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Elterninitiative „Die Abgelehnten“ in Köln„Die Unsicherheit in Familien ist groß“

Lesezeit 4 Minuten
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Olaf Wittrock (45) 

  • Mit dem Familienvater und Journalisten Olaf Wittrock (45) spricht Martina Windrath über Probleme rund um Schul-Anmeldungen und Platznöte.

Köln – Sie haben im Frühjahr die Initiative „Die Abgelehnten“ gegründet, nachdem das Anmeldeverfahren für Gymnasien plötzlich von der Stadt geändert wurde. Die Proteste waren groß. Auch Ihr Sohn erhielt nicht den Platz an der Wunschschule, er musste in der Verlosung sein Glück versuchen. Über ein neues Verfahren ist noch nicht entschieden. Wie ist die Stimmung unter Eltern?

Nahezu täglich kommen Anfragen von Eltern rein, die sich auf unserer Homepage für den Newsletter anmelden. Der Informationsbedarf ist riesig, die Unsicherheit, auch die Unwissenheit in vielen Familien groß. Gerade laufen ja die Vorstellabende an den weiterführenden Schulen. Bei vielen Gymnasien wird es sicher wieder eng und an Gesamtschulen gehen voraussichtlich wieder Hunderte leer aus. Das wird sich leider fürs Schuljahr 2022/23 nicht bedeutend ändern. Wir wollten eine dauerhafte Anlaufstelle schaffen und über Probleme informieren. Jetzt droht wieder die Situation, dass Kinder abgelehnt werden, gelost wird.

Sie saßen mit beim Runden Tisch mit dem Schuldezernenten, wo es um ein neues Anmeldeverfahren für weiterführende Schulen ging. Es ist noch unklar, wie es aussehen wird. Was erhoffen Sie sich?

Lotterie für die Abgelehnten

2021

im Frühjahr änderte die Stadt plötzlich das Anmeldeverfahren für weiterführende Schulen im laufenden Prozess, der Zweitwunsch fiel weg. Rund 400 Erstwünsche für Gymnasien lehnt sie ab (3440 erfüllt). Die Empörung darüber war und ist groß.

Die Betroffenen mussten sich aus einer Liste mit 14 Schulen eine Alternative aussuchen, das Los entschied. Rund 50 Kinder mussten in der „Lotterie“ ein zweites Mal eine Absage hinnehmen und erhielten eine Liste mit sechs Schulen, wo es noch Plätze gab. Ein neues Verfahren ist von der Stadt in Vorbereitung.

Gerade laufen Informationsveranstaltungen für die Eltern und künftigen Fünftklässler an weiterführenden Schulen. Sie können zu folgenden Fristen ihre Kinder anmelden: An Gesamtschulen von 28. Januar bis 4. Februar 2022, ebenso in diesem Zeitraum für die sich 2022/23 neu gründenden Gymnasien Aachener Straße (früheres Unity-Media-Gebäude) und Zusestraße. Die Anmeldefrist für Haupt- und Realschulen sowie Gymnasien läuft anschließend vom 21. Februar bis 4. März 2022. (MW)

www.die-abgelehnten.de

Die Änderung des Verfahrens war auch ein kommunikatives Desaster. Die Stadt hat jetzt begonnen, neue Wege zu gehen, es starten auch zwei neue Gymnasien. Aber das reicht nicht. Das Grundproblem bleibt: Es gibt zu wenige Schulplätze, weil der Schulbau seit Jahren hinterher hinkt. Das ist jetzt kein Wunschkonzert, wir befinden uns weiter im Status der Mangelverwaltung.

Und wenn Sie Wünsche frei hätten?

Ich würde mir vor allem ausreichend Plätze wünschen, an Gymnasien wie Gesamtschulen. Und ich hoffe auf maximale Transparenz, ein faires Verfahren mit einheitlichen Regeln, bei dem alle gleiche Ausgangsbedingungen haben. Dazu gehört auch eine Übersicht über die tatsächlichen Platz-Kapazitäten, und wo die Stadt gedenkt, zusätzliche Plätze zu schaffen, damit alle auch einen Platz bekommen.

Viele Jahre gab es ein moderiertes Verteilverfahren, Stadt und Bezirksregierung setzten sich mit Schulen zusammen, suchten nach Lösungen, wenn es knapp wurde ...

Das war auf jeden Fall besser als eine Lotterie, denn da haben wenigstens Menschen die Verantwortung für diese so wichtige Entscheidung getroffen, nicht die Losfee einer Schule. Es ist einfach nicht richtig, den Schulen den Schwarzen Peter zuzustecken.

Beim Stichwort Losverfahren fällt oft das Argument, dass die Rechtssicherheit gewahrt bleiben müsse...

Rechtssicherheit? Gegen das Verfahren im vergangenen Jahr gab es Widersprüche noch und nöcher. Klagen wurden zwar abgewiesen, aber dabei ist zum Beispiel nochmal klar geworden, dass Mehrfachanmeldungen legal sind. Manche wussten das, andere nicht. Gerecht ist das nicht.

Bei Mehrfachanmeldungen wird es kompliziert. Die Schulen müssten bei Überbuchungen Listen bereinigen, sobald jemand einen Platz woanders angenommen hat ...

Ich sehe noch nicht, wie das funktionieren soll. Köln braucht ein praktikables Verfahren. Vielleicht muss die Stadt in dieser Notlage aber auch verbindliche Schuleinzugsbereiche einrichten. Dann wäre die Kunst, diese Bezirke so zuzuschneiden, dass die Plätze dort auch für alle künftigen Fünftklässler reichen. Kreative Lösungen auf der Grundlage der Gesetze sind gefragt. Wie wäre es zum Beispiel mit einer Platz-Tauschbörse unter Eltern? Das alte Verfahren mit der Zweitwunsch-Angabe wird es jedenfalls nicht mehr geben, denn man muss deutlich kommunizieren, dass Anmeldungen an beliebig vielen Schulen möglich sind. Das wissen aber viele Eltern nicht, die bald wieder den Anmeldebogen erhalten. Und das ist ungerecht: Die einen bewerben sich an mehreren Schulen, erhöhen die Chance auf Zusagen. Die anderen gehen leer aus und müssen in die nächste Losrunde. Da hab ich wieder dieses Murmeltiergefühl.

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