Interview mit Hanna Koller„Die meisten Menschen tanzen gern“

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Hanna Koller ist Kuratorin Tanz an den Bühnen Köln.

  • Bernd Imgrund traf die Kuratorin Tanz an den Bühnen Köln.
  • Ein Gespräch über die Domstadt, Männer und Ballett sowie ihre schwäbische Heimat.

Köln – „Die Mittagspausen sind bei uns flexibel“, sagt Hanna Koller. Und so sitzen wir dann am frühen Nachmittag im sonnigen Garten vor dem Depot 1 an der Schanzenstraße.

Zu welcher Musik haben Sie als Mädchen gern getanzt?

Meine Zeit waren die 80er: Supertramp, Pink Floyd, Genesis. Das mochte ich, da konnte ich mich tänzerisch ausdrücken.

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Engtanz oder allein?

Allein! Da kommen mir sofort Bilder in den Kopf: Als ich noch viel auf Konzerte oder in Diskotheken gegangen bin, hat man nicht enggetanzt.

Ihre offizielle Bezeichnung ist Kuratorin Tanz an den Bühnen Köln. Den Ausdruck „Kuratorin“ kennt man eher aus der Kunst.

Da gibt es auch klare Parallelen. Zum einen schaue ich mir europaweit Tanzaufführungen an. . . Auf meine Kosten. Nur so ist es möglich, das hohe Gastspielniveau zu halten. Ich muss die Sachen live sehen und dann natürlich auch gleich den Kontakt vor Ort pflegen, um die schönsten oder interessantesten Tanzabende nach Köln zu holen. Da ich die Sparte allerdings allein vertrete, muss ich für solche Gastspiele auch den Vertrag vorbereiten, ich buche die Hotels und sorge dafür, dass den Tänzern während der Vorstellung Wasser zur Verfügung steht. Ich bin also das Mädchen für alles.

Wo gefällt es Ihnen, wenn Sie unterwegs sind?

Sehr gern bin ich In London, am Sadlers Wells Theater. Vor drei Jahren war ich in Tel Aviv zu einem einwöchigen Tanzfestival eingeladen – das ist dann auch ein Highlight.

Köln hat kein eigenes Tanzhaus. Wie kommen Sie damit klar?

Ich muss für jeden Auftritt eine Bühne suchen. In der Oper im Staatenhaus kriege ich drei feste Termine pro Spielzeit. Im Schauspielhaus bespreche ich mich mit Stefan Bachmann, dem der Tanz sehr wichtig ist. Aber mit einer eigenen Bühne wäre natürlich alles einfacher.

Warum sollte Köln ein eigenes Tanzhaus bekommen?

Weil die dritte Sparte es verdient, eigenständig agieren zu können und eine Stadt wie Köln einfach tanzbegeistert ist. Außerdem braucht der Tanz andere Voraussetzungen als Oper oder Schauspiel. So muss etwa der Bühnenboden für jede Tanzveranstaltung extra vorbereitet werden.

In Ihrer Dankesrede zum Kulturpreis der Stadt sagten Sie, der Tanz werde in Köln eher mau behandelt. Gilt das noch?

Ich habe seitdem mehr Verbündete gefunden, vor allem auch das Land NRW. Gerade eben sind wir, Schauspiel Köln und Tanz Köln, mit einer neuen Compagnie um den Choreografen Richard Siegal gestartet, was durch eine Förderung von Kulturministerin Pfeiffer-Poensgen ermöglicht wurde. Daran beteiligt sich auch die Stadt, und das ist durchaus ein Hoffnungsschimmer für Köln.

Wie haben Sie es geschafft, in diesem wechselhaften Kulturbetrieb schon seit gut zehn Jahren denselben Job auszuüben?

Ich hatte in Köln durchaus auch schlechte Zeiten. Heute läuft es gut, es gibt keinen Anlass für Kritik.

Es geht also aufwärts mit dem Tanz in Köln?

Zunächst einmal: Der Tanz hat in dieser Stadt einst viel bessere Zeiten erlebt. Als ich jung war, bin ich als Tänzerin von Stuttgart nach Köln gefahren, um an der von der Tanzhochschule organisierten Sommerakademie teilzunehmen. Da kamen junge Tänzer aus ganz Europa. Auch gab es hier mit dem Tanzforum Köln eine sehr große Compagnie. All das ist nicht mehr, aber sagen wir so: Dafür, dass wir uns hier in Mülheim oder Deutz in einem Interim befinden, ist die Entwicklung wirklich sehr positiv.

Freuen Sie sich auf den Offenbachplatz, so in dreißig, vierzig Jahren?

