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Interview mit Radkomm-Vorsitzender„Das Straßennetz ist völlig überdimensioniert“

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Ute Symanski, Vorsitzende des Mobilitätsvereins Radkomm.

Köln – Die Volksinitiative „Aufbruch Fahrrad“ hat erreicht, dass NRW ein Fahrrad- und Nahmobilitätsgesetz bekommt. Die Initiatoren fordern Nachbesserungen an dem im März vorgestellten Gesetzentwurf. Michael Fuchs sprach mit Dr. Ute Symanski, Vorsitzende des federführenden Vereins Radkomm aus Köln.

Was ist Ihre zentrale Forderung?

Den Anteil des Radverkehrs in NRW bis 2025 auf im Schnitt 25 Prozent zu steigern. Diese Jahreszahl steht nicht im Gesetzentwurf, ist aber unerlässlich. Angesichts des Klimanotstands müssen wir Tempo machen. Konkret fordern wir bis dahin unter anderem 1000 Kilometer Radschnellwege für Pendlerinnen und Pendler, 300 Kilometer überregionale Radwege pro Jahr und eine Million neuer Radabstellplätze.

Aktuell macht der Radverkehr in NRW 8 bis 10 Prozent aus. In vier Jahren auf 25 Prozent zu kommen, scheint unrealistisch zu sein...

Nein, wir können das schaffen. Aber dafür reicht es nicht, mehr Radwege zu bauen. Wir müssen zügig und im großen Stil bestehende Straßenflächen für den Radverkehr umwidmen. NRW hat das dichteste Straßennetz in Deutschland. An vielen Stellen, vor allem in den Städten, ist es heute für den Autoverkehr völlig überdimensioniert. Diese Flächen müssen wir nutzen, um die Bedingungen für Radfahrende und Zufußgehende zu verbessern.

Was fordern Sie für Köln?

Auf allen mehrspurigen Straßen in Köln muss sofort eine Kfz-Spur in breite, komfortable und sichere Fahrradstreifen umgewidmet werden, auch auf der Rheinuferstraße. Für Autos reicht der Platz trotzdem, das belegen Verkehrszählungen. In jedem Veedel muss man schauen: Welche zentralen Straßen kann man autofrei machen, zu Gunsten von Fuß- und Radverkehr? Zum Beispiel in Ehrenfeld die Venloer Straße oder in Lindenthal die Dürener Straße.

Bei solchen Forderungen gibt es aber viel Kritik von Autofahrern und Einzelhändlern, die um ihr Geschäft fürchten...

Das brauchen sie nicht, im Gegenteil. Wenn Einkaufsstraßen zu Fußgängerzonen werden, wächst nicht nur die Lebensqualität, auch die Umsätze der Händler steigen um 30 bis 40 Prozent. Das zeigt etwa das Beispiel der Mariahilfer Straße in Wien. In Köln hat Politik und Verwaltung dafür bisher leider der Mut gefehlt.

Für Pendler, die lange Strecken fahren, etwa aus dem Umland, ist der Umstieg aufs Rad nicht so leicht wie für Städter, die ihr kaum benutztes Auto abschaffen...

Ich kenne viele, die sich für die Fahrt zur Arbeit ein E-Bike angeschafft haben und begeistert sind. Die sagen: Das ist ein ganz neues Lebensgefühl, jetzt bin ich täglich draußen an der frischen Luft, warum bin ich nicht früher umgestiegen? Für wen das nicht in Frage kommt, für den muss es deutlich bessere Bus- und Bahnangebote geben.

Wie soll das bezahlt werden?

In NRW wird weiterhin wahnsinnig viel Geld für den Bau neuer Straßen ausgegeben. Davon muss mehr in den Radverkehr sowie Bus und Bahn investiert werden. Mit dem Gesetz wird das Fahrrad gleichberechtigt. Da darf es nicht bei Worten bleiben.

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Sie wollen, dass 25 Prozent der Haushaltsmittel und des Personals in der Verkehrsplanung für nachhaltige Mobilität eingesetzt werden sollen. Gilt das auch für Köln?

Ja, es wäre toll, wenn die Stadt dem kleinen Team des Fahrradbeauftragten mal einen Teil ihrer rund 400 Verkehrsplaner zur Verfügung stellen würde. Was könnte man damit alles erreichen! Die Stadt muss mehr Mut und Fantasie entwickeln, um den Radverkehr im Sinne der Nachhaltigkeit voranzubringen.

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