Interview mit Maria 2.0-Organisatorin„Kirche wird sich bewegen – mit uns“

Lesezeit 5 Minuten
Maria2.0_am_Dom

Ende September in Köln:  Unterstützerinnen der Protestbewegung «Maria 2.0» bilden vor dem Dom eine Menschenkette. 

  • Die Kölner Mit-Organisatorin von Maria 2.0, Ute Hünker, fordert die Reformbemühungen in der katholische Kirche wieder aufzunehmen.
  • Hünker verwahrt sich gegen den Vorwurf, Maria 2.0 spalte die Kirche.
  • Die engagierte Katholikin hat den Verweis auf die Bibel als Argument für den Ausschluss von Frauen von Machtpositionen in der katholischen Kirche satt.

Frau Hünker, Ihnen wird vorgeworfen, Sie missbrauchen den Namen Maria.

Es gibt nicht nur eine, es gibt so viele Marias. Maria steht für die Frauen in der Bibel, die nicht geschwiegen haben. Hätte Maria, die Mutter Jesu, nicht auf den Engel geantwortet, wäre Maria Magdalena ängstlich gewesen und einfach nach Hause gegangen, dann hätten wir keine Frohe Botschaft. Es gab mutige Frauen, die selbstbewusst mit Jesus und seinen Jüngern mitgegangen sind: Sie sind heute Vorbilder.

Wie groß ist die Basis von Maria 2.0?

Oh, die ist groß. Ich beobachte, dass die Bewegung sowohl in den beiden großen katholischen Frauenorganisationen kfd und KDFB sowie in zahlreichen Gemeinden Fuß fasst. Ich weiß von Frauen, die sich nun dem Frauenbund anschließen und sagen: Wenn das Kirche sein kann, wenn sich wirklich mal etwas tut, dann will ich dabei sein. Meine Mutter zum Beispiel. 88 Jahre. Sie fragte mich kürzlich: Du, diese Maria mit dem 2.0, was ist das denn eigentlich. Nachdem ich es ihr erklärt hatte, sagte sie nur: Es wird aber auch langsam mal Zeit. Ein älterer Herr schrieb mir: Ich unterstütze Sie vollkommen. Maria 2.0 war überfällig. Machen Sie weiter so.

Damit stellt sich aber auch die Frage nach der Altersstruktur von Maria 2.0?

Maria 2.0 ist nicht in erster Linie eine Bewegung von jüngeren Frauen. Aus dieser Generation sind schon viele weggegangen. Es ist eine Bewegung der trotzdem Gebliebenen, deren Herz für die Kirche, für ihre Botschaft schlägt und die sich fragen: Was ist aus all den Reformbemühungen geworden, aus dem Zweiten Vatikanischen Konzil, aus dem Brief der Bischöfe im Jahr 1981 zur Stellung der Frauen in Kirche und Gesellschaft?

Maria2.0

In Köln Mitorganisatorin von Maria 2.0: Ute Hünker. 

Die sind versandet. Und Sie wollen sie nun heben?

Wir stehen an einem Punkt, an dem wir selbstbewusst sagen: Frauen bringen die Kirche in Bewegung, weil sie den Stillstand nicht mehr wollen. Die Kirche wird sich nun bewegen – und zwar mit uns. Unser Engagement ist ein Zeichen der Zeit, eine Notwendigkeit, ein Indiz für eine lebendige Kirche.

Aber Sie kriegen auch Gegenwind.

Wir bekommen einige Briefe, in denen uns vorgeworfen wird, vom rechten Weg des Glaubens abzukommen. Aber ich möchte das nicht als Gegenwind bezeichnen. Lassen Sie es mich so sagen: Gottes Wiese ist groß, da haben viele Platz. Menschen ganz unterschiedlicher Meinung. Die können sich dort begegnen oder feststellen, wir kommen nicht zueinander. Dann ist es gut und richtig, wenn sie getrennte Weg gehen. Ich möchte niemanden meine Meinung aufzwingen und das erwarte ich auch von anderen. Es ist eines jeden freie Entscheidung, wie er oder sie den Glauben lebt, welche Bedeutung das Wort Gottes für das eigene Leben hat. 

Maria 2.0 startete zahlreiche Aktionen

Ute Hünker (60) ist eine Mitorganisatorin von Maria 2.0 in Köln. Auch in der Domstadt macht die Bewegung mit zahlreichen Aktionen auf sich aufmerksam.

Zuletzt bildete sie eine Menschenkette um den Dom, in die sich Stadtdechant Robert Kleine einreihte. Doch es gibt auch Kritik. Kardinal Woelki stellt sich gegen die emanzipatorischen Ziele der Bewegung.

Das ist der Punkt, an dem Ihre Gegner vor einer Kirchenspaltung warnen.

Ich frage Sie, was soll denn da die Spaltung sein? Dass auf der einen Seite die Frauen und auf der anderen die Männer stehen? Dass auf der einen Seite die Priester und auf der anderen die Gläubigen stehen? Dann brauchen wir uns darüber nicht weiter unterhalten. Entsteht Spaltung bereits, wenn Frauen und Männer darüber nachdenken, wie Kirche glaubwürdiger werden kann? Wir sind hier nicht im Märchen. Wir packen nicht die Guten ins Töpfchen und die Schlechten ins Kröpfchen. Wir haben unterschiedliche Positionen. Das ist etwas anderes als Spaltung.

Aber Ihre Forderung, Weiheämter auch für Frauen, ist schon eine Revolution für die katholische Kirche.

Nicht wirklich. Die Forderung gibt es schon lange. Frauen sind ein Schatz der Kirche, keine Bedrohung. Sie übernehmen ehrenamtlich zahlreiche Dienste in der Gemeinde. Es steht auch nirgendwo geschrieben, dass Männer gleicher sind als Frauen. Wenn wir ebenbürtig sein wollen, dann muss das auf allen Ebenen erfolgen. Einer Frau mitzuteilen, dass sie eine Aufgabe nicht übernehmen kann, weil sie eine Frau ist – zwar kompetent, aber eben eine Frau – finde ich extrem verletzend. Das ist für mich auch keine Basis, um etwas weiter zu entwickeln. Das führt nur dazu, dass sich Kirche einmauert. Und eine eingemauerte Kirche hat keine Chance auf Zukunft.

Der synodale Weg der deutschen Bischofskonferenz thematisiert auch die Rolle der Frau in der Kirche. Ein Chance?

Ich hoffe es sehr. Meine Sorge ist, dass am Ende wieder nur gesagt wird: Gut, dass wir darüber gesprochen haben. Dann wird die Zahl der Mitglieder noch kleiner, wird Kirche immer mehr an Bedeutung verlieren. Denn ich bin mir sicher, dass sehr viele diesen Weg genau beobachten – in der Hoffnung auf Reformen.

Das könnte Sie auch interessieren:

Kölns Erzbischof Kardinal Woelki lehnt den synodalen Weg ab.

Ich frage mich warum, was sind die Argumente und Befürchtungen? Ich will nicht mehr hören: Jesus und die Apostel waren Männer und deshalb bleibt alles so, wie es ist. Auf einer solchen Basis will ich mich nicht weiter unterhalten. Ich wünsche mir von den Bischöfen, die zögerlich sind beim synodalen Weg und ablehnend gegenüber Maria 2.0, mehr Mut, Vertrauen, Offenheit und eine ganz große Neugier. Denn wir alle sind zu Größerem berufen als zu dem, was Kirche momentan ist.  

Rundschau abonnieren