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Heimweh für immerAuf den Kölner Spuren von Willi Ostermann

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Ein kölsches Original: Willi Ostermann prägte die Stadt mit seinen Liedern, „Heimweh noh Kölle“ schrieb er kurz vor seinem Tod in der Lindenburg (heute Joseph-Stelzmann-Straße).

  • Wo hat Napoleon genächtigt, wie hat Queen Victoria Köln erlebt?
  • In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir Personen und ihre Zeit in Köln vor, Orte, an denen es keine Plakette gibt.
  • Unser Autor Anselm Weyer beleuchtet Willi Ostermanns Weg zu Kölns größter Hymne.

Köln – „Och, wat wor dat fröher schön doch en Colonia“, sang Willi Ostermann 1930. Das gemütliche, noch von der mittelalterlichen Stadtmauer umgebene Köln seiner Kindheit war damals schon verschwunden.

Heute sucht man sowohl das Haus, in dem er geboren wurde, als auch das Haus, in dem er starb, vergeblich. Trotzdem finden sich noch etliche seiner Spuren in der Stadt.

Ostermanns Geburtshaus ist heute eine Feuerwache

Ostermanns Eltern waren Imis: Sein Vater, der Eisenbahner Peter Heinrich Ostermann, kam aus Plettenberg im Sauerland, die Mutter aus dem bergischen Burscheid. Und auch Willi Ostermann war kein gebürtiger Kölner.

Mülheim war noch nicht eingemeindet und hatte nicht einmal eine Brücke, das es mit der linken Rheinseite verband, als er hier am Sonntag, 1. Oktober 1876 zur Welt kam. Heute ist eine Feuerwache, wo einst Ostermanns Geburtshaus stand. Und selbst die ursprüngliche Adresse sucht man vergebens: Den Picolinischen Weg 1 verdrängte die Bergisch Gladbacher Straße 179.

„Dä Fuss“ wurde erst 1888 Kölner

Kölner wurde Willi Ostermann erst am 1. April 1888, als Deutz nach Köln eingemeindet wurde. Hierhin war die Familie Ostermann 1878 gezogen – zunächst in die Kasemattenstraße, später in die Heribertusstraße 10.

Der wegen seiner rotblonden Haare „Dä Fuss“ gerufene Wilhelm besuchte die „Proletarier-Universität für allgemeine Volksbildung“, wie Ostermann die katholische Volksschule in der Siegburger Straße taufte, wo er seinen Mitschülern schon im Alter von 13 Jahren mit einer selbstgebauten Puppenbühne Stücke darbot.

Erst spät betrat der die Bretter, die die Welt bedeuten

Sein Vater erhoffte sich für ihn eine Karriere als möglichst verbeamteter Lokomotivführer. Doch Willi hatte andere Pläne. Weil „das Zeitalter der Elektrizität angebrochen war, wollte ich mich diesem Beruf in die Arme werfen“, erzählt er, „doch war zwischen mir und einem bekannten Meister der Kontakt sehr häufig unterbrochen. Gegensätze berührten sich, es gab Kurzschluss und ich machte kurz Schluss, wurde ausgeschaltet, und die Elektrotechnik wurde um einen Jünger ärmer.“

Nur zwei Wochen dauerte dieses Abenteuer. „Dann wollte ich Künstler werden, das heißt Schwarzkünstler, ein sogenannter Jünger Gutenbergs“, berichtet Ostermann weiter.

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Bei der Rheinischen Papierwaren-Fabrik Max Klestadt, Brüsseler Straße 61, wurde er „Galvanoplastiker und Stereotypeur. Trotzdem ich durch die Tüchtigkeit meines derzeitigen Meisters in diesem Berufe vollendet dastand, war mir dieser Typ auf die Dauer zu stereotyp, ich bekam einen anderen Tipp und tippelte auf die Bretter, die die Welt bedeuten.“

1907 kam der Durchbruch

Seinen ersten Erfolg hatte er hier 1899 mit seinem Lied „Et Düxer Schötzefeß“. Der große Durchbruch aber kam 1907 mit „Dem Schmitz sing Frau es durchgebrannt“. Nun folgte ein Erfolg dem anderen.

