Interview mit Kölner Infektiologin„Bei den Impfungen zählt jeder Tag“

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Lehmann Impfstudie

Professorin Clara Lehmann warnt vor steigenden Infektionszahlen und vollen Kliniken.

  • Professorin Clara Lehmann leitet das Infektionsschutzzentrum der Uniklinik und die Studie zum Impfstoff der Firma Curevac.
  • Thorsten Moeck sprach mit ihr über die Entwicklung der Krise, über Schnelltests, Infektionen und das normale Leben

Auch in Köln können sich die Menschen jetzt kostenlos auf Corona testen lassen. Ist das ein Gewinn? Es ist ein Werkzeug, was nützlich sein kann, weil man hochpositive Menschen identifizieren kann. Wir haben in unserem Infektionsschutzzentrum Patienten sitzen, bei denen der Schnelltest positiv ausgefallen ist, das können wir dann bestätigen. Aber man muss die Grenzen kennen und wissen, dass auch ein negatives Schnelltestergebnis keine absolute Sicherheit bedeutet.

Die Impfungen haben begonnen. Aber die Infektionszahlen steigen wieder.

Ich sehe jeden Tag die positiven Befunde und bin auch heute wieder erschüttert. Die Zahlen steigen wieder an. Jeder Tag zählt. Wir müssen mit den Impfungen so schnell wie möglich in die Breite gehen.

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Aber neben dem Testzentrum an der Messe sollen nur in fünf Hausarztpraxen pro Stadt oder Landkreis geimpft werden.

Wie soll das in einer Millionenstadt funktionieren? Wir können die dritte Infektionswelle nur abwenden, wenn wir in den nächsten Wochen richtig Gas geben. Das funktioniert nur so. Seit dem Herbst läuft in der Kommunikation in Sachen Impfungen und jetzt bei den Schnelltests aber vieles schief.

Politik und Bevölkerung schauen täglich auf die Inzidenzzahlen. Auf welche Zahlen schauen Sie?

Die Inzidenzzahl ist wichtig, ich schaue mir aber auch die Zahl der Tests an, die Todesrate und die Krankenhausaufnahmen.

Die Zahl der Coronatoten sinkt allmählich. Macht das Hoffnung?

Das macht mir natürlich Hoffnung, sollte uns aber nicht zu dem Glauben verführen, durch die Impfungen sei das Problem gelöst. Es wird jetzt immer mehr geöffnet – die Infektionszahlen werden steigen. Und die Infektionen geschehen durch die Virus-Varianten schneller. Ich erwarte, dass wir demnächst auch Menschen in den Krankenhäusern behandeln, die jünger als 80 Jahre sind. Wir sind nicht aus dem Schneider.

Oft ist von der Rückkehr zur Normalität die Rede. Wird es jemals wieder so sein wie vor der Pandemie?

Wir brauchen noch ein Jahr, also bis zum Frühjahr oder Sommer 2022, bis wieder Großveranstaltungen möglich sind. Wobei wir uns kulturell ändern müssen und ähnlich wie die Asiaten häufiger Masken tragen. Wir werden unser Verhalten ändern müssen. Vielleicht sind Veranstaltungsbesuche auch nur mit Impfnachweis möglich.

Das wäre dann eine Impfpflicht durch die Hintertür. Aber es scheint keine Alternative zu geben, um das öffentliche Leben anzukurbeln.

Impfzwang klingt sehr negativ. Ich halte die Impfung für das Beste, was in der Medizingeschichte je erfunden worden ist. Das ist etwas sehr Positives, das wird leider oft vergessen. Vielleicht werden auch die Schnelltests weiter verbessert.

Seit einem Jahr beschäftigt uns alle die Pandemie. Es gibt drei zugelassene Impfstoffe in Deutschland. Das ist rekordverdächtig.

Es ist Wahnsinn, was da geleistet worden ist. Die Impftechnologie war bekannt, aber es ist eine unglaubliche Leistung, das in so kurzer Zeit zu schaffen. Unsere Impfstudie beschäftigt mich rund um die Uhr. Nur so bekommt man die Pandemie unter Kontrolle.

Es weiß noch niemand, wie lange der Impfschutz besteht.

Nein, aber man weiß, dass die Immunantwort nach einer Impfung besser und stärker ist als nach einer natürlichen Corona-Erkrankung. In welchem Abstand Wiederholungsimpfungen stattfinden müssen, kann noch niemand sagen.

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