Elektrisch Schritt gehaltenBagagenwagenfahrer auf Kölner Rosenmontagszug

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Bagagenfahrer

Vor dem Start plaudert Toni Santini mit Sandra Klubschewsky von den Blomekörfge. 

  • Normalerweise ist Toni Santini (61) Lackierer bei den Ford-Werken.
  • An Rosenmontag fährt er jedoch den Bagagewagen Blomekörfge.
  • Wir haben den Kölner beim diesjährigen Zoch begleitet.

Köln – Sieben Kilometer Strecke, fast vier Stunden. Anfahren, Bremsen, Anfahren, Bremsen. Vor ihm der Wagen der Treuen Husaren, hinter ihm die Gruppe der KKG Blomekörfge von 1867. An normalen Montagen ist Toni Santini (61) Lackierer bei den Ford-Werken. Aber am Rosenmontag ist er mittendrin im Zoch – als Fahrer im Bagagewagen der Blomekörfge.

Sein Ford Transit ist voll beladen mit Strüßjer-, Schokolade- und Waffelnachschub. Seit 51 Jahren lebt Toni Santini in Köln. „Ich habe noch nie einen Rosenmontag verpasst“, sagt er. Seit 20 Jahren stellt Ford die Fahrer der Bagagewagen im Kölner Rosenmontagszug (siehe Kasten) und genauso lange fährt Toni Santini schon mit.

Waffeln und Strüßjer haben kaum Gewicht Als sich um 10 Uhr der Zug an der Severinstorburg in Bewegung setzt, ist bei den Blomekörfge als 19. Gruppe noch alles ruhig. Toni Santini stellt das Radio an, die Klimaanlage pustet die beschlagenen Scheiben frei, Dietmar Teuber (76) und Sandra Klubschewsky (43) von den Blomekörfge schauen vorbei. „Es ist schon schöner, wenn die Sonne scheint“, meint Sandra Klubschewsky. „Aber wir haben alles dabei.“ Man kennt sich gut: Dietmar Teuber und Toni Santini waren früher Kollegen bei Ford.

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Der Transit hat erst 89,8 Kilometer auf dem Tacho, er ist einer von 25 neuen Plug-in-Hybriden, die die Strecke elektrisch zurücklegen sollen. Die Batterie soll 50 Kilometer halten, der Tank ist halb voll. Die übrigen 30 Ford-Bagagewagen fahren mit Hybrid-Antrieb zumindest mit elektrischer Unterstützung. Eine Tonne Zuladung ist erlaubt. Die Zeit der schweren Kamelle ist sowieso vorbei, Waffeln und Strüßjer haben viel Volumen, aber wenig Gewicht.

Um 11.35 Uhr fährt Toni Santini um den Chlodwigplatz und durch die Severinstorburg. 8 Grad Celsius, Regen. Die Bürgersteige rechts und links sind voll: große und kleine Jecken, kostümiert, wetterfest, fröhlich. Keine Absperrung, höchste Konzentration beim Fahrer. „Hier stehen mehr Leute als sonst“, stellt Toni Santini fest. Sie weichen vor den Wagen zurück, aber immer wieder rennt jemand vor ihm über die Straße oder bückt sich nach Kamelle.

Toni Santini hat auch die Rückspiegel im Blick – der Abstand zur Gruppe sollte nicht zu groß werden. Ihm bleibt trotzdem noch Gelegenheit zurückzulächeln und zu grüßen: „Das ist Straßenkarneval“, schwärmt Toni Santini und muss schon wieder bremsen, weil der Zug stockt. Die zulässige Höchstgeschwindigkeit beim Rosenmontagszug liegt offiziell bei sechs km/h.

Bagagewagen

1951 begann die Geschichte von Ford im Rosenmontagszug. Damals wurden erstmals 30 Bagagewagen eingesetzt. Es handelte sich um Ford Taunus Kastenwagen.

Ab 1954 war der damals hochmoderne Eilfrachter Ford FK1000 dabei.

