Interview mit Norbert Hilgers„Heimat ist ein Gefühl“

Lesezeit 6 Minuten
Neuer Inhalt

„Ene Püngel Arbeit“ hat Norbert Hilgers als Baas des Heimatvereins Alt-Köln – auch, weil er den Verein modernisieren will.

  • Als Baas des Heimatvereins Alt-Köln trat Norbert Hilgers in die Fußstapfen seines Bruders Heribert.
  • Bernd Imgrund sprach mit dem 73-Jährigen über viel Kölsches und sein Hobby Musik.

Köln – Zum Gespräch hat er eine dicke Pressemappe mitgebracht. Zwischen Broschüren, Aufklebern und einem Schreibblock: der Aufnahmeantrag. So muss man als „Baas“ bewaffnet sein!

Was bedeutet das „Alt“ in „Heimatverein Alt-Köln“?

Tja, vor ein paar Jahren gab es eine Abstimmung darüber, ob der Name geändert werden soll. Manche wollten das „Alt“ weghaben. Aber unser Verein heißt eben seit der Gründung 1902 so, deshalb wurde der Antrag mit großer Mehrheit abgelehnt. Hinsichtlich der jüngeren Generation mag das hinderlich sein, aber die Tradition ist uns wichtig.

Auch die „Heimat“ ist geblieben. Was bedeutet Ihnen das Wort?

Ich bin vor 73 Jahren in Köln geboren worden. Heimat ist ein Gefühl, und hier fühle ich mich zuhause. Ich war viel unterwegs als Vertriebsleiter. Wenn man etwa von Osten oder Westen aus auf Köln zufährt und den Dom sieht, dann ist das ein schwer zu beschreibendes Glücksgefühl. Haben vielleicht auch nur die Kölner, ich glaube nicht, dass Düsseldorfer sowas kennen. (lacht)

Sie sind jetzt seit einem Jahr Vorsitzender. Was hat der Verein in letzter Zeit gemacht?

Wenn Sie auf der Straße nach uns fragen, werden Sie merken: Uns kennt kaum jemand. Früher war die Kölner Hautevolee Mitglied bei uns, heute suchen wir Mitglieder. Meine Aufgabe sehe ich vor allem darin, den Verein zu beleben und die Außenwirkung zu verbessern. Wir machen seit Jahren Veranstaltungen: Musik, Mundartlesungen, Führungen und Ähnliches. Das alles muss wieder bekannter werden.

Ihr Bruder Heribert A. Hilgers war von 1980 bis 2004 einer Ihrer Vorgänger als Baas. An der Universität kannte ich ihn als recht strengen Germanistikdozenten.

Den „HAH“ kannte praktisch jeder in Köln. Er war ein 500-prozentiger, der hat dir jeden Grammatik- und Kommafehler in deinen Texten ellenlang begründet.

Ich habe von ihm das angeblich längste kölsche Wort gelernt: Kanalljevüjjelcheszüngelcheszüppcheszäusje.

Im Kölschen war er überaus streng. Mit der Schreibweise vom Wrede beziehungsweise der Akademie för uns kölsche Sproch hatte er des Öfteren Probleme.

Da schreibt man das hochdeutsche g statt das kölsche j: M´r gonn en d´r Gaade statt M´r jonn en d´r Jaade.

Ja, das war ein ewiger Streitpunkt. Im Heimatverein schreiben wir das j, weil man das eben auch so ausspricht. Wie soll ein Fremder das auch sonst verstehen.

Zur Person

Norbert Hilgers wurde 1947 in Köln geboren. Nach der Mittleren Reife absolvierte er eine Ausbildung zum Elektroinstallateur. Acht Jahre war er als Zeitsoldat bei der Bundeswehr, um danach in verschiedenen Berufen zu arbeiten. Unter anderem war er in der Personalabteilung der Uniklinik beschäftigt und zuletzt 25 Jahre lang Vertriebsleiter einer Firma für Notfallmedizin.

Parallel zum Berufsleben war stets die Musik ein Teil seines Lebens. Als Jugendlicher lernte er Cello, gründete aber als Leadsänger und Gitarrist mehrere Beatbands.

Seit 2019 ist er Baas, also Vorsitzender des 1902 gegründeten Heimatvereins Alt-Köln. Den Posten hatte von 1980 bis 2004 sein inzwischen verstorbener Bruder, Privatdozent Dr. Heribert A. Hilgers, Buchautor und Germanist an der Universität Köln, inne.

Norbert Hilgers wohnt in Porz-Eil.

www.heimatverein-alt-koeln.de

Posthum erschien von ihrem Bruder ein Buch über das Wörtchen „Alaaf“. Was heißt das denn jetzt?

