Ehrenfelder MoscheeDas sagen Kölner Promis über die Situation der Ditib

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Erdogan Rede Moschee (4)

Der türkische Staatschef Erdogan und Ditib-Präsident Nevzat Yasar Asikoglu bei der Eröffnung der Moschee in Köln

Köln – Nach der Eröffnung der Großmoschee durch den türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan ist der Schaden groß. Die einladende Ditib hat Oberbürgermeisterin Henriette Reker und alle anderen, die sich für den Bau eingesetzt haben, massiv verärgert. Kann sie überhaupt noch ein Ansprechpartner sein? Wir haben bei Kölner Köpfen nachgefragt. 

„Die Ditib muss jetzt guten Willen zeigen“

„Der gewählte Ditib-Vorstand ist mit den Jahren linientreuer geworden und hat sich von uns weg entwickelt. Er hat uns am langen Arm austrocknen lassen, diese Entwicklung sehen auch unsere früheren Gesprächspartner mit Entsetzen. Im Vorfeld der Eröffnung hatte man ja den Eindruck, der Handelnde ist der türkische Staat und nicht die Ditib. Da ist eine Riesen-Chance verspielt worden – das macht mich traurig und ich fühle mich getäuscht. Die Ditib wäre nur ein Ansprechpartner, wenn sie einen Spurwechsel vornimmt, möglicherweise auch personell, das muss sie selbst regeln. Der Ball liegt bei der Ditib, sie muss guten Willen signalisieren. Ich will den Dialog fortsetzen, denn es gibt in der Ditib einen Teil, der an einer anderen Art des Austauschs und der Integration interessiert ist.

Die Moschee als Gebäude und alles, was wir uns davon erhofft haben, wird Herrn Erdogan und die aktuelle Ditib überleben und sich am Ende durchsetzen. Und wir als Stadt müssen sagen, dass wir uns eine solche Überrumpelung nicht mehr gefallen lassen.“

Fritz Schramma war von 2000 bis 2009 Oberbürgermeister

Fritz Schramma war von 2000 bis 2009 Oberbürgermeister

„Werte müssen eingehalten werden”

„Die Eröffnung der Großmoschee hätte eine positive Wirkung haben können, aber nur mit einer komplett anderen Organisation. Das ist alles sehr traurig. Am meisten tut es mir für Alt-OB Fritz Schramma leid, der sich so sehr für die Moschee eingesetzt hatte. Die Ditib muss sich bewusst sein, was sie mit ihrem Vorgehen auslöst. Sie muss Werte einhalten, Menschen, denen, man etwas verdankt, muss man Ehre geben. Ich habe ein Geschäft für Dekorationsartikel auf der Keupstraße, das Tablett und die Schere für die Eröffnung habe ich nach der Anfrage der Ditib geliefert. Selbst war ich bei der Eröffnung nicht dabei, ich war im Geschäft.

Viele Menschen haben dazu beigetragen, dass sich das Verhältnis zwischen Türken und Deutschen verschlechtert hat. Wir bräuchten dringend mehr Veranstaltungen wie ,Birlikte’, in denen die Verständigung gefördert wird. Wir brauchen mehr denn je Menschen, die sich gegen Rassismus stellen und das Gemeinsame betonen. Es fehlt uns das Bewusstsein für das, wofür wir uns einsetzen und kämpfen sollten.“

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Meral Sahin ist Vorsitzende der IG Keupstraße. Sie hat sich im Rahmen von „Birlikte“ stark engagiert.

„Es gibt keine Alternative zum Dialog“

Am Montag tagte der Kölner Rat der Religionen, ein Zusammenschluss von Religionsgemeinschaften und Organisationen, unter anderem der Ditib. Danach sagte Oberbürgermeisterin Henriette Reker:

„Der Rat der Religionen hat die Auffassung, dass jede Religionsgemeinschaft selbst entscheidet, wie sie ihr Gotteshaus eröffnen möchte. Aber der Rat hätte sich ein Fest der Begegnung gewünscht. Durch die Veranstaltung ist der Eindruck entstanden, dass es sich um eine Exklusiv-Veranstaltung gehandelt hat. Darüber ist der Rat der Religionen enttäuscht – gleichwohl ist weiter eine vertrauensvolle, offene und aufrichtige Zusammenarbeit auch mit den Vertretern der Ditib möglich. Die Ditib hat mich heute zum Tag der offenen Moschee eingeladen (3. Oktober, Anm. d. Red). Ich kann nicht teilnehmen, weil ich die Partnerstadt Thessaloniki besuche. Aber die Ditib wird sich mit mir in den nächsten Tagen treffen und ich würde mir sehr wünschen, dass sie ein Signal in die Stadt aussendet, dass es wirklich wieder Dialogbereitschaft gibt. Dazu gibt es keine Alternative. Immer wenn es besonders schwierig wird, ist der Dialog besonders wichtig.“ Der Vertreter der Ditib habe ihr sein Bedauern ausgedrückt, eine ausdrückliche Entschuldigung habe es nicht gegeben. Auf die Frage, ob sie das verlange, sagte sie: ,Wir müssen nach vorne schauen.’“

Reker

Henriette Reker, parteilose Oberbürgermeisterin, hatte ihre Teilnahme an der Eröffnung abgesagt.

