In Kölner SynagogeFestjahr „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ eröffnet

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Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier hält eine Ansprache in Köln beim Festakt zum Auftakt des Festjahres.

Köln – „Ich leb‘ schon ‘ne Ewigkeit in diesem Land. Ich war noch klein, wurde nicht gefragt. Von der gemeinsamen Geschichte hab ich nichts geahnt“, heißt es in einem Lied des Musikers, Buchautors und Redners Ben Salomo. Der Berliner stammt aus Israel und verarbeitet in der Musik seine jüdische Identität. Auch die Schauspielerin und Buchautorin Susan Sideropolous und der Schauspieler Alexander Wertmann leben mit jüdischen Wurzeln in Deutschland. Eine gemeinsame, deutsch-jüdische Zukunft habe gerade in Zeiten wachsender Anfeindungen für alle eine große Bedeutung, betonen sie in einem Einspieler.

Auftakt in Kölner Synagoge

Wie wichtig diese gemeinsame Zukunft ist, will der Verein „1700 Jahre jüdisches Leben in Deutschland“ mit seinem gleichnamigen Festjahr zeigen. Am Sonntag eröffnete der Verein das Jahr mit einem Festakt in der Kölner Synagoge – pandemiebedingt ohne Besucher.

„Die Geschichte der Juden in Deutschland ist eine von Emanzipation und Blüte, sie ist aber auch eine von Demütigung, Ausgrenzung und Entrechtung“, sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier in seinem Grußwort in der Synagoge. Jüdisches Leben in Deutschland sei „vielfältig, facettenreich, lebendig und voller Schwung“.

NRW-Ministerpräsident Armin Laschet bezeichnete die jüdische Gemeinschaft in Deutschland als „ein Geschenk“. „Dass es nach den Verbrechen der Shoa heute wieder eine vielfältige jüdische Gemeinschaft in Deutschland gibt, ist alles andere als eine Selbstverständlichkeit.“

Reker wird persönlich

In einem Einspieler berichtete Kölns Oberbürgermeisterin Henriette Reker aus einem persönlichen Blickwinkel über das jüdische Leben in Köln. Ihre Eltern, so erzählt die OB, hätten zu den Ermöglichern des Nationalsozialismus gehört, weil sie nicht den Mut dazu hatten, dagegen aufzustehen. Dass sie bis zu ihrem Lebensende darunter litten, habe sie dazu bewegt, eine klare Haltung gegen Antisemitismus und Rassismus zu vertreten. „Bei uns ist Jede und Jeder willkommen“, sagte Reker. Im Einspieler zeigt sie das historische jüdische Viertel Kölns, in dem die „Miqua“ entsteht – das neue jüdische Museum der Stadt. Sie trifft unter Anderem Aaron Knappstein vom jüdischen Karnevalsverein „Kölsche Kippa Köpp“ und berichtet von weiteren jüdischen Persönlichkeiten, die Köln geprägt haben.

Die Kölner Synagogen-Gemeinde gilt als die älteste jüdische Gemeinde nördlich der Alpen. In Köln findet sich im Jahr 321 der erste sichere Beweis für jüdisches Leben in Westeuropa. 1700 Jahre sind seitdem vergangen. „Ich stehe hier, um uns allen diese Zeit bewusst zu machen, ihrer zu gedenken, sie aber auch zu feiern“, sagte Abraham Lehrer, Vizepräsident des Zentralrats der Juden und Vorstand der Synagogen-Gemeinde Köln. Rund 1000 Veranstaltungen sollen im Festjahr dazu beitragen, dass jüdische Leben in Deutschland in Vergangenheit und Gegenwart darzustellen und erlebbar zu machen. So soll das Jahr ein Zeichen gegen Antisemitismus setzen. Vieles findet in Zeiten der Pandemie virtuell statt - Ausstellungen, Workshops, Vorträge oder Lesungen.

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Zeugnisse der deutsch-jüdischen Geschichte gibt es in ganz Deutschland. Und damit auch die Möglichkeit, sich zu informieren. „Wir müssen jedoch leider feststellen, dass das Wissen in der Bevölkerung über die jüdische Vergangenheit und Gegenwart sehr gering ist“, sagte Dr. Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland. Das führe zu Vorurteilen, die von Generation zu Generation weitergegen würden. „Sie halten sich umso besser, je weniger man über Juden weiß.“ Ziel müsse es sein, bereits in der Schule Wissen über das Judentum zu vermitteln und über Antisemitismus aufzuklären.

Untrennbar verknüpft

Israels Staatspräsident Reuven Rivlin sagte in seinem Grußwort: „Die Geschichte und das Schicksal Deutschlands und die des jüdischen Volkes sind seit Jahrhunderten miteinander verknüpft.“ Eine gemeinsame Geschichte mit Zeiten, geprägt von Zusammenarbeit und Toleranz, und mit Zeiten, in denen Nazis Millionen Juden im Holocaust ermordeten. Die Tragödien der Vergangenheit werde man nie vergessen, sagte Rivlin, doch: „Wir betonen unser gemeinsames Erbe, den Beitrag der deutschen Juden zur deutschen Gesellschaft und die tiefe Freundschaft zwischen Deutschland und dem israelischen Staat.“

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