Abo

Kein Covid-TodesfallWie sich die Kölner Geriatrien in der Corona-Krise bewährt haben

Lesezeit 4 Minuten
Die drei Chefärzte der Kölner Geriatrien (von links): Jochen Hoffmann, Prof. Ralf-JoachimSchulz, Heinz L. Unger

Die drei Chefärzte der Kölner Geriatrien (von links): Jochen Hoffmann, Prof. Ralf-JoachimSchulz, Heinz L. Unger

  • Die Chefärzte der drei auf ältere Patienten spaezialisierten Krankenhäuser Kölns ziehen eine positive Covid-19-Bilanz

Innenstadt/Lindenthal/Kalk – „Uns ist ein Sicherheitskonzept gelungen, mit dem wir die Corona-Krise bewältigt haben, ohne dass in unseren drei Geriatrien in Köln auch nur ein einziger Patient an Covid-19 erkrankt oder gestorben ist“, sagen Professor Ralf-Joachim Schulz, Heinz L. Unger und Jochen Hoffmann.

Den drei Chefärzten des St. Marien-Hospitals, des Evangelischen Krankenhauses in Kalk und des Hildegardis-Krankenhauses in Lindenthal ist Erleichterung, aber auch Erschöpfung anzumerken. Ärzte, Pflegepersonal, das ohne Wenn und Aber mitzog, Klinikverwaltungen und Ärztliche Direktoren wissen, „dass wir an der Katastrophe knapp vorbei kamen“ – mit Blick auf ihre Patienten.

Ab 16. März, als klar wurde, dass die Coronavirus-Pandemie Deutschland im Würgegriff hat, hatten alle drei Geriatrien, die den gesamten Kölner Raum abdecken, ein gemeinsames Sicherheitskonzept plus Qualitätszirkel stehen. Bei jedem Patienten wurde in einem Raum, getrennt von der jeweiligen Klinik, ein Abstrich genommen, Atemwegssymptome abgefragt, Fieber gemessen. Erst dann war der Zugang in die Klinik erlaubt. Bestanden Zweifel, wurde der Kranke isoliert stationiert. Auch bei Patienten, die entlassen wurden, war der Abstrich obligatorisch.

Alles zum Thema Jens Spahn

Das machten Geriatrien in anderen Städten nicht, mit dem Ergebnis, dass es in einem Haus in NRW über 100 Covid-Patienten gab, bei einigen die Infektion tödlich verlief und auch das Pflegepersonal infiziert war. In den drei Kölner Geriatrien wurde jeder Schritt von Hygienefachkräften gecheckt, jede Türklinke, jeder Rollstuhl, jedes Therapiegerät unentwegt desinfiziert. Jeden Tag zog man in Krisensitzungen gemeinsam Bilanz. „Wir haben Masken gezählt, nicht Packungen, die gab es längst nicht mehr.“ Man stopfte die Lücken mit selbstgenähtem Mundschutz, schickte Boten nach Holland, um für horrende Summen Masken zu kaufen. Die Sporthochschule half mit Desinfektionsmitteln aus, Apotheken und eine Schnapsbrennerei lieferten Selbstgemischtes. „Danach roch bei uns alles nach Birne“ – aber es half. „Es war hochdramatisch. Wenn auch nur ein Pflegeheim hätte evakuiert werden müssen, wäre eine Welle auf uns zugerollt, die wir nicht mehr hätten stemmen können aufgrund der fehlenden Mittel“, sagen die drei Chefärzte. Das ehrgeizige Ziel der geriatrischen Kliniken war, ihre Patienten so zu therapieren, dass sie nach Hause konnten, denn die meisten Pflegeheime und Reha-Einrichtungen hatten Aufnahmestopps.

Hinzu kam, dass die drei Kölner Geriatrien die kranken, alten Patienten aller anderen Akut-Kliniken übernommen haben. Kooperation und Übernahme waren in der Hoch-Zeit der Pandemie landesweit eher die Ausnahme. „Geriatrien in NRW und in anderen Bundesländern haben ihre Pforten dicht gemacht auch um Bettenkapazitäten als Reserve zu halten.“ Zumal Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) für jedes frei gehaltene Bett finanzielle Anreize bot. „Wir in Köln haben das nicht gemacht“, so Unger. „Wir können alte und kranke Patienten doch nicht von der Behandlung ausschließen.“

Das Fundament zu Kooperation und Übernahme aus Akut-Kliniken legte die ehemalige NRW-Gesundheitsministerin Barbara Steffens (Grüne), die 2015 gesetzlich regeln ließ, dass Akut-Kliniken kranke, alte Patienten im Verbund mit den Geriatrien versorgen müssen. Folglich wurden mit den Akut-Kliniken Verträge abgeschlossen. Geriater gehen in die Krankenhäuser, besprechen und entscheiden gemeinsam vor Ort, welche Unterbringung, welche Therapie, welches Heim für den betagten stationierten Patienten sinnvoll ist.

Wie unverzichtbar Sicherheitskonzept plus Qualitätszirkel sind, zeigte sich im Pandemie-Alltag, wo nur ein Funke den Flächenbrand hätte auslösen können. Im St.-Marien-Hospital gab es drei Verdächtige, bei denen man nach intensiver Untersuchung Entwarnung geben konnte. Im Evangelischen Krankenhaus Kalk war es ein Verdachtsfall, im Hildegardis-Krankenhaus wurde über den Rettungsdienst ein infizierter Patient eingeliefert, der sofort isoliert werden konnte. In dem engmaschigen Netzwerk der Sicherheitsvorkehrungen, der Bewältigung des Hilfsmittel-Mangels und der enormen Arbeitsbelastung aller hätte keiner nachlässig oder gar unvorsichtig sein dürfen.

Als Krisen-Fazit müsse die Kooperation mit den Hausärzten enger werden. „Viele machten keine Hausbesuche mehr, oft nur telefonische Beratung, kaum Akutversorgung.“ Mit der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein und deren Vorsitzenden Jürgen Zastrow vereinbarten die Mediziner, dass eine gemeinsame Fortbildung mit Hausärzten, Feuerwehr, Rettungsdienst sowie Geriatern erforderlich ist.

Zudem wurde ein Fragenkatalog erarbeitet, den der Ethik-Rat in seine Kriterien aufgenommen hat. Wie müssen alte, kranke Menschen in Krisenzeiten behandelt werden? Wer muss beatmet werden, wer kann nicht mehr therapiert werden?

Schulz: „Wir haben Patienten bekommen, die drei Wochen beatmet wurden. Wir wissen nicht, welche gravierenden Folgen eine so lange Beatmung für alte und kranke Patienten nach sich zieht.“

Rundschau abonnieren