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Kameras, Köder, kein StromMieter von ehemaliger Kölner Fabrik fühlen sich schikaniert

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Traumwohnung in der ehemaligen Bruncken-Fabrik

Köln-Bickendorf – In einer Loft-Wohnung in einem ehemaligen Fabrikgebäude zu wohnen mit gut und gerne zehn Metern Deckenhöhe, wo sich unter einem Glasdach der reizvolle Kontrast zwischen modernem Mobiliar und den noch sichtbaren Formen der Industriearchitektur entfalten kann, mag für viele ein Traum sein. Für die noch verbliebenen Bewohner in der ehemaligen Elektromotorenfabrik Bruncken ist es dagegen eher ein Alptraum geworden, hier zu wohnen.

Nach dem Verkauf des Gebäudes wurde ihnen gekündigt. Nicht alle akzeptierten den Rauswurf, der Anfang April 2020 von den zuvor ebenfalls im Hause wohnenden Vermietern verfügt wurde. Vier von ehemals 18 Mietparteien setzten sich juristisch gegen die Kündigung zu Wehr. Seitdem ist es ungemütlich geworden an der Rochusstraße 56.

Die Heizungsanlage ist außer Betrieb. Auf Nachfrage erklärte der Anwalt der Vermieter, dass es sich um einen Totalschaden handele, der im Zuge des Starkregens Mitte Juli eingetreten sei. Da das Haus verkauft sei und ohnehin für einen Neubau abgebrochen werden soll, komme eine Reparatur nicht in Betracht. Er bat, von weiteren Anfragen abzusehen. Diese Darstellung bezeichnet einer der Mieter als unwahr. Keinesfalls habe das Wasser so hoch im Heizungskeller gestanden, dass es diesen Schaden hätte verursachen können.

Rattengift ohne Köderboxen

Er und andere berichteten von weiteren Schikanen, wie das unangekündigte Abschalten von Strom oder dem Ausbringen von Rattengift ohne Köderboxen. Als besonders unangenehm empfinden es die Bewohner, dass an mehreren Stellen im Gebäude Kameras angebracht seien, die offenkundig nur dazu dienten, sie zu überwachen. Eines dieser Geräte ist auf eine Dachterrasse gerichtet, die zu einer der Wohnungen gehört. 

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Eine angefragte Stellungnahme der Vermieter oder von deren Anwalt hierzu blieb gestern aus. Käufer des Objekts ist eine in Düsseldorf ansässige Projektentwicklungsgesellschaft. Deren Geschäftsführer will sich zu einem späteren Zeitpunkt äußern. Inzwischen hat diese Gesellschaft bei der Stadtverwaltung bereits den beabsichtigten kompletten Abbruch der Gebäude angezeigt. Sie befinden sich auf einem Grundstück, das bis an die Rückseite der Häuser an der Teichstraße reicht.

Vor allem die Pläne für den Bau von Eigentumswohnungen bilden die Grundlage des Widerstands der Bewohner, die inzwischen einen Verein namens „Alte Fabrikhöfe Bickendorf“ gegründet haben. „Es geht nicht um uns und unsere Wohnungen. Wir wollen das Gebäude als prägenden Bestandteil Bickendorfs erhalten und es in Zukunft öffentlich zugänglich machen“, sagt einer der Vereinsgründer. Ziel ist es, die alte Brunckenfabrik selbst zu kaufen. Vor Gericht konnten die einzelnen Mieter bislang Erfolge verbuchen. In wenigen Tagen werden weitere Urteile des Amtsgerichts Köln erwartet.

Das Bruncken-Gebäude

Johannes Bruncken (1880-1968) gründete sein Unternehmen 1907. 1910 bezog er die eigens erbaute Fabrik in Bickendorf. Eine der ersten dort produzierten Anlagen war der Antrieb für das Glockengeläut des Kölner Doms. Bruncken, gebürtig aus Fedderwardersiel an der Nordseeküste, kam als junger Ingenieur nach Köln und sammelte erste Erfahrungen bei den Helios-Werken in Ehrenfeld. Das eigene Werk, wo bis zu 300 Menschen tätig gewesen sein sollen, entwickelte sich dank technischer Innovationen gut am Weltmarkt. Produziert wurden vor allem Elektromotoren für landwirtschaftliche Anwendungen.

Im Zweiten Weltkrieg gab es erhebliche Zerstörungen an den Gebäuden. Die markante Fassade an der Rochusstraße stammt aus den 1950er Jahren. Ab Ende der 1950er Jahre wurde es aufgrund normierter Motorenbauformen zunehmend schwerer, konkurrenzfähig zu bleiben. Zehn Jahre später war Bruncken pleite.

Unterstützung bekommen die Bewohner von Teilen der Nachbarschaft. Im Sommer gab es eine Solidaritätskundgebung in der Straße. Michael Schmitz, der sich mit verschiedenen Initiativen für das historische, kulturelle und architektonische Erbe des Stadtteils einsetzt, hält die „fortschreitende Gentrifizierung und die Verdrängung wertvoller alternativen Wohnstrukturen an sich schon für beklagenswert“. Richtig wütend ist er jedoch darüber, dass sich nur offenbar eine „Entmietungskriegsführung“ mitten im Viertel abspiele.

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