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Ambitioniertes Projekt in KölnNeusser Platz soll autofrei und doppelt so groß werden

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Neusser Platz und Roeckerathplatz könnten miteinander verschmelzen. 

Köln-Innenstadt – „Wir wollen den Vergleich wagen: Wie kann Köln ein wenig mehr zu Siena werden?“ fragte Martin Herrndorf, City-Bezirksvertreter für Bündnis 90/Grüne, in die Online-Konferenzrunde. Die weltberühmte Piazza del Campo im Zentrum der traditionsreichen toskanischen Stadt ist die Steilvorlage für einen stadtplanerischen Vorstoß der Partei: Die Idee ist, den Neusser Platz (inklusive dem seit 2018 so benannten Roeckerathplatz, dem direkten Vorplatz der Agneskirche) autofrei zu machen, neu zu gestalten und auf das Zweifache zu vergrößern.

Mehr Bäume, mehr Grün, mehr Bänke

Ein Teil der Fläche würde entsiegelt; es kämen Bäume und Grün, Bänke und sonstige Sitzgelegenheiten hinzu. Er wäre nach der Umplanung nur noch für den Radverkehr überquerbar. Noch ist das Vorhaben jedoch ganz an seinem Anfang, und die politische Debatte steht noch aus. „Auf dem Platz sitzen die älteren Leute und schauen, was so vor sich geht in ihrer Stadt.“ Auch die Kölner Partnerstadt Barcelona, mit ihren zahlreichen autofreien Quartiersplätzen und Nachbarschafts-Treffpunkten, diene als Vorbild. Über das Konzept informierte der Grünen-Ortsverband Innenstadt/Deutz auf seiner online abgehaltenen Bürger-Austauschrunde „Für mehr Aufenthaltsqualität: Ein neuer Neusser Platz?“ 48 Gäste schalteten sich zu; neben etlichen Nachbarn auch die Grünen-Ratsmitglieder Sandra Schneeloch und Derya Karadag sowie Herrndorfs Bezirksvertreter-Kollegin Mildred Utku.

Eine Konsequenz, falls der Vorschlag umgesetzt würde, wäre eine Trennung der Neusser Straße; der motorisierte Verkehr müsste Umwege in Kauf nehmen. Auch die übrigen Straßen im Umkreis des Platzes würden gesperrt. Die von Innerer Kanalstraße und Ebertplatz in Richtung Agneskirche führenden Stücke der Neusser Straße würden zu Fahrradstraßen. „Wir erhoffen uns eine Beruhigung vom Lärm, und zugleich durch die Begrünung einen Beitrag gegen den Hitzestau im Sommer. Zugleich sollen sich schwächere Verkehrsteilnehmer ungehindert im Veedel bewegen können“, ergänzte Karin Roggenbrodt, Grünen-Mitglied im Ortsverband sowie Anwohnerin.

Man plane, die Geschäftsleute aktiv in die Pläne einzubeziehen. „Wir haben bereits über 30 Inhaber angeschrieben und für heute eingeladen; sie abzuholen, ist uns sehr wichtig“, betonte Schneeloch. „Die Geschäftsleute einbeziehen wäre sehr gut, im Eigelsteinveedel hat das auch zum Erfolg geführt“, gab Teilnehmerin Janne Obert zu bedenken. Die Finanzierung eines solchen Projektes müsste im Laufe der Planungen noch entwickelt werden; Förder- und Städtebau-Mittel seien jedoch grundsätzlich denkbar.

Auto nur noch gewisse Zeit Realität

Die Runde der Gäste reagierte grundsätzlich sehr positiv, hatte jedoch auch detaillierte Fragen und Ergänzungen – etwa zur neuen Verkehrsführung für Autos, wenn die Durchfahrt wegfiele. „Das Auto bleibt für eine gewisse Zeit noch Realität“, merkte Anwohner Thorsten Kemper an.

Eine Verschiebung des Durchgangsverkehrs zur ohnehin schon belasteten Krefelder Straße sahen mehrere Teilnehmer kritisch; auch die Kapazität der Riehler Straße sinke, durch den auch dort beschlossenen Bau von breiten Fahrradspuren.

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Das Problem müsse grundsätzlich angegangen werden, meinte Herrndorf. „Das Problem ist, dass Navigationsgeräte den Durchgangsverkehr über die Neusser Straße leiten, auch wenn man etwa von Longerich zur Philharmonie will.“ Im Übrigen sei der Verkehr auf der Riehler Straße laut jüngerer Zählungen von 40.000 auf 28.000 Fahrzeuge täglich zurückgegangen. „Vielleicht müssen wir auch aufhören, den Autos überall den roten Teppich auszurollen. Wenn die Autowege die bequemsten bleiben, werden die Leute halt weiter Auto fahren“, ergänzte Teilnehmerin Rebecca.

Zu den Bedenken eines Zuhörers wegen mehr Feier- und Partylärm auf dem neuen Platz entgegnete Herrndorf, dass Zustände wie im Sommer am Brüsseler Platz gerade daher rührten, dass es zu wenige Plätze in Köln mit Aufenthaltsqualität gebe – und sich in der Konsequenz das Publikum an wenigen Stellen im Stadtgebiet bündle. „Gäbe es mehr schöne Plätze, würden sich die Leute mehr verlaufen und sich die Belastung nicht mehr auf einen Platz konzentrieren.“ e Diskussionsteilnehmer Piet Ruther ergänzte: „Wir würden zuerst einmal viel Lärm reduzieren, wenn der Auto- und Lkw-Verkehr wegfällt.“ Die Grünen wollen ihr Konzept nun weiter ausarbeiten und auf mittlere Sicht in die politischen Gremien einbringen.

Hintergrund: Das Konzept

Folgende Punkte sieht das Konzept vor: Die Neusser Straße würde zwischen Weißenburgstraße und Krefelder Wall für den Kraftverkehr gesperrt. Gleiches gilt für die Straße Neusser Platz (östlich der Agneskirche) sowie für die Weißenburgstraße auf der Südseite des Platzes, zwischen Neusser Straße und Lupusstraße. Für Post- und Lieferdienste soll es Ausnahmen geben.

Die übrigen Abschnitte der Neusser Straße zwischen Ebertplatz und Innerer Kanalstraße würden zur Fahrradstraße. Autos sind hier zwar weiter erlaubt, Räder genießen aber Vorrang.

Über den erweiterten Neusser Platz sollen Räder weiterhin fahren können, jedoch auf begrenzter, eventuell abmarkierter Fläche. Durch die Sperrungen sollen sich der Neusser Platz und der Roeckerathplatz in ihrer Größe in etwa verdoppeln. Angedacht sind bislang neue Sitzmöglichkeiten, eine Begrünung sowie Pflanzen mit Früchten zum Selberernten ( wie im Konzept „Essbare Stadt“).

Als Alternativen für den motorisierten Durchgangsverkehr zwischen Nippes und der City sind vor allem die Riehler Straße, aber auch die Krefelder Straße angedacht.

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