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Die neue MinderheitAnteil der Christen in Köln unter 50 Prozent

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Der Anteil katholischer und evangelischer Christen liegt in Köln erstmals unter 50 Prozent.

Köln – Es ist nur ein Zahlenwert. Dass der Tag kommen wird, an dem er erreicht ist, das war allen bewusst. Und nun ist er da. Ein historischer Einschnitt, der bei aller Erwartbarkeit nicht einfach nur zu Protokoll gegeben werden kann: Erstmals seit die Stadtverwaltung statistische Erhebungen durchführt, liegt die Zahl der katholischen und evangelischen Christen im „heiligen Köln“ unter 50 Prozent.

Noch sind die Arbeiten am Statistischen Jahrbuch der Stadt Köln für das Jahr 2017 nicht vollständig abgeschlossen, aber wie die Rundschau erfuhr, wurden zum 31. Dezember 2017 162.636 Kölner gezählt, die Mitglied der evangelischen Kirche sind. Das sind 15 Prozent der Gesamtbevölkerung. Christen römisch-katholischer Konfession gab es zu diesem Zeitpunkt 371.932 in Köln. Das sind 34,3 Prozent der Gesamtbevölkerung.

Katholische Geistliche sehen „Einschnitt“

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Auf die Austrittszahlen reagiert sowohl die katholische als auch die evangelische Kirche. Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat für das Erzbistum Köln den „pastoralen Zukunftsweg“ ausgerufen. Was auf den ersten Blick wie ein alleiniger Zusammenschluss von Gemeinden zu Seelsorgebereichen als Reaktion auf den Pfarrermangel aussieht, ist vor allem aber eine neue Konzentration auf den Glauben. Katholische Christen sollen nach der Vorstellung des Kardinals ihren Glauben intensiver leben und verstärkt nach außen wirken. Durch das aktive Herantreten an Menschen sollen wieder Mitglieder gewonnen und auch Austritte gemindert werden.

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Eine Zukunftsinitiative der evangelischen Kirche nennt sich „Glaubensreich“. Dabei werden neue Wege gesucht, Menschen anzusprechen. Interessierte werden zum Ideenaustausch zu „Camps“ eingeladen. In Cafés, die äußerlich mit nichts an Kirche erinnern, wird das Gespräch mit jungen Menschen gesucht, die Interesse an Spiritualität haben, diese aber nicht in der „klassischen“ Kirche für sich finden. (ngo)

Zusammen kommen die beiden Konfessionen damit also nur noch auf 49,3 Prozent. 0,9 Prozent der Gesamtbürger gehören anderen Religionsgemeinschaften an. 49,2 Prozent der Kölner machten keine Angaben zu ihrem Glauben oder sind keiner Religionsgemeinschaft zugehörig. Den Anteil der Bürger muslimischen Glaubens erfasst die Stadt Köln nicht explizit.

Auch wenn es in der Ökumene schon mal knirscht, dass Christen katholischen und evangelischen Bekenntnisses als die beiden großen deutschen Konfessionen in Köln über 50 Prozent der Stadtgesellschaft ausmachen, war ein Pfund, mit dem Stadtdechant Monsignore Robert Kleine gerne wucherte. Es verlieh den Kirchen gerade bei gesellschaftlichen Forderungen Gewicht. Dass nun die psychologische Marke der 50 Prozent erstmals unterschritten ist, bezeichnet der katholische Geistliche als „Einschnitt“. „Das muss man so hinnehmen. Wir haben in Köln seit Jahren eine gesellschaftliche Entwicklung, die durch den Zuzug anderer Religionen und einer immer größer werdenden Gruppe religionsloser Menschen geprägt ist“, sagt Kleine. Als Grund für die schwindende Zugehörigkeit nennt er auch die Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche. „Ein Verbrechen.“

Resignation ob der Entwicklung? Kleine antwortet mit einem entschiedenen Nein. Die Zugehörigkeit zur Kirche sei heute oftmals eine viel bewusstere Entscheidung als noch vor Jahren. „Ich erlebe beispielsweise immer wieder bei Taufen, dass die Eltern diesen Schritt weniger aus Tradition als vielmehr ganz bewusst im Glauben machen. Wir sind eben nicht ein Verein, sondern wir haben die Frohe Botschaft zu verkünden.“ Sollte dieses Bewusstsein mehr Strahlkraft gewinnen, ist für Kleine denkbar, dass die Zahlen dereinst wieder steigen. „Man soll dem Heiligen Geist keine Grenzen setzen.“

Werben um aus der Kirche ausgetretene Bürger

„Wir haben es kommen sehen“, sagt Stadtsuperintendent Rolf Domning von der Evangelischen Kirche in Köln und Region zu dem Unterschreiten der 50-Prozent-Marke. „So sehr mich das traurig stimmt, es darf kein Fatalismus daraus folgen.“ Die reine Zahl 49,3 Prozent will der evangelische Geistliche so auch nicht stehen lassen. „Es gibt noch ein hohes Maß an kultureller Identität mit der Kirche – auch bei Ausgetretenen.“ Es müsse nun unter anderem darum gehen, um diese Menschen zu werben. „Kürzlich hat mir jemand eine Computeranimation gezeigt. Aus dem Stadtbild Köln wurden alle Kirchen herausretuschiert. Da fehlte ganz offensichtlich etwas“, möchte Domning einen Denkanstoß geben.

„Es war klar, dass es so kommt“, sagt auch Gregor Stiels, Vorsitzender des Katholikenausschusses in Köln. Und er erwidert sogleich: „Da lohnt es sich nicht, mit Häme auf die Kirche zu gucken.“ Viel mehr sollten die Bürger nun mit Sorge auf die Gesellschaft schauen. „Die christliche Haltung brauchen wir in unserer Gemeinschaft.“ Der Vorsitzende des Katholikenausschusses nennt als Beispiel das Prinzip der Nächstenliebe und das daraus erwachsene Engagement in der Flüchtlingshilfe. Eines steht für ihn angesichts der unterschrittenen 50 Prozent aber auch fest – und da ist er einer Meinung mit Kleine und Domning: „Das macht die Ökumene noch wichtiger.“

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