Interview mit Mike KremerMiljö-Frontsänger erzählt von seiner veganen Lebensweise

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Eines seiner veganen Lieblings-Restaurants: Sänger Mike Kremer vorm MeiWok Vegan auf der Venloer Straße.

Eines seiner veganen Lieblings-Restaurants: Sänger Mike Kremer vorm MeiWok Vegan auf der Venloer Straße.

  • Mike Kremer, Frontsänger der Kölner Band „Miljö“, hat sich mit unserem Autor zum Interview getroffen
  • Dabei ging es allerdings nicht um die Musik, sondern um seine vegane Lebensweise

Köln – Zum anderen Gespräch kam Sänger Mike Kremer mit dem Rad. Eine Stunde dauerte die Fahrt aus Höhenhaus. Anderthalb Stunden  sprach Kremer mit Simon Westphal nicht über die Musik, sondern über sein Leben als Veganer.

Halve Hahn oder Himmel und Äd mit Flönz: Die kölsche Küche ist nicht wirklich was für Veganer, oder?

Stimmt, im Brauhaus kannst du es als Veganer vergessen. Ich liebe eigentlich die Geselligkeit im Brauhaus und natürlich auch das Kölsch. Ich war letzte Woche noch im „Lommi“, da gibt’s auf der ganzen Karte kein veganes Gericht. Außer Salat ohne Dressing oder Pommes mit Ketchup. Pommes mag ich aber auch gerne.

Wie ist es sonst um die vegane Szene in Köln bestellt?

Da sind wir gut aufgestellt. Deutschlandweit sind wir unter den ersten fünf Städten.

Sie sind seit vier Jahren Veganer. Warum?

Ich habe mich in meiner Jugend- und Studentenzeit nie mit Ernährung beschäftigt und extrem viel Fast-Food gegessen. Seit meinem 19. Lebensjahr hatte ich eine chronische Darmerkrankung. Das war eine Zeit lang mal so schlimm, dass ich viele Medikamente nehmen musste. Als ich dann gelesen habe, dass es sich bei einigen Leute durch vegane Ernährung gebessert hat, habe ich dann von heute auf morgen auf alles verzichtet.

Und hat sich etwas verbessert?

Innerhalb von wenigen Wochen ging es mir so gut wie noch nie, also habe ich es beibehalten. Gestern habe ich einen Bluttest gemacht. Meine Werte sind perfekt. Mangelerscheinungen habe ich auch nicht.

Beschäftigen sie sich auch mit Nachrichten rund um das Thema? Zum Beispiel mit geschredderten Küken oder bei lebendigem Leib ausblutenden Rindern?

Auf jeden Fall. Aber das hat erst nach der Umstellung angefangen. Ich habe mich ins Thema Veganismus eingelesen und mich damit auseinander gesetzt. Jetzt bin ich nicht nur aus gesundheitlichen Gründen überzeugter Veganer, sondern auch aus ethischen und ökologischen Gründen.

Gelten Veganer in der Öffentlichkeit immer noch als Freaks?

Nicht mehr. Vor vier Jahren war das noch anders. Da wurde man eher als Hippie oder Aktivist abgestempelt. Mittlerweile ist es anders. Gerade auch der ökologische Aspekt – Veganer haben einen zehn mal kleineren ökologischen Fußabdruck – rückt das Thema vom Rand immer mehr in den Fokus. Auch wenn sie nicht direkt Veganer werden, reduzieren viele Menschen ihren Fleischkonsum.

Kochen Sie viel selbst?

Ja, ich bin ein leidenschaftlicher Koch und liebe es, mein Essen selbst herzustellen. Ich recherchiere auch Rezepte und lasse mich im Internet berieseln. Ich habe auch einen Gemüsegarten, wo ich dann rausgehe und eine Chili oder Mangold pflücke. Da weiß ich dann auch, wo es herkommt und dass es nicht mit Pestiziden belastet ist.

Was ist mit Grillen im Sommer?

Machen wir auch gerne. Auch vegane Würstchen schmecken gut. Oder gegrillte Paprika. Da gibt es viele Möglichkeiten.

Gibt es eine Lieblingszutat?

Den veganen Sahneersatz finde ich super. Den benutze ich immer für Soßen. Überall ein Spritzer rein, das macht eine Menge aus. Ansonsten esse ich eigentlich alle Gemüsesorten sehr gerne. Wir kriegen per Abo einmal in der Woche eine Biokiste, in der saisonales Gemüse drin ist, das in der Region angebaut wird. Da sind auch immer Rezeptvorschläge drin, aber anbraten geht eigentlich immer.

Zur Person

Der gebürtige Kölner Mike Kremer (33) ist Frontsänger und Texter der Band Miljö. Mit seiner Frau und seinen beiden Töchtern (2 und 4) lebt der studierte Informatiker in Höhenhaus. Den großen Durchbruch schafften Kremer und seine Band 2015 mit dem Song „Su lang die Leechter noch brenne“. Es folgten Hits wie „Wolkeplatz“ oder „Kölsch statt Käsch“.

Nach seinem Informatik-Studium an der RWTH Aachen arbeitete Kremer bis Anfang des Jahres als Software-Entwickler. Er entwickelte das Buchungssystem für Künstler „Stage Timer“, das auch einige kölsche Bands nutzen.

Neben der Musik seiner eigenen Band, produziert Kremer auch Songs für andere Künstler, als Texter und Komponist arbeitet er auch für Ballermann-Sänger Mickie Krause. Mit Miljö präsentiert Kremer am Freitag, 25. Oktober, die neue EP der Band im E-Werk.