1966 etablierte sich schließlich der Ford Transit mit den jeweils neusten Modellen im Rosenmontagszug. Zeitweise bekamen die Fahrzeuge noch eigene hohe Aufbauten und Blumendeko. Das ist vorbei, mittlerweile tragen die Transits statt der Bretter ihr eigenes Karnevalslogo an der Seite.

Fast 3000 Ford-Bagagewagen sind in den vergangenen  Jahrzehnten über die Strecke gerollt. (kl)

Seit 2.45 Uhr ist Toni Santini auf den Beinen, vom Stadion aus ist er per Shuttlebus zum Maarweg gekommen, hat den beladenen Wagen abgeholt und ist im Tross zum festgelegten Aufstellort gefahren: Um 7.30 Uhr hat er den Transit an der Bonner Str. 35 abgestellt. Feiert er selbst noch? Am Abend, nach dem Rosenmontagszug? „Vielleicht. Irgendwann merkt man die Müdigkeit.“

Schneller Reifenwechsel mitten im Zoch Auch für Wolfgang Mattler (70) beginnt der Tag mitten in der Nacht, sogar um kurz nach 2 Uhr. Der Ford-Rentner ist ebenfalls seit 20 Jahren dabei, hat mit dafür gesorgt, dass Ford-Fahrer in den Ford-Fahrzeugen sitzen: Vor zwei Jahrzehnten stand er an der Strecke, erinnert sich Wolfgang Mattler. Die Kupplungen der Autos begannen zu stinken, „weil die Fahrer nicht richtig fahren konnten“. Dieses Mal sitzt er nicht selbst hinterm Steuer, sondern ist als Beifahrer in einem Bagagewagen ganz vorne dabei. Für ihn ist es das letzte Mal: „Mit 70 Jahren möchte ich ein bisschen kürzer treten.“

Ganz störungsfrei war das Verhältnis zwischen Ford und der Stadt im Vorfeld nicht. Die Bagagewagen wurden in die Diskussion eingebracht, als Oberbürgermeisterin Henriette Reker ankündigte, Dienstwagen mit Wasserstoff-Antrieb und Plug-in-Hybide testen zu wollen. Die hatte Ford nicht im Portfolio. „Wir sollten auch keine Bagagewagen mehr für den Karneval liefern. Da kann sich ja Frau Reker selbst vor den Karren spannen lassen“, polterte Ford-Betriebsratschef Martin Hennig. Dazu ist es nicht gekommen.

Die Planungen für diesen Rosenmontagszug laufen schon seit März: „In Köln ist immer Karneval“, meint Udo Liebertz (52). Seit 33 Jahren ist er bei Ford, eigentlich koordiniert er die Service-Fahrzeuge des Unternehmens. Nebenher organisiert er mit anderen Kollegen die Karnevalsflotte. Dazu gehören nicht nur die Bagagewagen im Rosenmontagszug, sondern auch die Autos fürs Dreigestirn. Da kann es schon mal passieren, dass am Wochenende das Telefon klingelt – so wie im vorletzten Jahr, als plötzlich der Reparatur-Service gebraucht wurde.

Auf dem Weg von Termin zu Termin war direkt vor dem Gürzenich der Bauer der Jungfrau reingefahren. Die Dreigestirns-Karossen werden nicht von Ford-Mitarbeitern gesteuert. „Es gab nur ein paar Beulen, die hatten wir schnell gerichtet“, erzählt Udo Liebertz. Auch im Rosenmontagszug musste eines der drei Reparaturteams, die an der Strecke stationiert sind, schon anrücken – zu Fuß, mit Reserverad und Wagenheber in der Hand. Der Zug kam wegen der Reifenpanne jedenfalls nicht ins Stocken: „Das ging schnell wie in der Formel 1“, erinnert sich Wolfgang Mattler.

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Selbst wenn es anstrengend ist, wenn der Tag früh beginnt, wenn keine Pausen eingeplant werden können – von 70 Fahrern melden sich mehr als 50 sofort wieder für das nächste Jahr. Auch Toni Santini war immer einer von ihnen. Am späten Nachmittag stellt er seinen Bagagewagen ab. Das Festkomitee organisiert eine Grundreinigung. Danach kommen die Transits zu Ford zurück, verkauft werden sie dann als Gebrauchtwagen.  

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