Interview zu Lieferdiensten„Der Markt wird sich irgendwann ausdünnen, auch in Köln“

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Auch unterwegs in Köln: Der Lebensmittel-Lieferservice Getir

  • Stephan Rüschen ist Professor für Lebensmittelhandel an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Heilbronn.

Köln – Das Angebot an Blitz-Lieferdiensten wächst rasant. Ist für so viele Anbieter dauerhaft Platz auf dem Markt?

Nein, der Markt wird sich irgendwann ausdünnen. Zwei bis drei Anbieter könnten sich zumindest in Großstädten wie Köln durchsetzen. Daneben ist dann wahrscheinlich noch Platz für Anbieter mit einer Spezialisierung auf bestimmte Zielgruppen oder Produkte, etwa durch die Lieferung von türkischen und arabischen Lebensmitteln.

Was müssen Anbieter tun, um zu denen zu gehören, die übrig bleiben?

Die Anbieter, die am schnellsten groß werden, die meisten Kunden gewinnen und binden können, werden am Ende übrig bleiben. Der Kampf um die Kunden ist bereits in vollem Gange. Um Kunden die Einstiegsschwelle zu nehmen, setzen die Anbieter aktuell vor allem auf Rabatte. Flink hat zuletzt mit einem Rabatt von zwölf Euro bei einem Einkaufswert ab 20 Euro geworben. Das ist ein gutes Mittel, aber natürlich nicht profitabel. Doch die Beziehung zum Kunden ist wertvoll.

Warum pumpen Investoren so viel Geld in eine Branche, die weit davon entfernt ist, profitabel zu sein?

Weil man davon ausgeht, dass der Markt groß ist und dass man einen großen Marktanteil bekommen kann. Erst mit einem großen Marktanteil, kann das Geschäft profitabel werden. Die Investitionen sind eine Riesenwette auf die Branche.

Welche Zukunft hat die Branche?

Die Vision geht weit über Lebensmittellieferungen hinaus, auch deswegen ist die Branche so interessant für Investoren. Die Fantasie, was man noch alles liefern könnte, ist groß. Etwa im Bereich Arzneimittel, auch wenn es schon auf diesen Bereich spezialisierte Anbieter gibt. Die Idee, Kundenware innerhalb kürzester Zeit zu liefern, ist noch ausbaufähig.

Der Anbieter Flink arbeitet bereits mit Rewe zusammen. Wie wichtig sind solche Kooperationen?

Ultimativ wichtig. Die Rentabilität hängt auch davon ab, zu welchem Preis ich Waren einkaufen kann. Wenn ich etwa von den günstigeren Einkaufskonditionen profitieren könnte, ist das ein Vorteil. Ich vermute, dass am Schluss alle Anbieter solche Kooperationen haben.

Was ändert sich in Zukunft für den klassischen Lebensmitteleinzelhandel?

In größeren Städten haben Lebensmittel-Lieferdienste bereits bis zu 20 Prozent Marktanteil. Wir werden im Lebensmitteleinzelhandel Filialschließungen erleben. Jeder große Anbieter braucht eine E-Food-Lösung. Das kann ein eigenes Angebot wie bei Rewe sein, oder eines in Zusammenarbeit mit einem Partner. Wir rechnen in der Branche damit, dass im Discount-Bereich einige Anbieter noch in diesem Jahr Angebote starten werden, wahrscheinlich zunächst mit einem Kooperationspartner.

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