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Hirte ohne HerdeDie Basis verweigert Kardinal Woelki die Zusammenarbeit

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Woelki domplatte

Kardinal Woelki überquert den Roncalliplatz.

Köln – „Ein Hirte, dem die Herde abhanden kommt“, so bezeichnete der Vorsitzende des Katholikenausschusses Köln , Gregor Stiels, den Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki vor kurzem. Und in der Tat, es wird immer einsamer um Woelki. Sowohl der Katholikenausschuss als auch der Diözesanrat im Bistum bestätigen auf Nachfrage der Rundschau, dass sie an dem von Woelki initiierten Gemeindereformprozess „pastoraler Zukunftsweg“ in seiner bisherigen Form bis auf Weiteres nicht mehr teilnehmen werden. Sie fordern vorab strukturelle Veränderungen in der Kirche. Die Reformbewegung „Maria 2.0“ fordert Woelki zudem mit einer spektakulären Aktion heraus: In Kooperation mit der Katholischen Frauengemeinschaft Deutschland (kfd) soll im Rahmen eines Predigtseminars für Frauen bei einer Messfeier in einer Kölner Kirche die Predigt von einer Frau gehalten werden.

Umgestaltung liegt derzeit auf Eis

Der Prozess zur Umgestaltung der Gemeinden ist zurzeit ausgesetzt. Der Diözesanrat hatte vor Monaten angekündigt, dass er vor Veröffentlichung des Missbrauchsgutachten durch die Anwaltskanzlei Gercke nicht weitergeführt werden könne. Die Bistumsleitung gab daraufhin bekannt, dass dieser Vorschlag ebenfalls von Kardinal Woelki gemacht worden sei. Nun ist das Gutachten öffentlich, es sieht kein Fehlverhalten Woelkis im Umgang mit Missbrauchsfällen im Erzbistum Köln. Kann der „pastorale Zukunftsweg“ jetzt fortgesetzt werden?

„Nein“, sagt der Vorsitzende des Katholikenausschusses. „Wir brauchen bis Ende des Jahres ein interdisziplinäres Gutachten“, so Stiels. Dieses Gutachten müsse sich um die Machtstrukturen im Bistum kümmern. „Es geht um die Frage des Klerikalismus“, so der Vorsitzende der Kölner Laien. Der Diskussion um die künftige Struktur der Gemeinden dürfe nicht mehr der Kardinal vorsitzen. „Er steckt zu tief in dem System Kirche.“ Stiels fordert für den Reformprozess einen Koordinator. Dieser müsse „von außen“ kommen.

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„Wir werden die Reihen schließen“

Aber ist eine Beschränkung klerikaler Macht in der katholischen Kirche überhaupt denkbar? „Man braucht nur schon vorliegende Ergebnisse des synodalen Wegs aufzugreifen“, verweist Stiels auf das Diskussionsforum der Deutschen Bischofskonferenz, in dem Reformprogramme ausgelotet werden sollen. „Das ist ganz einfach – wenn man es will.“

Kirchensteuern

Die zahlreichen Kirchenaustritte haben das Unternehmen Taxando dazu veranlasst die Auswirkungen auf die Kirchensteuer genauer zu untersuchen.

Untersucht wurde das Jahr 2019, weil zu dieser Zeit noch keine Corona-Einflüsse geltend gemacht werden können.

Nordrhein-Westfalens Kirchen verzeichneten demnach für 2019 ein ungefähres Defizit von 64 940 000 Euro und einen Verlust von rund 67.900 Mitgliedschaften, was die zweithöchsten Ergebnisse der Untersuchung sind.

Nur in Bayern schlugen die Austritte ein noch größeres Loch ins Kirchenbudget. Bei 78 300 Austritten gingen 71 240 000 Euro verloren. (ngo)

Steht der Katholikenausschuss damit alleine da? „Wir werden die Reihen schließen“ kündigt Stiels an. Und das dürfte nicht schwer sein. Auch der Diözesanrat ist nicht bereit, den pastoralen Zukunftsweg ohne Weiteres mit Kardinal Woelki weiter zu gehen. „Wir brauchen vorab Gespräche auf Augenhöhe, in denen es Antworten auf unsere Fragen gibt“, sagt ein Sprecher des bistumsweiten Gremiums, das sich aus Laien und Klerikern aus den Dekanats- und Pfarrgemeinderäten zusammensetzt. „Das hat es bisher nicht gegeben.“ Der Vorsitzende des Rates, Tim Kurzbach, hat in einer Mitteilung klargestellt, was er sich von den geforderten Gesprächen erwartet: „Eine grundsätzliche Erneuerung des Machtsystems innerhalb der Kirche sowie die Frage der Menschenfreundlichkeit der Kirche.“

Maria 2.0 plant provokante Aktion

Dass der Druck von der Basis auf Woelki nun nicht nachlassen dürfe, davon ist auch die Reformbewegung „Maria 2.0“ überzeugt. Das veröffentlichte Missbrauchsgutachten mache es deutlicher denn je, dass nun die Machtfrage gestellt werden müsse, sagt eine Aktivistin zur Rundschau. Sie will mit einer bistumsrechtlichen Provokation den Kardinal herausfordern. Aufhänger ist ein Predigtseminar für Frauen von der kfd, das vom 7. bis 8. Mai stattfindet. Im Rahmen dieser Aktion soll in einer Kölner Kirche bei einer Messfeier eine Predigt von einer Frau gehalten werden.

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Datum und Ort möchte die Bewegung noch nicht bekannt geben. Unter Woelki wird im Bistum strikt an der Regelung festgehalten, dass nur Geweihte in Messen predigen dürfen. Die Auslegung des Evangeliums ist demnach Priestern und Diakonen vorbehalten.

Lediglich Sonderformen werden dazu genutzt, Frauen eine Stimme zu geben, wie beispielsweise durch „Ansprachen“ oder „geistliche Impulse“. Die werden dann aber ausdrücklich auch so benannt, um sie nicht in die Nähe einer Predigt zu rücken.

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