Interview mit Bernd ImgrundDieser Kölner lebt in seiner Freizeit wie ein Mongole

Lesezeit 6 Minuten
Michael Donovan

In seiner Jurte fühlt sich Michael Donovan richtig wohl. 

  • Wie ein Mongole sieht Michael Donovan nicht aus.
  • Und doch ist der gebürtige Kölner Chef der 1. Mongolenhorde.
  • Bernd Imgrund erzählte Donovan, wie er zu seinem Hobby kam und was es ihm bedeutet.

Köln – Im Heimersdorfer Vereinsheim wird gehämmert, deshalb gehen wir in Michael Donovans beheizte Jurte: ein kleiner Tisch, flache Hocker – und viel bunter Behang!

Was ist Ihr mongolischer Name?

Ich heiße Dai Sechen und bin der Schwiegervater von Dschingis Khan.

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Ist klar. Und das hier ist Ihr Palast?

Traditionell hat in der Jurte die Frau das Sagen, aber wir sind ein kölscher Verein. Das ist für uns ein Spiel, das wir mit Leib und Seele, aus Spaß an der Freud betreiben. Aber klar hat uns die Frau auch schonmal rausgeschmissen, wenn wir hier mit zehn Mann palavern und Wodka trinken.

Zur Person

Michael Donovan wurde 1950 in Köln geboren. Nach der Volksschule absolvierte er eine Lehre als Maschinenschlosser, und über die Abendschule wurde er schließlich zum Maschinenbaumeister. Bis zum Umzug nach Flittard arbeitete er 49 Jahre im Kabelwerk Felten & Guilleaume an der Mülheimer Schanzenstraße.

 Zusammen mit seiner Frau wirkte er 20 Jahre lang ehrenamtlich in der Jugendarbeit der Pfarrgemeinde Chorweiler. Seit 1997 ist er Mitglied der 1. Kölner Mongolenhorde. Er war einmal für ein Jahr der Dschingis Khan des Vereins, seit 15 Jahren ist er zudem dessen 1. Vorsitzender.

Michael Donovan hat drei Kinder, sechs Enkel und vier Urenkel. Er lebt mit seiner Frau in Longerich. www.mongolenkoeln.de

Wie halten Sie es mit der traditionellen Polygamie der Mongolen?

(lacht) Nee, nee. Bei uns hat jede Familie ihr eigenes Zelt. Hier gab es kein einziges Bäumchen-Wechsel-Dich, seit ich dabei bin.

Warum verkleidet sich ein erwachsener Mensch als Mongole und setzt sich eine Jurte auf die Wiese?

Wegen dem „Anderen“. Du sitzt hier, kommst zur Ruhe und weißt: Genau so haben die Mongolen schon vor 1200 Jahren gelebt.

Mongolen sind gute Reiter, Jäger und Bogenschützen. Was können Sie?

Letzteres. Ich habe einen Original-Reflexbogen. Der ist in Sandwichweise aufgebaut und besteht aus Eibe, Birke, Horn und Sehnen.

Auf wieviel Meter treffen Sie ein Wildschwein?

25 sollte klappen. (lacht)

Warum sind Sie Mongole geworden statt Indianer, Chinese oder Afrikaner?

Unser Mongolenverein war die ersten zehn Jahre eher hunnisch angezogen. Das wurde uns von den anderen Stämmen damals auch vorgeworfen. Weil es schon mehrere Hunnenvereine gab, haben sich die Gründer 1984 für Mongolen entschieden − so konnten wir die „1.“ Kölner Mongolenhorde werden.

Es gab einmal über 80 Kölner Stämme. Wie viele sind es heute noch?

15, und es wird immer schwieriger, Nachwuchs zu bekommen.

Wandelt sich Ihr Stamm allmählich vom Karnevals- zum Kulturverein?

Wir haben immer viel Recherche betrieben und versucht, so originalgetreu wie möglich zu sein. Anfangs haben wir auch unsere Kleider nach Fotos selber geschneidert. Aber der Karneval bleibt das zentrale Ereignis! Wir investieren jedes Jahr um die 5000 Euro für unseren Festwagen und das Wurfmaterial. Wir sind Vorgruppe beim Rosenmontagszug, gehen bei den Umzügen in Heimersdorf und Longerich mit und darüber hinaus immer beim Dienstagszug in Nippes.

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Gibt es kölsch-mongolisches Liedgut?

Oh ja! Früher war „Dschingis Khan“ von der gleichnamigen Band unser Einmarschlied – davon gibt es sogar eine mongolische Version. Aber unsere Mitglieder Manni Alterauge und Willi Werner haben über zwanzig Lieder komponiert und arrangiert. Wir haben davon sogar eine eigene CD aufgenommen.

Die heutige Mongolei gehörte einst zur Sowjetunion.

Sie wurde von den Russen ausgebeutet und auch kulturell unterdrückt. Vor allem die Umweltzerstörung durch den Bergbau ist besorgniserregend. Wir als Kölner Mongolenhorde wissen heute mehr über die mongolische Geschichte als die junge Generation dort.

