Haftbefehl gegen jungen Syrer16-Jähriger radikalisierte sich im Internet

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Köln – Er sollte sich von seinen Eltern los sagen, wurde in virtuellen Gebetskreisen von IS-Unterstützern angeworben und prahlte in Flüchtlingsheimen mit der Sympathie für die Terrororganisation. Mit der Festnahme eines 16-jährigen Syrers in Porz ist die Polizei offenbar einem schweren Verbrechen zuvorgekommen. „Wir haben ihn in einer frühen Phase der Radikalisierung gestoppt“, sagte ein mit dem Fall betrauter Ermittler.

Seit Juni 2016 sind die Fahnder des Staatsschutzes dem 16-Jährigen auf der Spur. Kripochef Klaus-Stephan Becker sprach von einer „Turboradikalisierung“ im Internet. Den ersten Hinweis bekam die Polizei am 10. Juni. Die Heimleitung der Unterkunft an der Wichheimer Straße in Holweide, wo er bis zu diesem Datum untergebracht war, teilte mit, dass der 16-Jährige sich „komisch“ verhalte, wie Polizeipräsident Jürgen Mathies sagte. Der Junge habe auffallend häufig gebetet und seine Essgewohnheiten verändert. Auf seinem Handy seien Nachrichten mit dem Bezug zum Islamischen Staat gefunden worden. Diese Nachrichten habe der Verdächtige an Freunde und Familie verschickt. Die Polizei habe ihn einer „Gefährderansprache“ unterzogen.

Mehr Kommunikation

In der Turnhalle des Stadtgymnasiums Porz sind rund 200 Flüchtlinge untergebracht. Träger ist das Rote Kreuz. Insgesamt dienen in Köln 24 Sporthallen als Unterkunft. Nach dem Vorfall in Porz, sagte eine Stadtsprecherin, habe man den Kommunikationsfluss zwischen Trägern und Verwaltung intensiviert und halte allgemein zu großer Aufmerksamkeit beim Umgang mit Flüchtlingen an. Einen Anlass zu Hysterie gebe es aber nicht. (EB)

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Am 2. September gab es einen weiteren Hinweis, dieses Mal aus der Einrichtung in Porz. Ein Sozialarbeiter sagte, dass der 16-Jährige sich zunehmend isoliere. Die Polizei zog auch ein Trauma durch die Grauen des Syrienkriegs in Betracht. „Wir haben der Familie psychologische Hilfe angeboten“, ergänzte Mathies. Am vergangenen Sonntag gab es dann einen Hinweis von Mitarbeitern der Ditib-Moschee in Porz. Es hieß, der Junge halte sich über viele Stunden in den Räumen auf und äußere Sätze mit IS-Hintergrund – wieder wurde das Handy sichergestellt, erneut fanden die Beamten Hinweise auf den IS. Am Dienstag entschlossen sich die Fahnder dann zur Festnahme.

In der Unterkunft in Porz sprach der Teenager in den vergangenen Tagen vor der Festnahme offen über die Terrororganisation, drohte mit einer Bombe und sagte, dass er Menschen, die Alkohol trinken, „weh tun“ werde. Der Chatverlauf mit einem im Nahen Osten lebenden Mann, der IS-Bezüge haben soll, führte dann zu der Festnahme. Wie zu erfahren war, wurde dem 16-Jährigen eine Anleitung für einen Bombenbau zugesandt. Darin war konkret beschrieben, wie viel Schwarzpulver eine Bombe haben muss und wie viel Nägel in den Sprengsatz verbaut werden müssen. Einen konkreten Anschlagsplan habe es noch nicht gegeben, sagte Becker. Aber der Kripochef betonte: „Es gab eine unmissverständliche Bereitschaft, einen Anschlag zu begehen“. So informierte sich der 16-Jährige im Netz darüber, wie der Sprengkörper wirksam gebaut werden kann.

Der Tatverdächtige habe sich zunehmend aus der realen Welt verabschiedet und eine Person im Nahen Osten kennengelernt, die ihm konkrete Tipps für einen Anschlag gegeben haben soll. „Es gilt nun, die Hintermänner in dem Fall zu finden“, betonte Oberstaatsanwalt Ulf Willuhn. Der Leiter der Kölner Staatsanwaltschaft, Jakob Klaas, sprach von der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat. Bei der Festnahme des 16-Jährigen waren drei Mitbewohner verletzt worden, darunter eine schwangere Frau. „Ich bedauere die Verletzungen sehr“, sagte Polizeipräsident Mathies. Der Einsatz werde nachbereitet. „Wir werden nachschauen, wie der Einsatz abgelaufen ist“, so der Behördenleiter. Es sei der Polizei darum gegangen, die Festnahme zügig durchzuführen.

Deshalb sei auch ein Spezialeinsatzkommando eingesetzt worden. Der 16-Jährige kam aus Damaskus nach Deutschland, lebte in einer Unterkunft in Dülmen, ab dem 1. April 2016 in Holweide und ab dem 10. Juni in Porz an der Dorotheenstraße. Mathies sagte, dass der Junge „aus gutem Haus kommt“. Der Vater hatte in Syrien ein Handelsunternehmen, die Mutter ist Journalistin. Unter Tränen sagte die Frau gestern: „Mein kleiner Junge wollte keine Bomben bauen“. Auch der Vater beteuerte die Unschuld seines Sohnes. Kripochef Becker sagte, die Familie habe in den vergangenen Wochen eine Wesensveränderung festgestellt, aber die Vorgänge um ihren Jungen „etwas bagatellisiert“. Grundsätzlich habe die Familie aber von der Radikalisierung gewusst.

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