Das hiesige Depot 1 ist großartig für Tanz, auch internationale Compagnien lieben diesen Ort. Aber ich würde mich freuen zurückzukehren, ja.

„Ich tanze nur, wenn meine Felder Regen brauchen“, hat man früher vor allem von bockigen Jungs gehört. Was ist daran dumm?

Eigentlich tanzen die meisten Menschen gern, wenn sie ihre Hemmungen ablegen. Tanz ist ein gutes Ausdrucksmittel, er entspannt und macht Freude.

Wo kommen die angesprochenen Hemmungen wohl her?

Ich glaube, das hat viel mit Erziehung zu tun. Viele Mädchen kommen irgendwann mit Ballett in Berührung, Jungen eher nicht. Meine beiden Söhne waren allerdings im Kinderballett – gern!

Nun ja, kein Wunder bei der Mutter. Und was ist aus denen geworden?

Der eine studiert Sport, der andere hat gerade in London seinen Master in International Management gemacht. Der tanzt dann demnächst eher auf dem Vulkan der globalen Wirtschaft.

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Sie sind gebürtige Schwäbin. Haben Sie, nach mehreren Jahrzehnten Köln, den Eindruck, dass es einen spezifisch rheinischen Umgang mit Kultur gibt?

Ja. Im Vergleich etwa zu Stuttgart geht es hier viel emotionaler zu. Dort würde man sein Theater nie in Frage stellen, keine der Sparten. Das bürgerliche Publikum hat sein Abo, und selbst wenn man den aktuellen Intendanten mal nicht liebt, geht man hin. In Köln hingegen gibt es diese bürgerliche Tradition eher weniger, dafür zelebriert man hier den Karneval wie kaum in einer anderen Stadt. Aber ich muss direkt dazusagen: Ich habe hier ein wahnsinnig tolles Tanzpublikum, auf das ich sehr stolz bin!

Die Hochschule für Tanz ist der Musikhochschule angegliedert. Kooperieren Sie mit dem Nachwuchs dort?

Je nach Gastcompagnie bieten wir zum Beispiel Workshops für die Studenten und die freie Szene an. Dann gehen ein, zwei Tänzer oder auch der Choreograf in die Hochschule und unterrichten. Ab und zu sehe ich mir auch Vorstellungen dort an, da gibt es immer wieder interessante Sachen.

Gibt es für Sie im Tanz eine E- und U-Grenze?

Weil ich mehrmals darauf angesprochen wurde, habe ich mir im Fernsehen Let´s Dance angesehen. Damit kann ich persönlich tatsächlich wenig anfangen. Spricht aber viele Menschen offenbar an. Das ist eine ganz andere Art von Genuss, ich will das gar nicht bewerten.

Haben Sie sich nie Musicals angesehen?

Doch, durchaus, und sogar gerne. Bei Cats zum Beispiel wirken ganz großartige Tänzer mit.

Werden die Begriffe Tanz und Ballett synonym benutzt?

Ja, das kann man heute eigentlich nicht mehr auseinanderhalten, weil die Grenzen verschwimmen. Mit Ballett meinte man früher den klassischen Spitzentanz. Richard Siegals Compagnie, die ja bei uns jetzt zwei Jahre zu Hause ist, nennt sich Ballet of Difference. Seine Tänzerinnen tanzen wie auch ein Mann auf Spitze, aber das ist trotzdem kein klassisches Ballett, sondern eine Weiterführung des klassischen Tanzes auf Spitze.

Dem halbwegs gebildeten Menschen fallen bei Tanz Pina Bausch und der kürzlich verstorbene, sehr politische Johann Kresnik ein. Wird deren Arbeit noch lange nachhallen?

Pina Bausch hat alle zeitgenössischen Choreografen, auch die erfolgreichsten beeinflusst. Mit Hans Kresnik habe ich selbst gearbeitet – ein Stück nach einem Text von Rainald Goetz. Das war unglaublich bereichernd für mich, aber ich denke, sein Einfluss heutzutage ist sehr begrenzt. Das war relevant in den 80ern und 90ern, aber die Zeit für diese Formen von politischem Tanztheater ist vorbei.

Sie waren selbst einst Tänzerin.

Das war eine schwierige Zeit für mich. Ich habe spät angefangen, klassischen Tanz studiert, und meine körperlichen Voraussetzungen waren nicht optimal. Ich habe auf der Bühne viele Sachen gemacht, die für mich nicht erfüllend waren. Ehrlich gesagt gab es nur wenige Produktionen, die mir wirklich viel gegeben haben. Die unter Hans Kresnik gehört dazu. Deshalb habe ich dann auch recht schnell die Seiten gewechselt.

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