„Wir brauchen aufgeklärte Muslime”

„Es bleibt mehr als nur ein Scherbenhaufen zurück, es ist, als hätte ein Sturm gewütet. Ich habe mich am Samstag nicht mehr wie in Deutschland gefühlt, aber auch nicht wie in der Türkei. Ich habe mich gefragt, wie kann das sein, dass diese Menschen einem Führer des Islamofaschismus nachlaufen.

 Ich habe mich damals für den Bau der Moschee engagiert, aber es war eine andere Zeit und schon vor der Grundsteinlegung 2009 hatte sich der Wind gedreht. Da zeichnete sich ab, dass Erdogan auf dem Weg zu einem autoritären Staat ist. Die Ditib arbeitet heute aktiv gegen die Integration. Man kann daher nun nicht einfach so weitermachen. Es ist Zeit für eine Bestandsaufnahme: Wie gehen wir mit den Muslimen in Deutschland um? Wie mit der türkischen Gemeinschaft? Wir brauchen aufgeklärte Muslime und wir brauchen einen ,deutschen Islam’. Die Muslime in Deutschland müssen definieren, wie der Glauben mit der freiheitlichen Grundordnung in Deutschland zu vereinbaren ist.

Der Islam darf nicht länger wie eine exotische Pflanze betrachtet werden. Er muss hier bei uns auf eine neue Grundlage gestellt werden, die breite Akzeptanz erfährt. Erst dann wird es auch wieder möglich sein, gemeinsam ins Gespräch zu kommen.“

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Lale Akgün, saß bis 2009 für die SPD im Bundestag. Sie kritisiert sie den konservativen Islam in Deutschland.

„Bau der Moschee bleibt richtig”

„Ob der türkische Staatspräsident seinen hiesigen Anhängern mit diesem Besuch einen Gefallen getan hat, wird sich zeigen. Ich befürchte, er hat ihnen einen Bärendienst erwiesen. Eine Botschaft seinerseits aus der Ferne, dass diese Moschee eine deutsche Moschee ist und für jeden offen steht, wäre ein großer Beitrag gewesen, die Akzeptanz dieser Menschen zu befördern.

Wir müssen aber zu einem ernsthaften Dialog mit der Ditib zurückfinden. Den gab es mal, allerdings mit anderen Akteuren. Dazu muss ein Umdenken bei der Ditib stattfinden, wenn das nicht passiert, wird es sehr schwierig. Ich glaube aber, dass dieses Wochenende auch innerhalb der Ditib und bei den türkei-stämmigen Kölnern viel Kritik ausgelöst hat. Ich verfolge in den Netzwerken eine sehr rege Diskussion darüber, es gibt Ditib-Gemeinden, die mit dem Kurs nicht einverstanden sind. Der Bau bleibt nach wie vor richtig, denn unabhängig vom Bauherrn handelt es sich um ein Gotteshaus. Für die Stadt Köln, für das Land NRW und für Deutschland gehören die Religionsfreiheit, der Respekt vor Gotteshäusern und die Verurteilung jeglicher Angriffe auf sie zu den Prinzipien und zu der Verteidigung unserer freiheitlich demokratischen Grundordnung.“

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Lale Akgün, saß bis 2009 für die SPD im Bundestag. Sie kritisiert sie den konservativen Islam in Deutschland.

„Ditib muss Blockade aufgeben”

„Es ist viel Porzellan zerschlagen worden, und es wird dauern, das zu kitten, wenn die Ditib das überhaupt kitten möchte. Wir haben in Köln seit vielen Jahren den Rat der Religionen, und da gibt es ein gutes Miteinander. Das Agieren der Ditib ist nun aber ein politisches und nicht ein religiöses. Das ist sehr schade. Von daher müssen wir uns fragen: Ist die Ditib noch der richtige Ansprechpartner für den interreligiösen Dialog? Der Ball liegt nun auf deren Seite, sie muss sich äußern. Ist sie mehr als nur der verlängerte Arm der Politik?

Ich bin keiner, der den Dialog einseitig abreißen lassen will. Man sollte immer gesprächsbereit bleiben. Aber die Ditib muss ihre Blockadehaltung aufbrechen. Und dann gibt es ja Fragen: Was ist das für ein Leben in und um die Moschee? Was bedeutet das für die Ausbildung von Imamen?

Andererseits ist der Dialog mit den Muslimen in unserer Stadt breit aufgestellt. Ich warne davor, nun alle über einen Kamm zu scheren. Selbst die türkisch-sprachigen Muslime werden nicht alle von der Ditib repräsentiert. Schon gar nicht gilt das für Geflüchtete aus Syrien, man kann daher auch nicht, wie es einige nun tun, von einer fortschreitenden Islamisierung reden.“

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Robert Kleine ist Stadtdechant und Domdechant. Er ist Ansprechpartner der Kirche für die Stadt Köln.

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