Die umstrittene MitteKontroverse Debatte zum Bauprojekt auf dem Roncalliplatz

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Wie sieht der Roncalliplatz  künftig aus?  Die dort geplante „Historische Mitte“  ist umstritten.

  • Wie sieht der Roncalliplatz künftig aus? Die dort geplante „Historische Mitte“ ist umstritten.
  • „Doppelt so hoch wie Bauten am Kurt-Hackenberg-Platz“ oder „nicht weltweit relevant, um neben dem Dom zu stehen“ um nur einige kritische Aussagen zu nennen.
  • Wie geht es nun mit dem Roncalliplatz weiter?

Köln – „Doppelt so hoch wie Bauten am Kurt-Hackenberg-Platz“, „ nicht weltweit relevant, um neben dem Dom zu stehen“, „völlig unkalkulierbare Kosten“ und von „Abriss-Neubau-Mentalität geprägt“ – die Kritik von Zuhörern im voll besetzten Literaturhaus Köln fiel heftig aus. Zuvor hatten Befürworter und Gegner gut eine Stunde lang in der Rundschau-Reihe „Kultur kontrovers“ über die „Historische Mitte“ diskutiert.

Von Beginn an ließ Baudezernent Markus Greitemann an der Seite von Dombaumeister Peter Füssenich keinen Zweifel an der innigen Partnerschaft mit der Kirche aufkommen. Mit ihr gemeinsam soll am Roncalliplatz für das Römisch-Germanische Museum (RGM) das Kölnische Stadtmuseum (derzeit im Zeughaus) und das Dombauarchiv (bislang im Kurienhaus) ein neues Gebäudeensemble geschaffen werden. Jahrelanger Sanierungsstau im RGM, im Zeughaus und im Kurienhaus hat sie zu Leidensgenossen gemacht.

Gegner zweifeln Ästhetik an, nicht Notwendigkeit

Füssenich: „Es gab mehrere Wasserschäden, eine elende Geschichte. Hätten wir 50 Jahre den Dom nicht unterhalten, könnten wir ihn heute nicht mehr betreten.“ Den Sanierungsbedarf zweifeln die Gegner nicht an, aber die Neubaugestaltung. „Die Ästhetik passt einfach nicht“, sagt der Liberale Sterck: „Der Betonklotz steht auf dem Domhügel, und die vom Roncalliplatz übernommene Traufhöhe ist vom Kurt-Hackenberg-Platz aus gesehen eben nicht das Gleiche.“ Zudem will er auf keinen Fall, dass das Zeughaus „für einen Euro ans Festkomitee abgegeben wird oder ein Hotel rein kommt.“ Bauklotzgegner Henseler findet „Es ist ein Klotz mit einer Baumasse, die da nicht hingehört.“ Und: „Warum geht die Stadt immer Risiken in diesen Dimensionen ein?“

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Das Podium: (v.l.) Ralph Sterck, Rundschau-Lokalchef Stefan Sommer, Andreas Henseler, Markus Greitemann, Rundschau-Kulturredakteur Hartmut Wilmes und  Peter Füssenich.

Der Vertrag mit der Kirche passt ihm nicht: „Haben wir 1288 bei Worringen den Erzbischof geschlagen, um jetzt den Auftrag der Kirche zu geben?“, fragt er. Aber der Hase liegt seiner Ansicht nach woanders im Pfeffer: „Die Stadt verzichtet ausdrücklich auf eine Mehrheit“, zitiert Henseler aus dem Vertrag zwischen Stadt und Kirche. Um Vergaberegeln zu umgehen und dem Rat das Mitspracherecht zu nehmen, mutmaßt er. Greitemann versichert umgehend: „Es geht nach Vergabeordnung, und die Politik wird über jeden Schritt informiert.“ Er findet den „jurierten Entwurf“ städtebaulich und architektonisch den Besten“. Mit der Kirche zu bauen nutze Synergien – im Bauablauf und zur Entlastung der Gebäudewirtschaft. Diese Synergien sieht Sterck nicht: „Es sei denn, es würde ein Direktor gespart.“ Er schlägt statt des Stadtmuseums ein Dombaumuseum am Roncalliplatz vor.

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„Das wäre dort rentabel: Bei sechs Millionen Besuchern jährlich am Dom würden viele den Eintritt zahlen.“ Es geht ums Geld: Zwölf Millionen Euro Planungskosten bei 143,8 Millionen Euro geschätzten Baukosten. „An diesen Ratsbeschluss bin ich gebunden“, betont Greitemann. Um über Kosten bei der Fertigstellung 2028 zu sprechen, sei es zu früh. „Ich will Ihnen nicht zu nahe treten, aber stecken Sie das Geld lieber in Bildung“, empfahl Henseler. „Für Schulen sind 320 Millionen Euro eingestellt“, konterte Greitemann: Kultur hat ihren Bereich in der Gebäudewirtschaft.“ Ein Scheitern kann er sich nur in zwei Fällen vorstellen: „Wenn ich die Kosten nicht verantworten kann oder wenn die Gewährleistung durch die gemeinsame Firma nicht gegeben ist.“

Die Teilnehmer

Befürworter:

Peter Füssenich (49) ist seit 2016 Kölner Dombaumeister. Er ist Architekt und Denkmalpfleger.

Markus Greitemann (59), seit 2018 Baudezernent der Stadt Köln, war  zuvor für Gebäude und Liegenschaften der Universität  verantwortlich.

Gegner:

Andreas Henseler (72, Freie Wähler) vertritt die „Initiative Bürgerbegehren Domklotzstopp“. Bis Ende 2015 gehörte er dem Rat an. Henseler war 14 Jahre lang Schuldezernent in Köln, damals gehörte er noch der SPD an.

Ralph Sterck (54), ist seit 1999 Vorsitzender der FDP-Fraktion, sein Schwerpunkt ist die Stadtentwicklung.

Laut Füssenich geht Bauen mit der Kirche wegen der „erfahrenen Bauabteilung des Bistums“ schneller: „In Ämtern der Stadt sind viele Stellen unbesetzt.“ Laut Sterck „30 Prozent der Stellen in der Bauaufsicht“, und die Stadt habe noch genug mit Jüdischem Museum und dem nicht begonnenen Bau für die Sammlung Corboud zu tun.

Beschluss im dritten Quartal

Ab Baubeginn „wird es zehn Jahre lang sehr laut und sehr staubig, so Greitemann: „Wenn man ehrlich ist, 15 Jahre, denn es muss in der Straße Am Hof Fernwärme verlegt, die Via Culturalis, das Rote Haus am Alter Markt und das Jüdische Museum gebaut werden.“ Am Laurenz Carré gehe es noch um das Bezirksrathaus. Kosten und Verkehr seien alle zwei Jahre neu zu steuern.

Der Baubeschluss soll „im dritten Quartal“ gefasst werden. Das war Henseler neu: „Ich dachte im zweiten?“ Eine Einigung gab es nicht: Henseler & Co. wollen am Bürgerbegehren festhalten. „Wir haben nicht viel Zeit, aber die 35 000 Stimmen bekommen wir.“ Sterck: „Entscheiden Sie bei der Kommunalwahl auf dem Stimmzettel.“ Für die Kirche gibt es indes keine Alternative zum Neubau. Füssenich: „Wir haben keinen Plan B.“

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