Interview mit Bill Kaulitz„Mein Zwillingsbruder heiratet und ich freue mich für ihn“

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Köln – Quasi über Nacht sind Bill Kaulitz (29), sein Zwillingsbruder Tom, Georg Listing und Gustav Schäfer als Tokio Hotel mit „Durch den Monsun“ zu Popstars und Teenie-Idolen geworden. Nicht wenige dachten wohl, dass es sich dabei um ein kurzzeitiges Phänomen handeln wird, aber auch international startete die Band durch und ist heute mit über zehn Millionen verkauften Tonträgern eine der erfolgreichsten deutschen Bands der vergangenen 15 Jahre. Am 30. April spielen Tokio Hotel im E-Werk. Dominic Röltgen sprach mit dem für seine ausgefallenen Outfits bekannten Sänger über diese Zeit, das Älterwerden und die anstehende Hochzeit seines Bruders mit Heidi Klum.

Ich behaupte mal, hätten wir uns vor 15 Jahren in Köln zum Interview getroffen, wäre das nicht so ruhig vonstattengegangen, und ich hätte es deutlich schwerer gehabt, zu Ihnen durchzukommen.

Das kommt immer drauf an. Wir versuchen sowas mehr inkognito-mäßig zu machen. Ich kündige eigentlich nie vorher an, wo ich hinfahre. Wenn ich das mache, sind doch immer noch Leute vor Ort. Ich versuche, immer ein bisschen unterm Radar zu fliegen. Das klappt manchmal, aber manchmal auch nicht so gut (lacht).

Wenn Sie sich mal in diese turbulente Anfangszeit zurückversetzen, fällt Ihnen dann eine verrückte Erinnerung zu Köln ein?

Wir waren früher ja ziemlich oft hier. Hier waren ja immer die ganzen TV-Shows, Stefan Raab zum Beispiel wurde hier produziert. Verrückt war es meistens immer am Flughafen. Die verrückteste Erinnerung hat aber nichts mit Fans zu tun, sondern mit einem Piloten. Wir kamen nämlich aufgrund der Fans, weil es so voll war und wir nicht richtig durchkamen, zu spät zum Flieger. Und da ist er richtig ausgeflippt, hat eine Durchsage gemacht und meinte: „Diese scheiß Boyband! Wegen denen können wir hier nicht rechtzeitig abfliegen!“ (lacht)

Wenn ich mal ehrlich sein darf. Hätte mir 2005 jemand gesagt, dass ich heute ein Interview mit Ihnen führen würde, hätte ich definitiv bezweifelt, dass es Tokio Hotel dann noch geben wird. Was glauben Sie, wie habt Ihr es geschafft, trotz der immensen Erwartungen noch dabei zu sein?

Ich glaube, was oft vergessen wird: Wir sind seit 19 Jahren eine Band. Tom und ich waren sieben, als wir angefangen haben, zusammen Musik zu machen. Wir sind vordergründig eine Familie und befreundet, und nebenbei arbeiten wir halt auch zusammen. Ich glaube, dass ist der Grund, warum wir immer noch zusammen sind, wir hatten nie dieses Ego-Ding, wie es andere Bands oft haben. Bei uns waren die Rollenverteilungen immer klar. Und wir haben uns ehrlich gesagt nie den Stress gemacht, wir haben nie auf den Druck von außen wirklich geachtet. Außerdem hatten auch den Luxus, dass wir in vielen Ländern touren konnten. Ich glaube, wenn sich das alles nur in Deutschland abgespielt hätte, wer das vielleicht anders gelaufen.

Warum?

Da war gerade am Anfang auch immer viel Negatives dabei, und das hätte uns vielleicht mit der Zeit zermürbt. Das hat uns entspannt, dass wir in Frankreich, Mexiko oder Japan unterwegs waren, so dass wir gar nicht wirklich mitbekommen haben, was hier über uns geschrieben wird.

Toms und Ihr 30. Geburtstag steht dieses Jahr bevor. Haben Sie ein wenig Angst vorm Älterwerden?

Überhaupt nicht. Ich liebe es, älter zu werden. Ich hab mich schon immer viel älter gefühlt, als ich war. Ich finde das toll. Wir sind ja auch alle an unterschiedlichen Punkten in unserem Leben. Gustav etwa hat ein Haus gebaut und hat ein Kind. Aber die Dynamik in der Band hat sich eigentlich nie verändert. Wenn wir jetzt losfahren, ist es immer noch so, als würden wir auf Klassenfahrt fahren.

