Gutachten eindeutigBei Ausbau der A4 muss Rodenkirchener Brücke abgerissen werden

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Die sechs Spuren der Rodenkirchener Brücke reichen nicht mehr, um den Verkehr aufzunehmen.

Die sechs Spuren der Rodenkirchener Brücke reichen nicht mehr, um den Verkehr aufzunehmen.

Köln – Das Projekt könnte kaum höher bewertet werden. „Vordringlicher Bedarf“ – unter dieser Kategorie wird der Ausbau der Autobahn 4 auf acht Spuren zwischen dem Autobahnkreuz Köln-Süd und dem Autobahnkreuz Köln-Gremberg im Bundesverkehrswegeplan geführt. „Alternativlos“ sei die Erweiterung, weil die A4 in dem Abschnitt schon bei jetzigem Verkehrsaufkommen einen Engpass darstelle, ist dort zu lesen. Das herausragendste Problem bei dem Projekt: Die Rodenkirchener Brücke. Bis Ende 2020 wollte der Landesbetrieb Straßen.NRW prüfen, ob die Brücke im Bestand acht Spuren aufnehmen kann, oder ob ein Ersatzbauwerk her muss. Wie die Rundschau aus Düsseldorf erfahren hat, liegt das Ergebnis nun im nordrhein-westfälischen Verkehrsministerium auf dem Tisch. Und es ist eindeutig: Soll die A4 acht Spuren bekommen, muss die unter Denkmalschutz stehende Rodenkirchener Brücke abgerissen und neu gebaut werden.

Zu viel Verkehr für historisches Bauwerk

Die letzte Hoffnung für das historische Bauwerk war: Die Fahrbahnen könnten auf die Standstreifen ausgedehnt werden. Vielleicht bedürfte es dann noch einiger Verstärkungen. Aber das markante Bauwerk könnte bestehen bleiben. Doch die Untersuchung der Experten macht einen Strich durch diese Rechnung, denn das gibt die Statik der Anfang der 50er Jahre wiedererbauten und Anfang der 90er Jahre erweiterten Brücke (siehe Kasten) wohl nicht her. Die Lasten der Lkw, die vorrangig über die so gewonnenen äußeren Spuren fahren würden, sind einfach zu groß. Der Verkehrswegeplan prognostiziert für das Jahr 2025 130 000 Kfz innerhalb von 24 Stunden, mit einem Lkw- Anteil von 17 Prozent. Zuviel für die jetzige Rodenkirchener Brücke.

Ein Meisterstück des Brückenbaus

Amerikanische Ingenieure reisten für sie an, um von ihrer Bauweise zu lernen. Die Rodenkirchener Brücke galt von jeher als ein Meisterstück unter den Hängebrücken. Sie war die erste ihrer Art in Deutschland und die größte Europas.

Doch das erste Bauwerk stand ganz im Zeichen des Kriegs. Noch in der ersten Bauphase marschierte die Wehrmacht in Polen ein und zettelte damit den Zweiten Weltkrieg an. Nach einer Bombennacht im Januar 1945 stürzte das Werk der beiden Ingenieure Fritz Leonhardt und Karl Schaechterle sowie des Architekten Paul Bonatz ein.

Der Neubau in den Jahren von 1952 bis 1954 stützte sich noch auf die alten Pylone. Die Bauzeit ist für heutige Verhältnisse unvorstellbar kurz, so wie der Baupreis selbst im Verhältnis unvorstellbar niedrig: 17,2 Millionen Mark.

Zunehmender Verkehr, das ist kein neues Problem für die Rodenkirchener Brücke. Erst zwischen 1990 und 1994 bekam die Nachkriegsbrücke einen „Zwilling“. An der Nordseite wurden nochmals die charakteristischen „Torbögen“ angebaut. Die mittlere Stütze teilen sich die beiden Brückenteile. So entstanden die heutigen sechs Spuren, die nun auch nicht mehr reichen. (ngo)

Was nicht heißt, schon morgen rücken die Bagger an. Die Ausbauplanung befindet sich in Phase1. Über den Jahreswechsel hat die Bundesagentur „Die Autobahn“ das Projekt von Straßen.NRW übernommen. Ende des Monats soll ein „Dialogforum“ dazu tagen. 35 Teilnehmer sind vorgesehen. Rund die Hälfte der Plätze werden von Bürgervereinen eingenommen. Darunter acht unabhängige Bürger, die sich um eine Teilnahme bewerben konnten. In diesem Forum will die Autobahngesellschaft erstmals die Untersuchungsergebnisse zur Rodenkirchener Brücke vorstellen.

Die Kontroverse zum möglichen Abriss ist programmiert. Es hat sich bereits eine Bürgerinitiative zum Erhalt der Rodenkirchener Brücke formiert. Für das historische Bauwerk machte sich vor einem halben Jahr in einem Gespräch mit der Rundschau auch Rasmus Radach stark. Er arbeitet im Amt für Denkmalschutz des Landesverbands Rheinland. Dort prüft er Objekte auf ihren Denkmalwert. „Grundsätzlich muss Ziel sein, die Rodenkirchener Brücke als bedeutendes Geschichtszeugnis in ihrer materiellen Substanz, Konstruktion und ihrem Erscheinungsbild authentisch für zukünftige Generationen zu bewahren“, sagte er. Ein Plädoyer für die Erweiterung im Bestand – die die Statiker jedoch als unmöglich bewerten.

Abriss möglich trotz Denkmalschutz

Kann denn überhaupt eine unter Denkmalschutz stehende Brücke abgerissen werden? Grundsätzlich ja: „Ein Abbruch ist möglich, wenn die Erhaltung des Bauwerks erwiesener Maßen technisch unmöglich ist. Zudem fließen Fragen der wirtschaftlichen Verhältnismäßigkeit in die Abwägung ein“, so Radach.

Erste Stimmen aus der Politik sind nicht grundsätzlich gegen einen Abriss. Oliver Kehrl, Landtagsabgeordneter der Kölner CDU: „Egal, wie das Gutachten ausfällt, wichtig ist, diese Brücke so lange und so funktionsfähig in Betrieb zu halten wie möglich. Diese Brücke ist mit die bedeutendste Herzschlagader des Verkehrs im Mittelrhein.“ Ralph Sterck, Vorsitzender der FDP-Fraktion im Rat: „Wenn es notwendig ist, muss es gemacht werden.“ Die Rheinquerungen seien nun mal Nadelöhre im Verkehrsnetz. „Und der Verkehr nimmt weiter zu.“ Wichtig ist ihm aber, dass auch bei einem Neubau die „Landmarke“ erhalten bleibt. Die neue Brücke sollte sich optisch an der alten orientieren. Die SPD will sich vorerst weder auf Landesebene- noch auf Stadtebene zu dem Projekt äußern. Die Grünen waren für eine Stellungnahme nicht zu erreichen.

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