Seit vier Jahren lebt Kremer vegan. Veganer verzichten auf Nahrungsmittel tierischen Ursprungs. Neben Fleisch also auch auf Milchprodukte, Eier und Honig. (sim)

Irgendwann mal rückfällig geworden?

Wir waren mit den Kindern auf einem Bio-Bauernhof, wo die Hühner frei rumgelaufen sind. Da dachte ich mir: Auf so ein Ei habe ich jetzt richtig Bock. Da habe ich mir dann ein Spiegelei gemacht. Aber weil ich gesehen habe, wie die Hühner auf der Wiese gehalten wurden, war das für mich auch ethisch vertretbar. Fleisch oder Milch habe ich aber nie mehr angerührt und vermisse es auch nicht.

Liegt das auch an den guten Ersatzprodukten?

Vor vier, fünf Jahren gab es noch nicht so viel. Da gab es zwar eklige Tofu-Würstchen, heutzutage gibt es Würstchen, die sehen aus wie Würstchen, die schmecken wie Würstchen und man muss auf nichts verzichten. Was ich ein bisschen vermisse, ist ein Ofenkäse, in den man zum Beispiel Brot reintunkt. Oder ein Käsefondue. Das habe ich super gerne gegessen. Der Käseersatz lässt immer noch ein bisschen zu wünschen übrig, aber auch da gibt es Möglichkeiten. Es gibt übrigens auch extrem gutes veganes Eis auf Mandelmilch-Basis.

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Sie haben zwei Kinder. Leben die auch vegan?

Ich will Ihnen das nicht aufzwingen. In der Kita gibt es zum Beispiel auch konventionelles Essen wie Frikadellen und Würstchen. Meine Frau isst zuhause auch gerne mal Käse. Ich will da auch niemandem etwas verbieten. Ich versuche den Kindern aber beizubringen, wo das Essen herkommt und dass da eine ganze Menge Leid hinter steckt.

Zum Beispiel?

Viele denken ja, Milch kommt aus dem Euter der Kuh, das ist doch kein Leid. Aber sie werden in kleinen Ställen eingepfercht, ihnen werden ihre Kälber entrissen, sie werden sogar zwangsbesamt. Man kann nicht hundertprozentig Feminist sein und für die Rechte von Frauen einstehen, wenn man Käse isst und Milch trinkt. Unterm Strich ist das genau die gleiche Sache. Man kann auch kein Vollblut-Pazifist sein, wenn man ein Steak isst. Da werden Tiere im Schlachthaus auf Kommando getötet, weil du die Nachfrage erhöhst.

Was muss sich in der Gesellschaft ändern?

Wenn wir so weiterleben wie jetzt, sehe ich schwarz für die Klimaziele, die wir uns gesetzt haben. Man könnte mit einfachen Mittel, dem Verzicht auf Fleisch, so viel tun für das Klima. Da wird auch in den Schulen zu wenig drüber aufgeklärt. Keiner ist der perfekte Mensch und kann alles machen. Doch jeder sollte bei sich anfangen und seinen Teil dazu beitragen.

Was läuft genau falsch?

Wenn die Politik rein nach ethischen Richtlinien handeln würde, dann müsste sie eigentlich alle Produkte von Monsanto verbieten. Für Glyphosat gibt es Studien, die belegen, dass es krebserregend ist. Und es wird nicht verboten. Das verstehe ich nicht. Wahrscheinlich, weil die Agrar-Lobby und gerade Monsanto Milliarden irgendwo unter die Tische schiebt. In dem Bereich steckt soviel ökonomisches Potential, dass andere Sachen unwichtig werden.

Geht Ihre vegane Lebensweise über das Essen hinaus?

Mittlerweile schon. Ich kann es nicht übers Herz bringen, wenn ich sehe, wie lebenden Kühen die Haut abgezogen wird, um Leder herzustellen. Deswegen kaufe ich nur vegane Kleidung. Die Kleidung ist zwar ein bisschen teurer. Aber wenn ich 20 Euro mehr für ein paar Schuhe zahle und ein gutes Gewissen habe, dann ist es mir das auch wert.

Wie läuft es unterwegs auf Tour?

Es gibt bei größeren Auftritten immer eine Bühnenanweisung, wo drauf steht, was wir auf der Bühne und dahinter brauchen. Da steht auch drauf, dass wir ein veganes Essen brauchen. Leider lesen die Veranstalter das nicht immer so genau. Wenn sie es lesen, dann ist es aber nie ein Problem.

Haben Sie Freunde, die sie überzeugt haben von ihrer Lebensweise, weil sie gesehen haben, dass Veganismus vielleicht etwas Gutes ist?

Es gab ein paar Leute, die zwar nicht vegan geworden sind, sich aber mehr mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Da ich mehr oder weniger eine Person des öffentlichen Lebens bin, auch wenn ich mich selbst in Köln als F-Promi bezeichne, habe ich immer ein bisschen die Hoffnung, dass Leute sich Gedanken machen, wenn sie mitkriegen, dass ich Veganer bin.

Haben Sie auf der Bühne schon mal ein Statement rausgehauen?

Einmal habe ich einen Witz gemacht. Da war ein Bratwurststand und dann habe ich „Veganerparadies“ gesagt. Da muss man auch ein bisschen mit Ironie rangehen. Wenn man mit dem Thema von null auf hundert ankommt, fühlen sich viele Leute vielleicht auch ein bisschen angegriffen. Da bringt es auch nichts, den Missionar zu spielen.

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