Die Wohnungs-LotterieWie Kölner Studierende an der Wohnungssuche verzweifeln

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Jan Gärtner (25) hat mit Freunden lange eine geeignete Studi-Wohnung gesucht – und am Ende Glück gehabt.

Köln – Das Glückslos ist 58 Quadratmeter groß, hat drei Zimmer, Küche, keinen Balkon. Nach langer Suche auf dem wie leer gefegten Kölner Wohnungsmarkt hat Student Jan Gärtner die begehrte bezahlbare Bleibe gefunden. Zwar liegt das neue Zuhause in Humboldt-Gremberg und damit nicht ganz im Wunschbereich innerhalb des Gürtels. Aber das entscheidende Argument war neben ungefähr gleich großen Zimmern für die Zweier-WG der Preis: 535 Euro im Monat. „Warm!“, freut sich der 25-jährige Lehramtsstudent über den Sechser im Wohnungs-Lotto.

Monatelang hatten der Politikreferent im AStA der Universität zu Köln und zwei Freunde zuvor nach einer Wohnung für eine Dreier-WG gefahndet und nur Nieten in der Lotterie gezogen. Zig Besichtigungen und Gespräche auf der Besetzungscouch standen seit Ende 2020 an. Schlecht geschnitten, maroder Zustand. Überteuerte Abstandszahlungen. Keine WGs erwünscht. Nur befristete Mietverhältnisse. Irgendein Haken war immer. Und dass, obwohl die Drei ihr Geld zusammenlegten und ein Miet-Budget von bis zu 1500 Euro warm zu bieten hatten. Von Bekannten hörten sie noch andere „krasse Dinge, die auf der Wohnungssuche passieren“.

Extrem knappes Angebot an Wohnungen für Studierende

Die Wohnungsnot stellt Studierende nach drei digitalen Semestern aktuell vor besonders große Probleme. Das Angebot an bezahlbaren Bleiben ist und bleibt extrem knapp. Das Problem verschärft sich noch, da nach drei digitalen Semestern während der Corona-Pandemie nun mehr Präsenz an Hochschulen möglich ist – und auch all die „Fernstudierenden“ eine Wohnung in Köln suchen, die bisher noch bei den Eltern wohnen.

Gesucht hatte das Freundes-Trio vor allem über eine Online-Immobilienbörse. Wenn es überhaupt mit einem Besichtigungstermin klappt, kommt nicht selten die böse Überraschung, weiß Jan Gärtner aus vielen Gesprächen mit Betroffenen. Teilweise wurde gewünscht, eine Woche in der WG Probe zu wohnen und „jederzeit rausgeschmissen“ werden zu können. „Das schlimmste Angebot war von Leuten, die ein WG-Zimmer nur gegen sexuelle Dienstleistung in Aussicht stellten. Das war ein extremer Einzelfall.“ Öfter komme vor, dass bei der Übernahme versucht wird, „noch was Geld rauszuholen und zum Beispiel die fünf Jahre alte Ikea-Einrichtung, die neu 1000 Euro gekostet hat, für 1200 Euro an den Nachmieter zu verkaufen“. Dabei hat der 25-Jährige auch Verständnis dafür, dass alle in schwierigen Pandemiezeiten mehr aufs Geld gucken müssen.

Viele Bleiben sind schlicht zu teuer für Studierende

Viele haben Jobs verloren, während des Lockdowns bei den Eltern gelebt. Nun ist das Geld knapp und die Nachfrage übersteigt bei weitem das Angebot an Studi-Wohnungen. In Köln boomen zwar sogenannte Mikroapartments etwa im beliebten Ehrenfeld, aber die seien viel zu teuer für Studierende. „1500 Euro warm für Drei, das war eigentlich schon über meinem Miet-Budget“, sagt Jan Gärtner. Umso mehr freut er sich, dass er über Tipps von Bekannten die kleinere Wohnung für 535 Euro in Humboldt-Gremberg ergatterte.

Mit mehreren Nebenjobs kommt der Physikstudent nun einigermaßen gut über die Runden, rechnet der 25-Jährige vor: Er verdient mit seinem bezahlten Ehrenamt beim AStA im Monat 400 Euro, im Uni-Zweitjob knapp 300 Euro, dazu kommen 200 Euro Halbwaisenrente, etwas Geld durch Nachhilfe und 300 Euro aus dem Studienkredit. Bafög erhält der Studienfachwechsler (von Maschinenbau zu Physik und Lehramt ) nicht. Davon gehen 160 Euro Krankenkasse und Pflegeversicherung wieder ab und fürs Wohnen inklusive Strom und Internet rund 400 Euro. „Ich weiß von Vielen, die im Monat nur 800 bis 900 Euro haben, vielleicht höchstens 1000, und die davon 50 bis 60 Prozent nur für Miete bezahlen.“

Der AStA-Politikreferent setzt sich mit den anderen Studierenden-Vertretern für eine Verbesserung der eklatanten Wohnungskrise ein. Um eine Notschlafstelle einzurichten, erhalten sie jetzt Unterstützung von Stadt und Uni.(s. Infotext auf der nächsten Seite).

Notschlafstelle für 50 Studierende

Eine ehemalige Flüchtlingsunterkunft an der Neusser Straße stellt die Stadt dem Uni-AStA befristet als Notschlafstelle für Studierende zur Verfügung. Voraussichtlich ab Anfang November können etwa 50 Studierende ohne eine eigene Wohnung die Unterkunft kostenlos vorübergehend nutzen, so der AStA. Das Rektorat der Universität zu Köln und das Studierendenwerk unterstützen den AStA zum Start des Wintersemesters bei dem Vorhaben. Aus dem AStA- Budget müsse auch eine Brandschutzwache finanziert werden, die Tag und Nacht im Einsatz ist, so die Studierendenvertretung.

Das Angebot richtet sich besonders an wohnungssuchende Studierende, die noch bei den Eltern wohnen und größere Strecken nach Köln und zurück pendeln müssten, so die Studierenden. Interessierte können sich ab sofort an den Uni-AStA wenden. In der Notschlafstelle gilt die 3G-Regel.

5000 Wohnhausplätze bietet das Studierendwerk Köln an, aber diese sind knapp, nur wenige frei. Voriges Jahr gab es 9000 Bewerbungen. Das Ziel bleibt: Weiter bauen auf mindestens 6000 Plätze. Insgesamt gibt es rund 100 000 Studierende in Köln. AStA-Referent Jan Gärtner findet: „Die Wohnheimplätze des Studierendenwerks müssten verdoppelt werden. Dafür müsste die Stadt allerdings auch die Grundstücke bereitstellen statt mit mehr Gewinn an andere zu verkaufen.“

Im Schnitt kostet ein Wohnheimplatz 266 Euro. In konkreter Planung sind neue Projekte etwa in Ehrenfeld und Klettenberg. Der Wohnturm an der Sporthochschule wird bis April 2022 entmietet und kernsaniert. (MW)

notschlafstelle@asta.uni-koeln.de

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