Firma SollwerckKölner Automaten eroberten die Welt

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Ein Automat der ersten Stunde : Zehn Pfennig kosteten 25 Gramm Schokolade den Stundenlohn einer Arbeiterin.

Ein Automat der ersten Stunde : Zehn Pfennig kosteten 25 Gramm Schokolade den Stundenlohn einer Arbeiterin.

Köln – Eine Welt ohne Automaten. Für moderne Konsumenten klingt das fast unvorstellbar – gerade, wenn es um Süßigkeiten geht. Ob am Flughafen, Bahnhof oder Rastplatz, die Maschinen haben längst einen Stammplatz im Alltagsbild. Ende des 19. Jahrhunderts war das anders. In Deutschland genau bis zum 29. April 1888. Da nämlich ließ die Kölner Firma Stollwerck ihre Erfindung, den ersten „selbstthätigen Verkaufsautomaten“, vom Kaiserlichen Patentamt in Berlin rechtlich schützen. Tatsächlich der erste Verkaufsautomat im deutschen Reich überhaupt.

Schon wenig später wird der erste mannshohe Apparat „zum Verkauf beliebiger Gegenstände“ in einem Kölner Geschäft aufgestellt. Ein schnörkelreicher, schwerer Gusseisenschrank mit Innenspiegel, damit sich die Kundschaft beim neuen Kauferlebnis selbst betrachten kann. Innen sorgt eine fächerunterteilte Trommel für die Portionierung. Zehn Pfennig kostet das 25-Gramm-Täfelchen Schokolade. Den Stundenlohn einer Stollwerck-Arbeiterin.

„Ursprünglich sollte das Gerät als reiner Werbeautomat für Schokoladenproben eingesetzt werden “, erklärt Thomas Schiffer (40), Museumspädagoge im Schokoladenmuseum am Rheinauhafen. Schnell aber übersteigt die Nachfrage alle Erwartungen. Das Management denkt jetzt größer: 1893 hat Stollwerck bereits 15 000 Süßwarenautomaten im Deutschen Reich verteilt. 1894 wird in Köln die „Deutsche Automatengesellschaft Stollwerck & Co.“ gegründet. Mehrere Vertriebs- und Produktionsgesellschaften sind beteiligt und lassen Automaten in Gaggenau (Theodor Bergmann) und Berlin (Max Sielaff) bauen. Beide Unternehmen beschäftigten jeweils mehr als 100 Mitarbeiter.

Der Süßwarenautomat entwickelt sich schnell zum Verkaufsschlager. „Am Firmenstammsitz im Severinsviertel arbeiteten um die Jahrhundertwende rund 6000 Menschen für die Stollwerck-Fabrik“ erklärt Thomas Schiffer, „damals etwa jeder Vierte Einwohner des Viertels.“

Wien, London oder New York. Die Automaten der international tätigen Schokoladenfabrikanten aus Köln stehen auf Marktplätzen, Dampfschiffen oder in den Häfen und werden längst auch mit anderen Produkten kombiniert. 16 verschiedene Typen von Verkaufsautomaten hat die Firma ab 1895 im Portfolio.

Stollwerck schließt Exklusiv-Verträge mit der Reichsbahn: Für jeden Schokoverkaufsautomaten baut die Firma auch einen für Fahrscheine. Vor Postämtern gibt es bald rund um die Uhr neben Schokolade auch Briefmarken zu kaufen. Um 1900 wird das Portfolio um Zigaretten, Streichhölzer und Bonbons erweitert.

In den USA gründet Stollwerck 1894 mit dem deutschen Kaufmann John Volkmann die Firma Volkmann, Stollwerck & Co., die in New York eine Automaten-Fabrikation errichtet. Allein auf New Yorker Bahnhöfen stehen Anfang der 1890er Jahre über 4000 Geräte. Im In- und Ausland entstehen zahlreiche Filialen – etwa in Berlin, Breslau, Frankfurt, München, Amsterdam, London, Brüssel oder Budapest.

Immer bunter werden die Automaten. Gegen Münzeinwurf legen mannshohe Störche und Hühner Schokoladeneier für die Kundschaft. Stollwerck professionalisiert auch das Marketing: „Um 1899 verkauft die Firma pro Jahr etwa 100 000 Alben und 50 Millionen Sammelbilder“, erklärt Schiffer. „Als Beilage der Automatenschokolade und lange vor Panini & Co.“

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