Familien in Bewegung bringenModellprojekt für übergewichtige Kinder in Köln startet

Lesezeit 3 Minuten
Symbolbild

Symbolbild

Köln – „Ich sehe eine deutliche Zunahme sowohl der Anzahl der Kinder mit Übergewicht als auch extremer Fälle“, sagt Dr. Miriam Jackels. Die Leiterin der Adipositas-Ambulanz an der Kinderklinik der Uniklinik bekommt die Spuren der Pandemie täglich zu sehen. Bei vielen Kindern haben die Lockdowns und Kontaktbeschränkungen Spuren hinterlassen. Die Größenordnung ist zwar noch unklar, sicher ist aber, dass sich das Gewichtsproblem durch die Pandemie verschärft hat. Deshalb haben Sportjugend und der Verein Reha-Kids-Köln ein Modellprojekt gestartet.

Vier Sportvereine bieten Familienprogramm an

Ab sofort bieten vier Kölner Sportvereine ein spezielles Sportprogramm für übergewichtige Kinder und ihre Familien an. Der Name: „Starke Familie in Bewegung“. Jeweils samstags können Kinder zwischen drei und acht Jahren zusammen mit Eltern und Geschwistern Sportangebote ausprobieren. „Gut bei dem Angebot ist, dass es sich an die ganze Familie richtet“, findet Professor Eckard Schönau, Ärztlicher Leiter von UniReha. Die Fachleute im Zentrum für Prävention und Rehabilitation der Uniklinik haben am Programm mitgewirkt.

Weitere Infos

Informationen zu den Bewegungsangeboten in den verschiedenen Stadtteilen gibt es online unter www.sportjugend-koeln.de

„Viele Familien finden schwer Zugang zu Bewegungsangeboten“, weiß Schönau. Mit den konkreten Angeboten, die in den Sportvereinen in Rondorf, Weiden, Mülheim und Dellbrück ausprobiert werden können, soll die Bewegungsfreude angekurbelt werden. Ein Vorteil: In den Gruppen sind mehrere Menschen mit Übergewicht.

Ausgrenzung, die dicke Kinder sonst oft beim Sport erleben, findet nicht statt. „Die Familien sollen sich kennenlernen. Wir bieten ein buntes Karussell von Sportarten, so dass jeder etwas finden kann“, sagt Susanne Büch vom TuS Rondorf. Ziel ist es, dass die Familien Spaß an Bewegung finden und sie in ihren Alltag einbauen. Die Teilnahme am Programm „Starke Familie in Bewegung“ ist kostenfrei. Viele Kinder mit Übergewicht haben schlechte Erfahrungen mit Sport gemacht. „Viele haben oft eine Sportart angefangen und dann wieder aufgegeben“, weiß Verena Hammes, Sportwissenschaftlerin bei Unireha. Mit jedem Scheitern in einer Sportart werden Kinder mehr in einer Negativspirale gefangen. Statt sich Spott und Ablehnung auszusetzen, ziehen sie sich lieber zurück. Vor der Konsole, dem Fernseher oder dem Smartphone fühlen sie sich sicher. Sind sie traurig, tröstet Essen.

Das könnte Sie auch interessieren:

„Es ist wichtig, dass die Familien die Kinder bei dem Projekt stützen, deshalb wenden wir uns an die gesamte Familie“, sagt Susanne Büch. Ein weiterer Grund ist, dass Übergewicht häufig ein Phänomen ist, von dem die ganze Familie betroffen ist. „Übergewichtige Eltern haben oft übergewichtige Kinder“, sagt Büch.

Hinzu kommt, dass Kinder aus sozial schwachen oder bildungsfernen Familien ein höheres Risiko haben, dick zu werden. Das bestätigt der Bericht zur Kinder- und Jugendgesundheit. Bei den Schuleingangsuntersuchungen 2017 hatte rund jedes zehnte Kind in Köln Übergewicht oder erhebliches Übergewicht. Während der Pandemie fanden die Untersuchungen nicht im gewohnten Umfang statt. Die Zahlen aus dem Jahr 2020 belegen jedoch einen deutlichen Anstieg von Übergewicht bei den untersuchten Kindern. Fast 13 Prozent von ihnen waren zu schwer.

Angelegt ist das Modellprojekt „Starke Familie in Bewegung“ zunächst für die Dauer von einem Jahr. Aber Professor Schönau von UniReha würde es gerne auf festere Füße stellen. Beispielsweise mit den Mitteln, die die Bundesregierung für die Kompensation von Pandemie-Folgen bei Kindern in Aussicht gestellt hat.

Rundschau abonnieren