Apropos Kind und verschiedene Punkte im Leben: Eine Hochzeit steht bevor – die Ihres Bruders mit Heidi Klum. Wie bereiten Sie sich darauf vor?

Ach, eigentlich gar nicht. Ich freue mich einfach nur. Ich glaube, dass wird einfach nur schön. Mein Zwillingsbruder heiratet, er ist glücklich, und ich freue mich für ihn. Ich bin zwar auch in die ganze Planung mit involviert, ich muss jetzt auch einen schönen Bachelorabend organisieren. Aber ich habe ja noch ein wenig Zeit, bis jetzt weiß ich noch nicht einmal, was ich anziehen werde (lacht).

Können Sie schon verraten, ob für Sie bald die Rolle des Onkels ansteht?

Das darf ich nicht verraten, dann bekomme ich Ärger mit Tom (lacht).

Wie haben Sie eigentlich darauf reagiert, als Sie das erste Mal gehört haben, dass Heidi Klum die neue Freundin Ihres Zwillingsbruders ist?

Für mich war das keine Überraschung. Ich war ja dabei…

Wie? Beim ersten Kuss waren Sie dabei?

Ja, da war ich eigentlich auch dabei (lacht). Das war auf einem Geburtstag, und es war quasi Liebe auf dem ersten Blick. Das habe ich natürlich auch direkt gesehen. Ich wusste sofort, okay, die beiden kriegen wir nicht mehr auseinander. Und seit dem Abend sind sie auch unzertrennlich. Deswegen war uns das allen eigentlich sofort klar.

Ein neues Album steht an. Können Sie verraten, in welche Richtung sich das bewegen wird?

Man muss sich das ja so vorstellen. Tom und ich haben in L.A. ein Studio, und eigentlich machen wir permanent zusammen Musik. Eigentlich ist so ein Album immer ein Best-of aus den letzten Jahren, was wir so gemacht haben. Wir sind gerade auch immer noch dabei, wir haben auch noch nicht die finalen Songs für das kommende Album ausgesucht. Ich würde aber sagen, Ende des Jahres kommt es raus. Die Lieder sind alle sehr unterschiedlich, denn ich hasse es, mich zu wiederholen. Die neue Single „When It Rains, It Pours“ ist ja zum Beispiel etwas ganz Anderes, als das Lied davor.

Die neue Show soll ein wenig eine Zeitreise durch die bisherige Karriere werden. Was wird da passieren?

Also wir nehmen natürlich ganz viele der alten Songs mit und spielen auch seit längerer Zeit mal wieder deutsche Lieder. So haben die alten Fans ein wenig Nostalgie, und die neueren lernen kennen, wie es früher war. Und wir machen immer eine riesige Show. Wir sind schon seit sechs Monaten in der Planung und seit vier Wochen intensiv am Proben. Wir wollen immer ein Erlebnis schaffen, an das die Leute sich erinnern. Die Bühne wird zu jeden Song anders aussehen, es gibt ganz viele Kostümwechsel. Es wird gut.

Kommen wir zur letzten Frage. Wenn Tokio Hotel Tiere wären, welches Mitglied wäre welches?

(lacht) Hm, lass mich mal überlegen. Also Gustav wär ein Faultier, weil der ist sehr gemütlich, macht sein Ding und spielt Schlagzeug. Das macht er zwar energetisch, aber er ist halt der Ruhige und sehr gelassen. Der lässt sich von nichts aus der Bahn werfen, ist bei keinem Team-Call dabei und liest auch nie die E-Mails. Der macht sich einfach keinen Stress. Ich dagegen wär so ein aufgeregtes Tier, was immer angezündet ist den ganzen Tag. Ein Erdmännchen vielleicht – oder eine Maus. Tom ist so ein Zwischending. Er wär wahrscheinlich wahnsinnig gerne ein Hund. Und Georg… Was gibt es denn für ein schlaues Tier, so mit ‘ner Brille, was man sich als Bürokraten vorstellen kann?

Eine Eule vielleicht?

Ja, eine Eule ist gut. Weil Georg ist bei uns der Finanztyp. Der weiß immer, was jedes Licht kostet und behält für uns alle die Finanzen im Auge. Etwas, was Tom und ich gar nicht können. Georg ist einfach immer strukturiert und aufgeräumt und sitzt im Büro.

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