Ein Tag auf der Deutzer KirmesSo erschreckt man Besucher der Geisterbahn

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Der Schrecken in Person: Rundschau-Volontär Simon Westphal versuchte sich in der Geisterbahn als Erschrecker.

Der Schrecken in Person: Rundschau-Volontär Simon Westphal versuchte sich in der Geisterbahn als Erschrecker.

  • Noch bis Sonntag, 3. November, läuft die Deutzer Kirmes am Rheinufer jeweils von 14 bis 22 Uhr.
  • Rundschau-Volontär Simon Westphal hat den Selbsttest gemacht und sich einen Tag als Erschrecker versucht.
  • Ob er damit Erfolg hatte und welche Personen am kritischsten waren.

Köln – Ein Mal an diesem Nachmittag verbreite ich echte Furcht. Ein kleines Mädchen, vielleicht zehn Jahre alt, weicht in ihrem Sitz zurück, als ich ihr mit erhobenem Schwert ganz nah komme. Kurze Zeit tut sie mir Leid, doch das Gefühl verschwindet schnell. Es muss so sein. Sie muss Angst haben vor mir. Denn dafür bin ich da. Ich bin der Schrecken in Person, der größte Albtraum auf der Deutzer Kirmes. Dort schlüpfe ich in der Geisterbahn in die Rolle des Erschreckers.

„Daemonium“ heißt die Attraktion auf der Deutzer Kirmes – die größte mobile Geisterbahn der Welt. 36 Meter breit, 23 Meter hoch und 16 Meter tief. Mit 15 Spezialfahrzeugen, einem riesigen Wohnwagen und einem Personalwagen tourt die Geisterbahn von Stadt zu Stadt. „Das ist ein Traumberuf“, sagt Inhaber Martin Blume. Er ist Schausteller in der siebten Generation, ist auf der Kirmes aufgewachsen und will dort auch nicht mehr weg. „Ich mache das mit Herz und Seele. Mit dem normalen Leben, immer an einem Ort, würde ich wahrscheinlich gar nicht mehr klarkommen“, erklärt er.

Alles ist erlaubt, aber die Opfer dürfen nicht berührt werden 

Viele Sätze sind nicht notwendig, bevor ich loslegen kann. Ich schlüpfe in die viel zu kleine hellgrüne Hose und streife den weißen, blutbefleckten Kittel über. Mein Kollege führt mich an den Gondeln im Startbereich vorbei über eine Schiene. Es gibt nicht viele Möglichkeiten sich festzuhalten, eine wackelige Angelegenheit. Hinter einem Vorhang geht es unter den Schienen weiter, dann mit einer kleinen Leiter rauf zu meinem Posten. Um mich herum Plastikplanen und ein paar leblose Geisterbahn-Figuren.

Die Deutzer Kirmes

Noch bis Sonntag, 3. November, läuft die Deutzer Kirmes am Rheinufer jeweils von 14 bis 22 Uhr. Der Veranstalter rechnet in dieser Zeit mit insgesamt etwa 600 000 Besuchern.

Vier Premieren gibt es auf der Kirmes. Zwei sich um die eigene Achse drehende Arme mit zwei Gondeln in 42 Metern Höhe bietet der Propeller „Mach1“. Für die ganze Familie ist der „Beach Jumper“ geeignet. Auch die Schleudermühle „X-Force“ und „Fuzzys Lachsaloon“ auf fünf Etagen ergänzen die Kirmes.

Die rund dreiminütige Fahrt mit „Daemonium“ kostet sechs Euro. Nach der Deutzer Kirmes geht es für Betreiber Martin Blume nach London in das Hyde Park Winter Wonderland.

Die Einweisung beschränkt sich auf drei Worte. „Nur bis hier“, sagt der Mitarbeiter und zieht mit seiner Hand eine Linie. Alles ist erlaubt – nur berühren darf ich meine Opfer nicht. Ich ziehe meine Maske auf und positioniere mich neben meinem Erschrecker-Partner mit rotem Mantel, Skelett-Maske, schwarzem Zylinder und – na klar – Motorsäge. Tipps kann er mir nicht geben, er spricht nicht meine Sprache. Neben lokalen Aushilfen beschäftigt Blume auch Polen und Rumänen. Ich schwinge kurz mein Schwert, er mit seiner Waffe – die Aufteilung unseres Bereichs ist geklärt.

Endlich kann ich mein Repertoire auspacken

Natürlich habe ich mir vorab ein paar gruselige Bewegungen vor dem Spiegel antrainiert, nun ist die Zeit gekommen, mein Repertoire auszupacken. Mein erster Versuch: Beide Hände in die Luft und furchterregend hin und her schwenken. Zwei weibliche Teenager schockt das nicht mal ansatzweise, sie lachen und winken mir freundlich zu.

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Als die nächsten Besucher um die Ecke fahren, bleibe ich lange ruhig stehen. Als dann zwei junge Frauen an mir vorbeifahren, erhebe ich ruckartig mein Schwert und spüre, wie mir ein Schrei entweicht. Ich bin angekommen in meiner Rolle. „Ein guter Erschrecker zeichnet sich durch Fingerspitzengefühl aus“, erklärt mir Martin Blume später.

Kritischste Gäste sind zwischen zwölf und 16 Jahre alt

Die kritischsten Gäste seien die Zwölf- bis 16-Jährigen. „Die wollen richtig erschreckt werden“, meint Blume. Richtig gruselig wird es meist aber erst, wenn es draußen dunkel wird und weniger Kinder auf der Kirmes sind. „Dann erhöhen wir noch mal den Schreckfaktor, da springen Darsteller auch mal auf die Gondel auf.“

Mittlerweile juckt es unter der Perücke, das Gesicht ist von der eng anliegenden Maske klitschnass. Bestimmt bin ich nicht der Erste, der die heute anhatte, denke ich mir. Und auch wenn ich immer wieder Erfolg beim Erschrecken habe, sinkt die Motivation. Ich merke, dass der Grat zwischen Albtraum und Lachnummer ein schmaler ist. Und wenn ein Erschrecker in der Geisterbahn keine Furcht mehr verbreitet, dann ist es Zeit zu gehen.

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