O weia, jetzt fragen Sie mich aber ab! Mein Bruder hat das als Kölschprofessor wissenschaftlich genau aufgedröselt. Letztlich heißt es so etwas wie „Köln obenauf“.

Sind Sie als Baas vor allem Repräsentant, der einschlägige kölsche Veranstaltungen besucht?

Ja und nein. Neben der sehr wichtigen Repräsentation des Vereins bin ich als Vorsitzender eher in vielen Bereichen aktiv, etwa in Sachen Digitalisierung, PR und Marketing.

Warum haben Sie das Amt übernommen?

Eigentlich wollte ich ja gar nicht Vorsitzender werden... In 2018 gab es keinen neuen Kandidaten, aber einen Übernahmeversuch mit viel Tohuwabohu. Dem Vorstand zu helfen, hätte mir gereicht. Es folgte ein Jahr ohne Baas, und in 2019 habe ich dann an meinen Bruder gedacht und das Amt übernommen. Un jetz es et ene Püngel Arbeit!

Sie wollen den Verein modernisieren. Aber die Mitgliederzahlen sind doch von einst knapp 2000 auf rund 1500 gesunken.

Eine meiner ersten Amtshandlungen war, eine Statistik zur Altersstruktur aufzustellen. Wir hatten 13 Mitglieder von über 95, ich habe letztes Jahr drei Hundertjährige geehrt. Dazu kamen 58 Mitglieder zwischen 90 und 95. Bei 50 geht die Kurve dann abrupt runter, weil wir kaum junge Leute bei uns haben. Das ist ein Problem, und schaut man in die Zukunft, kann das böse enden.

Das könnte Sie auch interessieren:

Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Wir müssen dringend in den Kitas und Schulen aktiv werden, da muss man Kontakte aufbauen. Aber unser Archiv wird gerade umgelagert, wir digitalisieren unsere Hefte, es gab Ausfälle im Vorstand, und ich hatte sieben Jobs auf einmal. Inzwischen sind wir jedoch auf einem guten Weg.

Recht bekannt ist Ihre Theatergruppe, die Kumede. Machen die sowas Ähnliches wie früher das Millowitsch-Theater?

Nee, der hat seine Stücke ja eingedeutscht! Bei uns läuft das – wie et sich jehööt auf Kölsch, manche Stücke werden extra in den Dialekt übersetzt. Im weitesten Sinne sind das Schwänke zur Unterhaltung.

Sie sind neben Ihrem Beruf lange Jahre auch musikalisch aktiv gewesen.

Wir waren zuhause alle musikalisch, Weihnachtslieder sangen wir fünfstimmig. Ich habe mit elf Jahren am Apostelgymnasium wegen der 100-Jahrfeier in 1960 von der Stadt ein Cello und Unterricht bekommen. In fast allen Hauptfächern sackte ich in der Zeit von Zweien runter auf Fünfen. Letztlich haben mich das Cello und das Engagement im Schulorchester das Abitur gekostet, aber ich habe das nie bereut.

Damals begann auch die große Zeit der Beatmusik.

Allerdings! Ich habe mit dem Cello Vivaldi gespielt, und abends mit der E-Gitarre Beatsongs gecovert. Wir sind dann später bei Tanzschulen, im Gürzenich und in Lokalen aufgetreten.

Sie sind in Sülz aufgewachsen.

Ja, in der Lechenicher Straße. Man sagte damals, vom Gürtel aus bis zur Redwitzstraße ist Sülz noch einigermaßen bürgerlich, aber jenseits davon, in der „Palantermannsjass“, wohnen die Kraade. An der Ecke Gustavstraße wohnte zum Beispiel der Peter Müller, die Aap. Aber ich habe da als kleiner Junge die Kirchenzeitung ausgetragen, eigentlich ist mir nie was passiert.

Wie ging Ihre dann Karriere weiter?

Musik gemacht wurde damals immer – ich war Rhythmusgitarrist und Sänger. Während der ersten vier Jahre als Zeitsoldat habe ich mit meiner Band über Monate an den Wochenenden in Tanzbars und natürlich an Karneval gespielt.

Fööss oder Höhner?

Mir sind die Bläck Fööss näher. Die Lieder schauen dem Volk aufs Maul, die stehen für mich in der Tradition vom Ostermann. Die Höhner machen ja heute meist eher Partymusik und werden nicht umsonst auf dem Oktoberfest gespielt.

Wir haben bewusst nicht über Corona geredet. Übersetzt aus dem Spanischen heißt das Krone, Heiligenschein oder Tonsur. Was wären die kölschen Entsprechungen?

Krun un Hillijesching sind klar. Aber Tonsur?

Vielleicht Pläät?

Ja und nein. En Pläät kritt m´r, en Tonsur määt m´r sich selvs.

Stimmt, dann bleibt das unübersetzt.

Rundschau abonnieren