Gewalt gegen Kölner Polizisten„Plötzlich zog der Mann eine rostige Klinge“

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Polizeiwesten

Symbolbild

Köln – Köln Wenn Martin Lotz morgens ins Kölner Polizeipräsidium (PP) kommt, schaut er sich als erstes das Lagebild an, in dem die jüngsten Gewalttätigkeiten gegen seine Kollegen aufgelistet sind. „Jeden Tag gibt es fünf bis sechs solcher Fälle“, sagt der Leiter der Gefahrenabwehr des PP Köln.

Allein am vergangenen Wochenende hat es in Köln 17 Fälle von Gewalt und massivsten Beleidigungen gegen Polizeivollzugsbeamte gegeben. „Scheiß Bulle, Fuck the Police, dreckige Hunde in Uniform – das müssen wir uns tagtäglich anhören“, sagt Lotz. Betroffen seien häufig Polizisten, die Anfang 20 seien – gerade erst im Dienst, mit wenig Berufserfahrung.

„Und dann kommt die Situation, in der sie angegangen werden“, sagt Lotz. „Und dabei sollen sie möglichst immer ruhig, besonnen und cool bleiben.“ Die exklusive Umfrage unse rer Redaktion in allen Kreispolizeibehörden des Landes zum ungeschönten Polizeialltag hat für Diskussionsstoff gesorgt. Nun sprechen drei weitere Polizisten über ihre Gewalterfahrung.

Eigene Abteilung für Straftaten gegen Beamte

Die drei arbeiten in Köln, der Großstadt mit den wohl meisten Anfeindungen und Übergriffen auf Polizisten in NRW. Die Angriffe kommen in Köln so häufig vor, dass es eine eigene Abteilung mit fünf Mitarbeitern in der Behörde gibt, die nur diese Straftaten behandeln. Denn seit Jahren nehmen die Fälle besonders in Köln zu.

Von 2012 bis heute haben sie sich pro Jahr auf rund 2000 verdoppelt. Einer, der täglich damit konfrontiert wird, ist Polizist Sebastian Hermes. Erst vor wenigen Tagen ist er von einem Drogenabhängigen in die Hand gebissen und leicht verletzt worden – und das ebenfalls bei einer Routinekontrolle. „Es gibt kaum einen Tag, an dem wir bei Personenkontrollen kein Messer sicherstellen“, sagt er. Bei jedem Einsatz müsse man mittlerweile mit Gegenwehr rechnen.

Schock direkt nach der Ausbildung

Mario Rehbach war gerade erst zwei Wochen mit seiner Ausbildung fertig, als er mit einem Messer beinahe schwer verletzt worden wäre. „Es war eine Routinekontrolle, und plötzlich zog der Mann eine rostige Klinge aus der Hose und wollte mir damit in den Bauch stechen“, sagt Rehbach.

Geistesgegenwärtig gelang es ihm, der Attacke auszuweichen. „Ich habe Wochen gebraucht, um das zu verarbeiten. Anfangs bin ich zitternd zum Dienst erschienen“, sagt er. Wenige Jahre später wurde er bei einer Kontrolle von Wildpinklern so schwer verletzt, dass er sich bis heute körperlich nicht mehr davon erholt hat.

Gespräche mit Kollegen haben geholfen

In beiden Fällen sind es Gespräche mit seinen Kollegen, die ihn zumindest mental wieder aufgebaut haben. Seine Kollegin Carina König ist sogar innerhalb des Dienstgebäudes in der Personenaufnahme zweimal brutal attackiert und schwer verletzt worden.

Für den Leiter der Kölner Kriminalpolizei, Kl aus-Stephan Becker, ist das eine besorgniserregende Entwicklung, die etwas mit mangelnder Erziehung und Wertevermittlung zu tun habe. „Diese Tathandlungen gehen von allen Bevölkerungs- und Altersgruppen aus. Das ist ein universelles Problem“, sagt Becker.

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Von Gewalt betroffene Polizisten können sich im Kölner Polizeipräsidium vertrauensvoll an Andrea Müller und ihr Team wenden und therapeutische Hilfe in Anspruch nehmen. Als eine von ganz wenigen Polizeibehörden verfügt das PP Köln über eine solche Anlaufstelle.

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