Horst Lichter über seine Zeit im Schweigekloster„Ich hatte viel Zeit zum Überlegen“

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Die zwei Gesichter des Horst Lichter: Der Koch und Moderator plaudert in seinen Fernseh-Sendungen viel und gerne, aber für sein Buch hat er auf das Reden verzichtet.

Die zwei Gesichter des Horst Lichter: Der Koch und Moderator plaudert in seinen Fernseh-Sendungen viel und gerne, aber für sein Buch hat er auf das Reden verzichtet.

  • Eigentlich ist Horst Lichter als wahre Quasselstrippe bekannt, die nie um einen flotten Spruch verlegen ist.
  • Für sein neues Buch ist der Kölner Moderator und ehemalige TV-Koch ein Experiment eingegangen und hat einige Zeit in einem Schweigekloster verbracht.
  • Dominic Röltgen sprach mit dem 59-Jährigen.

Man sagt „Reden ist Silber, Schweigen ist Gold“. Als jemanden, der auch mal den Mund halten kann, kennt man Sie aber eher nicht aus dem Fernsehen…

Das ist ja ein Sprichwort, das wir als Kinder häufig zu hören bekamen – wir wurden ja noch anders erzogen als heutzutage. Wenn du zum Beispiel am Tisch mit den Erwachsenen gesessen hast, war ganz klar: Du bist ruhig. Heute glaube ich, dass das gar nicht so falsch war (lacht). Aber es stimmt schon, auf mich bezogen, ist Schweigen zunächst einmal bestimmt für viele verwunderlich. Es kamen auch viele Freunde und Verwandte auf mich zu, die meinten, dass das doch gar nicht gehe – dass ich doch nicht zehn Tage lang nichts sagen könne. Das Schwierigste ist aber, glaube ich, nicht nichts zu sagen, sondern darauf zu verzichten, sich zu äußern. Das ist am Anfang in etwa so, wie wenn man dir verbieten würde, zu gehen, obwohl mit deinen Beinen alles in Ordnung ist. Dann vermisst man erst das Gehen. Erschreckend für mich war: Je weniger du sagst, desto lauter wird es in deinem Kopf. Denn zu denken hörst du eben nicht auf.

Stille

Horst Lichter ist Fernseh-Koch, Autor und Moderator. Regelmäßig ist er in der ZDF-Sendung „Bares für Rares“ zu sehen.

„Ich bin dann mal still. Meine Suche nach der Ruhe in mir“, Knaur-Balance-Verlag, 208 Seiten, 18 Euro.

Wieso hatten Sie sich dann dazu entschieden, in ein Schweigekloster zu gehen?

Ich muss zugeben, dass die Idee nicht von mir kam. Der Verlag kam mit der Grundidee für so ein Buch an, weil die den Wunsch hatten, dass ich das mache. Ich fand sofort, dass das ein spannendes, interessantes Experiment ist. Gerade heutzutage wird ja so viel geredet, und ich wollte einfach wissen, was mit mir passiert, wenn ich nichts mehr sage, nichts mehr erklären kann. Gerade ich bin ja ein Geschichtenerzähler. Ich wusste im Vorfeld auch nicht, in welches Kloster die mich schicken würden – ich dachte an Mönche, Nonnen, Gebete und harte Arbeit. Auch wenn es nicht meinen Vorstellungen entsprach: Im Endeffekt war es gut, dass es eine andere Art von Schweigekloster wurde, weil ich ansonsten wohl nicht auf die Gedankengänge gekommen wär, über die ich im Buch schreibe. Was ist Stille? Was ist Ruhe? Das waren Fragen, die ich mir gestellt habe.

Haben sich Ihnen im Schweigekloster neue Erkenntnisse aufgetan?

Was die wenigsten sicher glauben können: Ich konnte schon immer, wenn ich ein paar Tage frei habe, gut für mich bleiben. Allerdings lasse ich mich in solchen Situationen durchaus berieseln, schaue etwa einen Film. All das habe ich mir aber während der Zeit im Schweigekloster auch verboten. Was ich persönlich noch einmal ganz neu für mich gelernt habe, war mein Blick auf Toleranz. So sehr ich das etwa nicht gut fand, die Zen-Kurse, Klangschalen zu benutzen und das angebliche Sitzen- und Laufen-Lernen –, so sehr musste ich lernen, zu akzeptieren, dass es für andere der richtige Weg sein kann.

Sie möchten das Kloster nicht nennen, weil es Ihnen persönlich nicht gefallen hat. Gab es denn auch für Sie etwas Positives an dem Ort?

Sogar eine Menge. Als ich etwa meine Toleranz denen gegenüber gefunden hatte, denen es dort gefällt, habe ich meine eigene innere Ruhe gefunden. Weil ich die Zeit dann einfach so verbracht habe, wie ich sie verbringen wollte – und zwar in Stille. Ich bin sehr viel spazieren und meinen Gedanken nachgegangen, ich hatte einfach sehr viel Zeit, zum Überlegen.

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Nur aus diesem Grund schlägt das Buch auch gewisse Richtungen ein, bei denen ich mich etwa frage, was Neid, Missgunst oder Gier ist. Wir suchen immer lieber die Schuld beim Anderen – beim Partner, beim Nachbarn, bei den Politikern. Vielleicht liegt es aber doch auch an mir, dir, an uns. Man kann immer was dagegen machen. Wenn du etwa in einer Straße wohnst, in der dich alle hassen, kannst du dich dein ganzes Leben darüber beklagen oder aber du kannst wegziehen. Natürlich ist jede Situation anders, und man muss vorher die Möglichkeiten abwägen. Aber trotzdem: Wenn du den ersten Schritt machst und nicht nur andere für deine Situation verantwortlich machst, dann kannst du viel bewegen.

Hätten Sie vor Corona eigentlich gedacht, dass das Rheinland so ruhig sein kann?

Ich glaube ja, der Rheinländer wird häufig falsch eingeschätzt, weil er gut feiern kann und gerne etwas lauter ist. Er kann viel disziplinierter sein, als man ihm zutraut. Das heißt aber halt nicht, dass der Rheinländer einfältig oder dumm ist oder eben in schlimmen Lagen nicht diszipliniert sein kann. Ich fand es aber in den letzten Monaten hier und dort doch sehr erholsam, dass es auch mal noch ruhiger sein kann im Rheinland.

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