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Gentrifizierung in EhrenfeldZukunft des Allerweltshauses unklar

Lesezeit 6 Minuten
Akut gefährdet: Der Mietvertrag des Allerweltshauses läuft im März 2021 aus.

Akut gefährdet: Der Mietvertrag des Allerweltshauses läuft im März 2021 aus.

Ehrenfeld – Ein böses „Weihnachtsgeschenk“ sei im vergangenen Dezember eingegangen, berichtete Eva Schaaf, Vorstandsmitglied des Allerweltshaus e. V., den etwa 150 Besucher im brechend vollen „Saal“ des interkulturellen Begegnungszentrums. Der neue Eigentümer der Räumlichkeiten an der Körnerstraße 77 habe schriftlich mitgeteilt, er sehe keine Möglichkeit, den Mietvertrag nach dem Ablauf im März 2021 zu verlängern. „Um unsere Projekte zu finanzieren, müssen wir Monate vorher Fördermittel beantragen“, so Schaaf. „Die kriegen wir nicht, wenn wir nicht angeben können, wo wir die durchführen wollen.“

Nach Jack-in-the-Box und Cinenova nun das Allerweltshaus

Auf dem Programm stand ein Diskussionsabend zum Thema „Gentrifizierung“. Während seit längerem bekannt sei, dass soziale und kulturelle Veedels-Institutionen wie Jack-in-the-Box und das Cinenova von den Grundstückseigentümern „zwecks Profit-Maximierung weggemobbt“ werden sollen, so Schaaf, war die akute Gefährdung des Allerweltshauses den meisten Gästen neu. Noch im letzten Jahr konnte der Verein sein 30-jähriges Bestehen feiern, der seit 1996 in der Körnerstraße eine wichtige Anlaufstelle für Migranten ist und überdies Vereinen und Initiativen, die sich in der politischen Bildungsarbeit mit Schwerpunkten wie Menschenrechte und Nachhaltigkeit engagieren, seine Räume zur Verfügung stellt.

Eigentümer wollten 2018 „nicht zur Gentrifizierung beitragen“

Im Sommer 2018 hatte auch Eva Schaaf noch optimistisch in die Zukunft gesehen. Das Gebäude, in dem sich das Allerwetshaus befindet, war im Frühjahr 2015 verkauft worden, aber die neuen Eigentümer hatten versichert, dass sie sich auf ein „gemeinschaftliches Miteinander“ freuten. Für Schaaf durchaus glaubwürdig: „Wir kannten das Paar, sie wohnten früher hier im Haus. Das sind an sich nette Leute, die stehen uns auch politisch nah.“ Ausdrücklich wollten sie „nicht zur Gentrifizierung beitragen“. Also nicht Teil jenes Teufelskreises werden, der einen beliebten Stadtteil teuer macht, weil er zahlungskräftige Mieter anlockt. Was jene angestammten Bewohner vertreibt, die die höheren Preise nicht zahlen können. Darunter auch Einrichtungen, die den Stadtteil ursprünglich einmal beliebt gemacht haben. Denn die sind häufig auf niedrige Mieten angewiesen. Wie das Allerweltshaus, das für 400 Quadratmeter derzeit 1600 Euro Kaltmiete zahlt. Zusammen mit Nebenkosten in Höhe von mehr als 900 Euro ist damit finanziell die Obergrenze erreicht.

Alles zum Thema Henriette Reker

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Der Verein erhält jährlich nur 18 000 Euro Zuschuss von der Stadt, alles übrige muss über Spenden, Stiftungen und Projektmittel hereingeholt werden. Wichtig sei ja gerade, so Sabrina Cali, Mitglied des Beirats, dass die Angebote niedrigschwellig bleiben. Das komme nicht nur im für Körnerstraßen-Verhältnisse betont „unhippen“, kargen Second-Hand-Mobiliar zum Ausdruck: „Wir bleiben mit unseren Raummieten auch unter Bürgerzentrums-Niveau. Und wenn wir wissen, dass etwa eine Migrantengruppe kein Geld hat, dürfen die sich hier auch kostenlos treffen.“ Daran solle sich auch nichts ändern, eine mögliche Kaltmiete von 4000 Euro, die die Eigentümer im Gespräch mal erwähnt hatten, sei aus eigenen Kräften nicht zu erwirtschaften.

Großteil der Sanierung würde vom Land getragen

Dass allerdings in dem Gebäude Sanierungsmaßnahmen notwendig sind und auch der eingeschossige Teil des Hauses in der Grimmstraße aufgestockt werden sollte, hatten die neuen Eigentümer früh durchblicken lassen. In einem eigenen „Zukunfts“-Beirat des Allerweltshauses hatten Architekten, Stadtplaner und Juristen daher ein Konzept erarbeitet, das sie im Januar 2018 Oberbürgermeisterin Henriette Reker vorstellten. Danach soll die Stadt Mittel über das Landesprogramm „Investitionspakt soziale Integration im Quartier“ beantragen. 80 Prozent der Kosten für den Umbau des vom Verein genutzten vorderen Gebäudeteils würde demnach das Land übernehmen, zehn Prozent die Stadt und zehn Prozent der Verein selbst. „Dem Eigentümer würde die Sanierung dieses Teils finanziert, wir könnten das in den kommenden 25 Jahren, solange würde der Vertrag laufen, quasi ,abwohnen’“, so Schaaf.

