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Hühner, Biker und Franka PotenteFührung durch die Reste von Fort IV in Bocklemünd

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Imposant von außen und von innen: Die Mauertechnik der Gewölbe erstaunt heute noch, eine Tour durch die Gänge ist teils abenteuerlich.

Imposant von außen und von innen: Die Mauertechnik der Gewölbe erstaunt heute noch, eine Tour durch die Gänge ist teils abenteuerlich.

Bocklemünd – Werner Müller zeigt auf den mit grauen Steinchen bedeckten Boden des Nachbargewölbes: „Da liegt Gleis-Schotter aus der Londoner U-Bahn, wenn Sie möchten, können Sie etwas davon mitnehmen.“ Hallo? Wir befinden uns zwar unter der Erde, aber immer noch auf Bocklemünder Gebiet. Müller klärt auf: „Hier unten wurden 2004 Teile des Horror-Films ,Creep’ gedreht, in dem Franka Potente als Model von einem Psychopathen durch die Gänge der Subway gejagt wird“.

An einer Seitenwand ist sogar noch die Halterung einer Metallschiene zu erkennen, die Potente schließlich abreißt, um sie dem Killer ins Herz zu rammen.

Als Filmkulisse hat sich Fort IV am Freimersdorfer Weg mehrfach bewährt, und auch sonst hat es manche kuriose Geschichte zu erzählen. Werner Müller, freier Stadthistoriker und Betreiber des Historischen Luftfahrtarchivs Köln, kennt die meisten, dazu gibt’s detaillierte Erläuterungen zur militärischen Bedeutung der Anlage. Stoff genug für eine rund dreistündige Führung auf Einladung der Bürgervereinigung Ehrenfeld, zu der sich rund 20 Teilnehmer eingefunden haben. Von den Veranstaltern waren sie ausdrücklich aufgefordert worden, eine Taschenlampe mitzubringen, denn meist geht es durch – wenn überhaupt – schlecht beleuchtete Gänge mit unebenen, von allerlei Geröll und Unrat übersätem Boden. Treppauf, treppab, bald weiß man nicht mehr so recht, ob man noch im Erd- oder schon im Untergeschoss ist.

Fort IV ist, wie die meisten Kölner Forts, in einem schlechten Zustand, und das bringt Müller immer wieder auf die Palme. „Die stehen unter Denkmalschutz, aber die Stadt tut nichts, um sie zu erhalten.“ Köln, so Müller, war immerhin die bedeutendste preußische Festung, aber das scheine nicht einmal Historiker zu interessieren: Eine genaue Erforschung stehe aus, an wichtige Daten und Fakten sei nur schwer heranzukommen.

Die bekannten sind imposant. Eine Fläche von etwa 330 mal 210 Meter hatte das Bocklemünder Fort einst, die Mauern waren bis zu drei Meter dick. „Zur Stadt hin war es nur ein Meter, so hätte man das Fort im Fall einer Eroberung effektiver durch Beschuss von der Stadt aus rückerobern können“, erklärt Werner Müller. Der Feind – das waren natürlich die Franzosen. Die Geschosse der Artillerie hätten von Köln aus bis Grevenbroich, Dormagen oder Leverkusen erreicht: „Nicht bis Düsseldorf, aber wir arbeiten dran“, scherzt Müller.

Die Festungsringe

Bereits 1816 begannen die Preußen mit der Anlage des Inneren Festungsrings entlang der heutigen Inneren Kanalstraße. Weil sich die Reichweite der Geschütze verbesserte und die Vorstädte aufgrund der Industrialisierung anwuchsen, wurde ab 1871 der Äußere Festungsring mit zwölf Forts, 24 Zwischenwerken und einem Radius von maximal 7,7 Kilometern um den Dom errichtet.

Die Teile der Anlage waren durch die Militärringstraße verbunden. Immer wieder ist auch von einer unterirdischen Verbindung die Rede, die aber noch nicht nachgewiesen werden konnte. (hwh)

Rund 2000 Arbeiter waren an der Errichtung von Fort IV beteiligt, etwa 900 Soldaten hier stationiert. In den übrigen elf Forts des Äußeren Festungsrings ging es ähnlich zu. Die erfreuliche Pointe: Dieses gigantische Festungssystem wurde nie mit dem Ernstfall konfrontiert. Aufgrund der Vereinbarungen im Versailler Vertrag wurde es 1919 geschleift, die Forts wurden gesprengt, die Gänge teils zugeschüttet. Im Zweiten Weltkrieg wurde der noch erhaltene Teil von Fort IV für die Koordination der Flugabwehr im Großraum Köln genutzt. Die Räume sind heute leer, Müller gab anhand historischer Fotografien einen Eindruck davon, wie es damals vor Ort aussah.

Seit den 1920er Jahren wurde der Innenbereich des ehemaligen Forts vom Post-Sport-Verein genutzt, der Umkleideräume in den Gängen einrichtete und auf den leidlich planierten Flächen Sportplätze anlegte. In den 60er Jahren hatte eine Hühnerfarm Teile der Soldatenunterkünfte angemietet, auch Champignons wurden hier gezogen. Heute ist ein Biker-Club in einem Teil des Komplexes ansässig, in einem anderem betreibt der Ehrenfelder Verein für Arbeit und Qualifizierung (EVA) eine Werkstatt.

Nachdem Müller den Teilnehmern die erhaltenen Räume gezeigt hat, geht es plötzlich wieder an die Erdoberfläche, man tritt durch eine Tür und steht auf dem Gelände des TPSK, des Nachfolge-Vereins von Post-Sport. „Da hinten auf dem Sportplatz ist 1972 mal ein Fußballer während eines Spiels eingebrochen, plötzlich war der weg. Es stellte sich heraus, dass die Decke eines alten Gangs nachgegeben hatte. Eine ganz besondere Abseitsfalle“, so Müller. In der Gegend vermutet er auch ein altes Munitionsdepot. Was da alles im Grund verborgen ist, könne man nur ahnen: „Aber niemand kümmert sich darum, ich würde mir wünschen, dass man hier eine Außenstelle des Stadtmuseums eröffnet, für 1,5 Millionen Euro könnte man das Fort wieder auf Vordermann bringen.“

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