Dabei konnte Ostermann nicht einmal Noten lesen. Seine Melodien pfiff er meist in ein Diktaphon und beauftragte dann andere damit, sie aufzuschreiben und zu instrumentieren. Einmischungen verbat er sich. Selbst seinem Schwager, dem Erfolgskomponisten Emil Palm, entgegnete er auf vermeintliche Verbesserungsvorschläge: „Bes Du dä Komponist oder ben ich et?“

Durchhaltelied „Adjüs Schäng!“

In Zeiten des wachsenden Nationalismus schrieb Ostermann auch zunehmend Rheinlieder – zuweilen sogar auf Hochdeutsch, damit sie auch die Preußen verstehen konnten.

Und als Kölns Oberbürgermeister Max Wallraf 1914 einen Wettbewerb ausrief, für die gerade angebrochenen Kriegszeiten eine vaterländische Hymne auf Köln zu schreiben, beteiligte sich auch Ostermann mit seinem Durchhaltelied „Adjüs Schäng!“

Wahre Köln Hymne kam erst später

Am 1. Oktober 1914 erreichte ihn dafür in seiner Wohnung in der zweiten Etage der Zülpicher Straße 290 ein Schreiben, in dem Wallraf für diese patriotische Leistungen dankt: „Dass Sie Ihre bewährte Muse jetzt auch in den Dienst des Krieges gestellt haben, hat mich lebhaft erfreut.“ Das Lied ist weitgehend vergessen. Seine wahre Hymne auf Köln schrieb Ostermann erst über zwei Jahrzehnte später, als er auf dem Sterbebett lag.

1936 brach Ostermann zusammen

Zu dem Zeitpunkt war er unvermindert erfolgreich. Obwohl er unter anderem mit Wetten auf der Pferderennbahn enorme Summen verloren haben soll, konnte er 1928 mit dem Neumarkt 33 eine der repräsentativsten Adressen der Stadt beziehen.

Als er hier 1936 mit seiner zweiten Ehefrau Käthe Silberne Hochzeit feierte, kam es vor seiner Haustür zu einem wahren Volksauflauf. Dann aber brach er im Juli 1936 nach einem Auftritt in Bad Neuenahr zusammen und wurde direkt von der Bühne in die Lindenburg nach Sülz gefahren.

Ostermann wusste, er würde sterben

Nach drei Wochen auf der Chirurgischen Station 5b und einer schweren Magenoperation wusste er, dass er sterben würde. „Dot mir noch en Glas Sekt“, bat er den behandelnden Arzt. Als er daraufhin zwar ein Glas Sekt bekam, dieses aber nur zur Hälfte gefüllt war, meinte er: „Es dat nit en bessge winnig für dä wigge Wäg en et Jenseits?“ Im Zimmer 218 verfasste er noch sein „Heimweh nach Köln“, bevor er am 6. August 1936 mit 60 Jahren verstarb.

Bis heute größte Beerdigung Kölns

Zu einem Freund hatte er zuvor angesichts eines andauernden Regens gewitzelt: „Nu sorg, dat et nit rähnt, wenn ich begrave wäde, sons had'r nix dovun.“ Und tatsächlich war am Tag seiner Beerdigung strahlender Sonnenschein.

Zwar kein Spatz, aber eine laut singende Amsel hatte sich zur Trauerfeier am Montag, 10. August 1936, 9 Uhr, in den Chorraum von St. Aposteln verirrt. Den ganzen Vormittag zogen die Kölner an Ostermanns Sarg vorbei, der im Arbeitszimmer seiner Wohnung aufgebahrt worden war. Um 16.30 Uhr ging es nach Melaten. Darf man zeitgenössischen Schilderungen glauben, war es die bis heute größte Beerdigung in Köln.

„Ich möch zo Foß no Kölle jon“

Sehr zum Leidwesen tausender Sportler und Sportbegeisterter, die zu einem großen Turnier ins Müngersdorfer Stadion wollten. An seinem Grab verlas Thomas Liessem erstmals öffentlich Ostermanns „Heimweh nach Köln“, das während des Zweiten Weltkriegs zum Politikum werden sollte.

„Ich möch zo Foß no Kölle jon“: Weil die Soldaten dies mit zu viel Inbrunst gesungen hätten und das die Moral der Truppe untergrabe, untersagte 1944 eine Heeresverordnung der Wehrmacht die öffentliche Aufführung. Der Raum 218, in dem Ostermann das Lied komponiert hatte, wurde durch die Weltkriegsbomben zerstört.

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