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Frech und elegantKäthe Kollwitz Museum zeigt „Art Déco – Grafikdesign aus Paris“

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Paul Colin, Das Jazzorchester der Josephine Baker, Tafel aus Le Tumulte noir, 1927, Pochoir und Lithografie

  • Von der Schönheit, Farbenpracht und exquisiten Machart dieser Bögen und der von rund 120 weiteren Exponaten kann man sich in der Sonderschau „Art Déco – Grafikdesign aus Paris“ überzeugen.
  • Das Käthe Kollwitz Museum Köln zeigt die Highlights aus der Sammlung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe bis Anfang des nächsten Jahres.
  • Man hat also genügend Zeit, sich voller Genuss in die „Goldenen 1920er Jahre“ hineinzustürzen.

Köln – Im Oktober 1908 bringt der Pariser Couturier Paul Poiret einen Katalog mit seiner Winterkollektion heraus. Ohne Text, mit nur zehn Illustrationen und zum skandalösen Preis von 40 Francs pro Stück. Doch das dünne Buch, das in einer limitierten Auflage von 250 Exemplaren erscheint, hat es in sich.

Nicht nur die darin gezeigte Mode – Kleider in satten Farben mit einer hohen Taille, die eine schmale Silhouette formt und das ungeliebte Korsett überflüssig macht – ist spektakulär. Sondern auch die Gestaltung: Der Künstler Paul Iribe (1883-1935) arbeitet mit der ungemein aufwändigen Pochoir-Drucktechnik, bei der bis zu 22 Schablonen übereinandergelegt werden. Diese Methode und die überschlanken Damen in den schwingenden Roben mit den griechisch anmutenden Frisuren machen Iribe zu einem Wegbereiter – und Poirets Katalog zu einem Pilotprojekt des Art Déco.

Highlights aus der Sammlung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe

Von der Schönheit, Farbenpracht und exquisiten Machart dieser Bögen und der von rund 120 weiteren Exponaten kann man sich ab heute in der Sonderschau „Art Déco – Grafikdesign aus Paris“ überzeugen. Das Käthe Kollwitz Museum Köln zeigt die Highlights aus der Sammlung des Hamburger Museums für Kunst und Gewerbe bis Anfang des nächsten Jahres – man hat also genügend Zeit, sich voller Genuss in die „Goldenen 1920er Jahre“ hineinzustürzen.

Die Zeugnisse dieser Ära – in Form von Plakaten, Illustrationen und Anzeigen, Journalen, Umschlägen für Notenhefte oder Karikaturen – sind frech und frivol, extravagant und exaltiert, kühn und, wie man heute sagen würde, absolut cool. Nur eines sind sie nicht: sozialkritisch. „Art Déco ist eine extreme Gegenposition zu Käthe Kollwitz – Kunst für die Elite“, sagt der Kurator Dr. Jürgen Döring, bis vor kurzem Leiter der Sammlung Grafik und Plakat des Hamburger Leihgebers. Das, was beide Positionen dennoch eint, ist die hohe grafische Qualität.

Paul Colin porträtierte 1927 „Josephine Baker im Bananenkostüm“

Mal mit rankenden, floralen Formen, mal mit strengen, grafischen Elementen, futuristisch, avantgardistisch oder verspielt werben Art-Déco-Schätze für Automobile, die Stadt Monte Carlo oder ein tailliertes Kostüm von Redfern.

In Varietés, in Tanzsälen und Theatern, auf Litfaßsäulen, in Journalen, Mode- und Lifestyle-Magazinen begegnet man der Mistinguett, einer jungen Schönen unterm Sonnenhut oder einer verzückten Kundin, just im Kaufhaus Lafayette eine Staatsanleihe zeichnend. Paul Colin porträtierte 1927 „Josephine Baker im Bananenkostüm“ und mit Federkappe auf der Bühne – losgelassen tanzend inmitten des „Tumulte Noir“, des schwarzen Tumults, den die neue Göttin aus den USA und ihr Jazzorchester in Paris entfachten.

Dass Colin auch anderen Stars der Pariser Bühnen eine schwarze Hautfarbe verlieh, würde man heute als rassistisch werten. Für den Künstler damals war es bloß Begeisterung.

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Als Poiret 1908 seinen Katalog bewarb, schickte er ihn auch an prominente potenzielle Kundinnen. Eine davon: die Queen. Sie sandte ihn zurück mit der Bemerkung: „Wir nehmen keine Versandhauskataloge.“ Das Hochklassige dieses Produkts war der britischen Regentin ganz offensichtlich entgangen.

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