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Dogan Akhanli gestorbenKöln verliert eine Stimme der Freiheit

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Der Schriftsteller starb nach kurzer, schwerer Krankheit am 31.10.2021 in Berlin, wie ein Sprecher des deutschen PEN-Zentrums am Sonntag bestätigte.

Köln/Berlin – Welch tiefsitzender Stachel er im Fleisch der Mächtigen war, wurde nochmals 2017 mit aller Wucht deutlich: Auf Druck der Türkei nahm die spanische Polizei den in Köln lebenden Schriftsteller Doğan Akhanli fest. Er sollte ausgeliefert werden. Was ihm in seinem Geburtsland drohte, kannte er bereits: Durch Gefängnishaft mundtot gemacht werden. Ein internationaler Aufschrei konnte das aber verhindern. Dennoch kann Akhanli nun seine Stimme nicht mehr für die „Unteilbarkeit der Menschenrechte“ erheben – egal ob für Türken, Armenier oder Kurden. Der Schriftsteller starb am Sonntag nach kurzer, schwerer Krankheit in Berlin, wohin er erst in jüngster Zeit gezogen war. Seine Beerdigung wird aber in der Stadt stattfinden, in der er nach seiner Flucht aus der Türkei im Jahr 1991 Heimat und Freiheit fand: Köln.

In der Provinz Artvin, am schwarzen Meer, erblickte Akhanli im Jahr 1957 als Sohn eines Lehrers das Licht der Welt. Auf dem Land verbrachte er seine Kindheitsjahre. Doch der Wissensdurst, den seit Vater ihn wohl in die Wiege gelegt hat, zog ihn nach Istanbul, wo sein älterer Bruder lebte. Dort setzte er seine Schulbildung fort, die schließlich in einem Studium der Geschichte und Pädagogik mündete.

Er politisierte sich früh

Gedenken

Oberbürgermeisterin Henriette Reker äußerte sich am Sonntag zum Tode von Doğan Akhanli:

Noch nicht 20 Jahre alt, begann sich der junge Intellektuelle zu politisieren – und geriet zugleich ins Visier der Mächtigen. Wegen des Kaufs einer linksgerichteten Zeitschrift landete er in Untersuchungshaft. Was wohl als Einschüchterung gedacht war, schlug ins Gegenteil um: Akhanli engagierte sich fortan in der Kommunistischen Partei. Nach dem Militärputsch 1980 ging er gar in den Untergrund. Doch anders als 2017 konnte er damals dem Zugriff der Mächtigen nicht entgehen: Mit samt seiner Familie wurde er 1985 festgenommen. Zweieinhalb Jahre Haft im Militärgefängnis. Akhanli berichtete von Folter.

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In Deutschland konnte der Schriftsteller Erfolge feiern. 2019 wurde er mit der Goethe-Medaille ausgezeichnet. In der Begründung wurde hervorgehoben, Akhanli setze sich seit langem mit großer Klarheit für die Völkerverständigung zwischen Armeniern, Türken und Kurden ein – ohne jedwede Simplifizierung. Zudem war er auch Mitglied im deutschen PEN. Dessen Präsident Deniz Yücel würdigte Akhanli nach seinem unerwarteten Tod als „Streiter für Menschenrechte, Frieden und Aufarbeitung der Verbrechen an den Armeniern“.

Asyl und Auszeichnungen – unkritisch hat das den kritischen Geist auch gegenüber Deutschland nicht werden lassen. Spanien bezog sich bei seiner Festnahme 2017 auf ein bei Interpol vorliegendes Ersuchen auf Festnahme durch die türkische Regierung. Hätten ihn die deutschen Behörden darüber informiert, er wäre nicht gereist, ließ er über seinen Anwalt sagen. Dennoch: „Es ist ein schönes Gefühl, wieder in Köln zu sein“, sagt er, nachdem er rund drei Monate in Spanien fest saß und schließlich doch zurückkehren konnte. Und Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker gab sogleich zurück: „Ich denke, ich spreche für alle Kölner, wenn ich sage, dass wir froh sind, ihn wieder hier zu haben.“ Doch nun hat Köln diese besondere Stimme der Freiheit für immer verloren.

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