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Ende der ZettelwirtschaftMichael Vogel entwickelt ein selbstlernendes Programm

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Kosten, Steuern, Bankverbindungen: Das Programm XPact erkennt die Angaben und sortiert sie.

Kosten, Steuern, Bankverbindungen: Das Programm XPact erkennt die Angaben und sortiert sie.

Köln – Rechnungen, Bahntickets, Taxiquittungen. Einige Belege sind schief eingescannt, alle sind in einem einzigen PDF-Dokument aneinandergereiht. „So kommt das in der Buchhaltung oder beim Steuerberater an“, weiß Michael Vogel, Geschäftsführer von Evy Solutions. Oft müssen alle Daten wieder einzeln aufgeschlüsselt und von Hand in verschiedene Verarbeitungssysteme eingetragen werden. Das dauert.

„Und es gibt viele Fehlerquellen“, erklärt Michael Vogel. Das Computerprogramm Xpact, das er und sein Geschäftspartner Arian Storch entwickelt haben, schafft die Erfassung mit ein paar Mausklicks. Und es soll selbst lernen, dabei besser und sicherer zu werden. Xpact erledigt die Dokumentenanalyse mit Künstlicher Intelligenz (KI).

Programm formatiert Dokumente in Sekunden in Einzeldokumente

Michael Vogel (50) lädt ein mehrseitiges PDF hoch – voll mit Quittungen, Belegen, Zetteln. In Sekunden werden diese zu Einzeldokumenten umformatiert. „Das erscheint ganz banal, ist es aber nicht“, sagt Michael Vogel. Das Programm muss schließlich merken, nach wie vielen Seiten eine Rechnung zu Ende ist. Nächster Mausklick: Jetzt listet das Programm die Details aus den Einzeldokumenten auf. Absender, Kosten, Mehrwertsteuer, Bankverbindung, Adresse, Schlagwörter, Rechnungsnummer – alles sortiert. Xpact gibt selbst an, mit welcher Wahrscheinlichkeit es die Daten richtig erkannt hat.

Am Anfang braucht das Programm einen „Lehrer“, aber mit jeder Korrektur lernt es dazu. Wie geht das? „Wir haben uns gefragt, wie ein Mensch ein Dokument lesen würde – genauso macht die Maschine das auch“, sagt Michael Vogel. Das Programm überfliegt alles, filtert Wörter heraus und erfasst Text und Zahlen, um Zusammenhänge zu finden.

Ist die Zeit der Buchhalter damit vorbei? „Wir nehmen keine Arbeit weg, wir füllen Lücken“, ist Michael Vogel überzeugt. Vielen Betrieben fehle das Personal, um alle Datensätze zum Beispiel in eine Excel-Tabelle eingeben zu können. „Die Software kann dagegen rund um die Uhr durcharbeiten.“

Acht Leute kümmern sich um alles

Evy Solutions wurde vor eineinhalb Jahren gegründet, es ist ein kleines Unternehmen: Acht Leute kümmern sich um alles, vom Programmieren bis zum Marketing. Aktuell sucht Michael Vogel neue Mitarbeiter: Programmierer, Software-Architekten, Marketing-Spezialisten in Köln oder in seinem zweiten Büro in München. Eigentlich war Xpact gar nicht geplant. Evy Solutions hatte eine App entwickelt, mit der Dokumente übers Smartphone verwaltet werden können. „Aber dann haben immer mehr Kunden einzelne Module aus der App nachgefragt“, sagt Michael Vogel. Also wurde Xpact weiterentwickelt, für papierloses Arbeiten mit einem selbstlernenden Programm.

Die Vergangenheit findet sich auch noch in den Büroräumen am Wallrafplatz. Auf der Fensterbank stehen ledergebundene Wälzer aus den Anfängen des letzten Jahrhunderts, darunter drei Bände über die „Handelsgesetze des Erdballs“. Ein Geschenk aus der Zeit, als Michael Vogel noch Fondsmanager war. Seine Wünsche für die Zukunft? „Eine Vereinfachung des datenschutzrechtlichen Systems. Und mehr qualifizierte Mitarbeiter.“

www.evy-solutions.de

Markt für Künstliche Intelligenz in Europa

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Milliarden Euro werden nach Ansicht des Branchenverbands Bitcom im Jahr 2022 mit Künstlicher Intelligenz in Europa umgesetzt. 2017 lag das Marktvolumen bei zwei Milliarden Euro, teilt der Digitalverband mit. Er bezieht sich dabei auf eine Studie des European Information Technology Observatory (EITO). Vor allem die Umsätze mit Software (plus 45 Prozent jährlich) und Dienstleistungen (plus 47 Prozent jährlich) ziehen demnach deutlich an: „Es gibt inzwischen ein breites Angebot an marktfähigen Lösungen, die Künstliche Intelligenz nutzen“, erklärt Bitkom-Hauptgeschäftsführer Dr. Bernhard Rohleder. Dazu gehören etwa Anwendungen, die für Sprach- oder Bilderkennung genutzt werden können, oder Programme zur Kundenberatung.

Das produzierende Gewerbe investiert dem EITO-Bericht zufolge am stärksten in KI. Auf Platz zwei liegt die Finanzbranche, gefolgt vom Handel. Bis zum Jahr 2022 werden die größten Ausgabensteigerungen für das Gesundheitswesen sowie den Handel vorhergesagt. (kl)

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