Die Kalkulation geht von Gesamtkosten in Höhe von rund einer Million Euro aus. Eva Schaaf ist optimistisch, dass das Allerweltshaus „seine“ 100 000 Euro zusammenbringen könnte: „Wir würden eine Kampagne starten, Spenden sammeln, billige Kredite aufnehmen.“ Wie Dr. Harald Rau, Dezernent für Soziales, Integration und Umwelt, im Februar 2018 schriftlich bestätigte, befürwortet die OB dieses Konzept. Und in seiner Antwort auf die Einladung zum „Gentrifizierungsabend“ im Allerweltshaus stellte Hans Oster, Leiter des Amts für Integration und Vielfalt, Anfang April klar, dass „der Stadt das Allerweltshaus und insbesondere seine weitere Existenz am angestammten Ort sehr am Herzen“ liege. Und weiter; „Ich habe gegenüber dem Eigentümer nochmals unser großes Interesse deutlich gemacht und meine Unterstützung für ein Umbauvorhaben, das die langfristige Existenz des Allerweltshauses sichert, zugesagt.“ Doch die Eigentümer halten sich nach anfänglichem „Interesse“ bedeckt. „Wir haben 2018 wiederholt Gespräche angeboten, aber sie haben nicht geantwortet“, sagt Sabrina Cali.

Eigentümer haben eigene Pläne

Stattdessen teilten sie im Dezember auch mit, sie hätten einen eigenen Architekten mit der Planung beauftragt, und hofften, in Kürze eine Bauvoranfrage bei der Stadt einreichen zu können. „Unsere Vermutung ist, dass ihnen das gesamte Verfahren nicht geheuer ist. Vielleicht ist es aber auch diese ,Goldgräbermentalität': Jeder will derzeit möglichst viel aus seinen Immobilien herausholen.“ Eva Schaaf hofft nun, dass der allseitige moralische Druck die Eigentümer zum Umdenken bewegt.

Einen Trumpf haben die Leute vom Allerweltshaus aber noch im kollektiven Ärmel: Wenn die neuen Eigentümer die Baulücke an der Grimmstraße füllen wollen, brauchen sie voraussichtlich das Einverständnis der Nachbarn. „Wenn das Allerweltshaus raus muss, werden wir denen alle Steine in den Weg legen, die wir finden können“, versprach Nachbarin Gisela Schmidt“. Sie ist Gründerin der Initiative „Wohnraum für alle“.

Gentrifizierung in Ehrenfeld aktuell

Vorsichtig optimistisch sind Cinenova und Jack-in-the-Box, was ihre Zukunft in Ehrenfeld angeht. Die Petition des Cinenova haben schon 18 000 Unterschriften Menschen unterzeichnet, erzählte Inhaberin Martina Borck. Samuel Singer, Geschäftsführer Immobilienfirma Objekt VL, hatte Bezirksbürgermeister Josef Wirges erklärt, dass er in der Herbrandstraße hochpreisige Mikro-Appartements hochziehen möchte. Die Immobilienfirma hatte daher zuletzt versucht, das Kino durch die Erhöhung der Parkhaus-Tarife wegzumobben. Für Hoffnung sorgt ein Antrag auf Änderung des Bebauungsplans, der hier Wohnungsbau untersagen würde. Im Mai wird der Stadtentwicklungsausschuss darüber entscheiden. Borck bleibt trotzdem wachsam: „Mal sehen, was die sich als nächstes einfallen lassen.“

Erleichterung auch bei Martin Schmittseifer von Jack-in-the Box. Nach zunächst vielversprechenden Beginn waren die Gesprächen mit dem Investor Aurelis über den auch von den politischen Gremien gewünschten Verbleib von Jack-in-the-Box auf dem Gelände im Sommer 2018 beendet worden. Bis zu 5800 Euro pro Quadratmeter zahlen neue Ehrenfelder dort für eine Eigentumswohnung. Doch öffentlicher Druck zeigt Wirkung: „Mittlerweile haben wir einen neuen Ansprechpartner bei Aurelis“, so Schmittseifer. Zwar nicht in der ursprünglich geplanten Größe, aber verkleinert und an anderer Stelle könne sein Verein womöglich auf dem Areal bleiben.

Nun trifft es auch die Schwächsten. Josef Wirges berichtete, dass drei Gebäude in der Marienstraße, in denen psychisch oder physisch beeinträchtige Menschen von der Heilsarmee betreut werden, an einen Investor veräußert wurden, der sich bislang nicht gerade durch soziales Bewusstsein hervorgetan hat. „Das ist wichtige, segensreiche Arbeit, ich versuche, den Investor zur Besinnung zu bringen“, so Wirges.

Wirges stellte aber klar, dass die Politik einen Investor nicht stoppen kann, solange der sich an geltendes Recht hält. Die Vertreter der betroffenen Einrichtungen bekräftigen im Allerweltshaus aber ihre Absicht, sich nun stärker zu vernetzen. Auch für gemeinsame Aktionen. (hwh)

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