für die EM 2022 in England waren Sie in einer Gruppe mit Deutschland. Zunächst lief es für Ihr Team hervorragend, aber letztendlich schieden Sie aus.

Der Knacks kam mit dem Unentschieden in Griechenland, und die 0:1-Niederlage gegen die Ukraine bedeutete dann das endgültige Aus. Das Tor beruhte auf einem tragischen Missverständnis zwischen unserer Linksverteidigerin und der Torhüterin. Dabei hätte uns ein Unentschieden gereicht, um zur EM zu fahren. Es war wirklich sehr enttäuschend für uns alle.

Sie sind ausgebildete Lehrerin. Wollen Sie später mal in einer Schule oder als Fußballcoach arbeiten?

Die Lehrer-Ausbildung war wichtig für mich, aber ich habe absolut keine Ahnung, was später mal aus mir wird. Ich interessiere mich sehr für Psychologie – auch in Bezug auf Sport. Athleten können Probleme mit Verletzungen, mit missliebigen Trainern oder schlechten Vertragsbedingungen haben. Solche Zusammenhänge finde ich spannend, aber mal sehen.

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Sie lernen neben dem Training Deutsch. Können Sie auch schon ein bisschen Kölsch?

Das einzige Kölsch, das ich kenne, sind die kleinen Gläser, die wir nach einem guten Spiel bekommen. (lacht)

Wie sind Sie zum FC gekommen?

Neben Köln hatte auch Jena Interesse an mir. Aber den FC hatte ich schon ins Herz geschlossen, weil ich 2017 die Europacupspiele gegen Arsenal gesehen hatte.

Sagt Ihnen der Name Noel Campbell etwas?

Helfen Sie mir!

Er war der erste Ire in der Bundesliga und spielte 1971 bis 1979 für Fortuna Köln. Haben Sie in Köln Kontakt zur irischen Szene?

Ich habe Kontakt zu den Cologne Celtics, dem hiesigen GAA-Club. Nach Corona werde ich dort sicher mal beim Gaelic Football mittrainieren. Und dann kenne ich natürlich die Irish Pubs von Köln.

Wo gehen Sie gern hin?

Ich kenne den Corkonian und die Jameson Bar. Aber am liebsten bin ich bei Barney Vallely´s auf der Kleinen Budengasse, weil ich dort öfters mit meinen alten Freunden aus der Heimat war.

Stout oder Lager?

Weder noch. Wenn ich im Pub mal Alkohol trinke, dann einen irischen Whiskey mit Ginger Ale.

Pogues oder Dubliners?

Oh, schwierige Frage! Die Dubliners liegen mir mehr, aber die Pogues werden sicherlich total unterschätzt.

Fish & Chips oder Currywurst-Pommes?

Fish & Chips.

Sie sind mit dem FC ab- und seit letzter Woche wieder aufgestiegen. Wie kam’s?

Wir haben im letzten Jahr einfach fantastisch gespielt. Die Betreuer, der Coach, die Mannschaft – da passte einfach alles, auch als wir wegen Corona fast vier Monate pausieren mussten.

Was macht Sie sicher, dass der FC in der kommenden Saison nicht direkt wieder absteigt?

Unsere Voraussetzungen sind andere als letztes Jahr. Wir glauben viel stärker an uns, und wir sind nun deutlich erfahrener. Unser Kader ist gut aufgestellt, wir können in Liga 1 absolut mithalten. Außerdem: Ein Frauenteam in der 1. Bundesliga – das ist, was diese Stadt, dieser Verein verdient!

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