Interview mit Björn Heuser vor Mitsingkonzert„Die Isolation bekommt mir gar nicht“

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Björn Heuser singt mit Köln – im Zweifel aus seinem Wohnzimmer. 

Björn Heuser singt mit Köln – im Zweifel aus seinem Wohnzimmer. 

  • Das öffentliche Leben ist aufgrund der Coronakrise nahezu lahmgelegt.
  • Björn Heuser spielt deshalb am Freitag ein virtuelles Mitsingkonzert.
  • Wir haben davor mit dem Musiker gesprochen.

Die wichtigste Frage vorab: Ist die Familie gesund? Ja, wir sind alle gesund und haben das mit der Isolation auch schon seit einigen Tagen sehr ernst genommen.

Nun werden Sie ein Mitsing-Konzert veranstalten. Aber nicht in der Kneipe, sondern auf Facebook. Das wird eine einsame Angelegenheit für Sie.

Das wird sehr einsam, weil mein Sohn dann hoffentlich schon schläft und meine Frau sich um ihn kümmert. Ich werde mein Handy auf einem Stativ befestigen und es mir zu Hause in meinem Kreativraum gemütlich machen. Und ich hoffe, dass viele Menschen einschalten. Das Schöne ist ja, dass ich live die Kommentare der Zuschauer sehen kann.

Freitag, 20.15 Uhr geht es los. Sie treten um diese Zeit in direkte Konkurrenz zu Harry Potter, Godzilla und „Let's dance“ im Fernsehen.

Nein, das wusste ich nicht, weil ich überhaupt kein Fernsehen schaue und keine Programmzeitschrift habe. Aber davon hätte ich das Konzert auch nicht abhängig gemacht. Vielleicht kann ich mit der Musik ja Harry Potter verzaubern. Die Aktion ist ja für Menschen gedacht, die allein zu Hause sitzen oder die sonst bei meinen Konzerten im Gaffel am Dom feiern würden. In dieser Zeit ist es schön, dieses Angebot zu schaffen. Als Künstler fehlt einem auch die Resonanz, wenn man sonst 200 Shows im Jahr spielt. Ich mache das für die Leute, aber auch für mich, um aus dem Hausmann-Trott rauszukommen.

Genau diese akustische Resonanz wird jetzt fehlen, weil Sie vom Mitsingen nichts hören.

Vor einigen Jahren habe ich schon mal ein Facebook-Konzert gespielt und weiß, was mich erwartet. Ich bin froh, dass es den Applaus-Emoji gibt. Aber es stimmt, das fühlt sich komisch an. Ich sitze auf dem Sofa und rede mit meinem Handy. Ich werde aber dazu auffordern, mir anschließend Videos vom Mitsingen zu schicken. In der Regel gibt es sehr viele Kommentare.

Ist die Liedauswahl in der Krisenzeit schwieriger als sonst?

Ich mache mir schon Gedanken, was ich spiele. Denn mir ist nicht nach Party zumute. Im Gegenteil, das wäre mir zuwider. Es wird aber auch kein Konzert für die Tränendrüse. Die Menschen brauchen Farbe und Abwechslung in dieser Zeit, aber die totale Partyschiene werde ich halt nicht fahren. Los geht es wie immer mit „Loss mer singe“ von Wolfgang Anton, damit startet auch jedes Arena-Konzert und jeder Auftritt seit elf Jahren freitags im Gaffel. Dann kann ich mich treiben lassen, eine feste Setliste wird es nicht geben. Es werden aber Lieder sein, die ich sonst auch spiele.

Mitsingkonzert im Netz

Auf Facebook kann das Konzert von Björn Heuser am Freitag, ab 20.15 Uhr verfolgt werden. „Dann singe mer zo Huss!“ hat der Liedermacher das virtuelle Mitsingerlebnis genannt. Präsentiert wird der Auftritt von der Rundschau. Jeden Freitag tritt Heuser schon seit elf Jahren im „Gaffel am Dom“ auf und lädt dort zum Mitsingen ein. Da die Brauhäuser und Kneipen derzeit geschlossen sind, wird der Musiker die kölschen Lieder per Livestream übertragen. Die Zuschauer können bei Facebook Grüße oder Kommentare zurückschicken. (tho)

Mich erreichen jetzt schon einige Liedwünsche wie „4711“, was ich vor einiger Zeit mal für die Klüngelköpp geschrieben habe.

Um 21 Uhr wird Schluss sein.

Genau, dann gehen wir alle klatschen. Beim ersten Mal hatte ich Gänsehaut, denn selbst im eher verträumten Bickendorf haben wirklich viele Menschen mitgemacht als Dank an die Menschen im Gesundheitswesen und die Mitarbeiter in den Supermärkten. Das ist ein schönes Zeichen: Wir sind noch da. Und gemeinsam werden wir diese Zeit überstehen. Wenn ich merke, dass ich nach zehn Minuten allein online bin, gucke ich vielleicht doch Harry Potter. 

Wie schwer fällt Ihnen die soziale Isolation?

Die bekommt mir ehrlich gesagt überhaupt nicht. Wir haben uns ja sozusagen selbst in Quarantäne versetzt zum Schutz aller. Wir sind eine intakte Familie, aber ich brauche auch den Kontakt zu anderen Menschen, viele dieser Einflüsse und Beobachtungen verarbeite ich ja auch immer in meinen Liedern. Ich leide regelrecht darunter, ich würde gerne mal Menschen, die ich mag, sehen und drücken. Denn neben der Kommunikation ist mir Körperkontakt auch wichtig. Ein Handschlag, eine Umarmung. Das Gesellige fehlt – sich mal ins Café zu setzen und einen Tee zu trinken. Zum Glück scheint die Sonne und wir haben einen Garten.

Sie sind gerade Vollzeit-Papa. Ist das die angenehme Seite der Krise?

Mein Sohn freut sich total darüber. Wir haben uns schon jeden Dreigestirns-Auftritt angesehen, den es bei Youtube gibt. Aus allen Jahren. Ich kann fast schon mitsprechen. Außerdem spielen wir viel Fußball im Garten. Für ihn ist die Situation auch neu, weil meine Frau mehr arbeitet als ich. Sie ist derzeit Alleinverdienerin. Und ich hänge Wäsche auf und koche. Wir haben uns hier eine schöne Männer-WG eingerichtet.

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Die Vater-Sohn-Bindung können wir ausbauen. Außerdem lerne ich jeden Tag ein neues Gericht zu kochen. Jede Krise hat etwas Positives, hier ist es die Gemeinschaft. Die ganze Situation führt glaube ich dazu, dass wir wieder mehr Mensch werden, und besinnen und entschleunigen. Auch wenn wir einen hohen Preis dafür bezahlen.

Versteht Ihr Sohn schon, warum die Kita zu hat?

Wir versuchen es kindgerecht zu erklären, er ist drei Jahre alt. Eben hat er mich beim Fußballspielen gefragt, wann die Bakterien kommen. Da schmunzelt man dann drüber. Aber er vermisst seine Großeltern und seine Freunde. Denn sonst sind wir ein lebhaftes Haus mit viel Besuch.

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