Sie waren 2015 im Rahmen des Filmprojekts „Der Wind der Heimat“ für zwei Wochen in der Mongolei.

Mit Ayunga Khiyad, einem Studenten von der KHM. Es ging um seine Heimat und um unseren Kölner Stamm. Sein Filmteam hat uns über ein Jahr begleitet, und irgendwann fragte er mich, ob ich mal leibhaftig in die Mongolei möchte. Da brauchte ich nicht lange zu überlegen.

Wurden Ihre jahrzehntelang entwickelten Erwartungen erfüllt?

Es war ernüchternd. Unsere Jurten sind der pure Luxus gegenüber denen, die ich kennengelernt habe. Da stehen die Betten und ein Ofen, in der Jurte wird der Käse gemacht, und an der Seite hängt der obligatorische Schwanz der mongolischen Fettschwanzschafe.

Zum Kulinarischen: Haben Sie die in der Mongolei beliebte vergorene Stutenmilch probiert?

Jessesmaria! Sehr gewöhnungsbedürftig! Du schmeckst die Milch, das Vergoren-Saure und schnell auch den Alkohol. Das Trinken kostet echte Überwindung, aber man gewöhnt sich an alles. (lacht)

Wie steht es mit dem Käse?

Der wird in Rahmen auf dem Jurtendach getrocknet und ist schwarz vor lauter Fliegen. Auch das ist recht gewöhnungsbedürftig. Nach meiner Rückkehr lag ich sechs Wochen mit Magen-Darm flach.

In „Wind der Heimat“ sieht man Sie, wie Sie der Häutung eines Schafes beiwohnen.

Das war sehr schwierig für mich! Ich war bei der Freiwilligen Feuerwehr, wenn Sie wollen, stopf ich Ihren Knochen zurück ins Gewebe. Aber was kaputtmachen kann ich einfach nicht.

Aber in dem Moment konnten Sie nicht fliehen.

Im Nachhinein bin ich froh, das erlebt zu haben. Das Tier bekommt einen kleinen Schnitt in den Hals, dann wird ihm die Arterie zugehalten. Es sagt noch einmal Mäh und ist tot. Genau so sollten alle Tiere sterben. Und übrigens: Die Mongolen machen eine hervorragende Blutwurst!

Hat der Film für Sie Nachwirkungen gehabt?

Ayunga ist Mongole, für den spielt Zeit keine Rolle. Der Film ist fertig und benotet worden. Aber angeblich darf er ihn noch nicht zeigen – niemand außerhalb der KHM hat ihn je gesehen.

Hat die 1. Kölner Mongolenhorde Kontakte in die Mongolei?

Wir haben zum Beispiel mit Spenden eine schulische Schreinerwerkstatt finanziert und dutzende ausrangierter Nähmaschinen in die Mongolei bringen lassen. Daher beziehen wir bis heute unsere Hölzer und Stoffe für die Jurten.

Haben Sie echte Mongolen im Verein?

Ja, die Leiterin des Mongolei-Shops in Bonn und eine Mongolin, die mit einem Deutschen verheiratet ist. Wenn die zu unseren Treffen kommt, lebt sie auf: Das ist hier ein Stück Heimat, sagt sie.

Hatten Sie wegen Ihrer Verkleidung schonmal Ärger seitens echter Mongolen?

Nicht wirklich. Die Mongolen hatten hier auf dem Platz mal unter sich Streit. Bei der Feier des Nationalfeiertags hatte einer eine halbzerfetzte mongolische Fahne ins Feuer geworfen und wurde daraufhin von anderen furchtbar verprügelt. Das konnten wir natürlich nicht hinnehmen.

Sondern?

Wir griffen ein, verwiesen die Schuldigen des Platzes. Und dann kamen eben die Vorwürfe: Wieso wir als Deutsche uns da einmischten. Traurig, aber wahr: Der Vorfall ist bis heute nicht vergessen, da sind viele Kontakte abgebrochen.

Reden wir über Blackfacing.

Hören Sie auf!

Ist es für Sie Rassismus, sich das Gesicht schwarz zu malen?

Nein, das ist der größte Kokolores, den es gibt. Speziell mit Köln, mit unserer Mentalität passt das gar nicht zusammen. Mit unserer Verkleidung wollen wir niemanden diffamieren, sondern im Gegenteil Spaß haben und den Menschen Freude bereiten.

Wie sieht es bei den anderen Kölner Stämmen aus?

Nehmen Sie die Ihrefelder Zigeuner: Da sind inzwischen mehrere echte Zigeuner dabei, die sich genau so nennen. Und nicht Sinti oder Roma. Wat soll dä janze Verzäll?!

Würden Sie noch einmal in die Mongolei fahren?

Ja, auf jeden Fall! Dieses minimalistische Leben dort ist eine ganz besondere Erfahrung. Die Toilette ein Loch in der Erde, frisches Wasser nur aus dem Bach, und geheizt wird mit dem Dung der Tiere. Das haben wir hier übrigens mal mit Kamelmist aus dem Kölner Zoo ausprobiert. Hat wunderbar gebrannt – und völlig geruchsfrei!

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