Als wäre nichts gewesenSo feierten die Kölner Jecken im Zülpicher Viertel

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Voll, voller, Zülpicher: Hier feiern die Kölner in Rudeln.

Köln – Drei, Zwei, Eins, Null: „Kölle Alaaf“, grölt die Menge um 11.11 Uhr auf der Zülpicher Straße, springt, liegt sich in den Armen und stimmt das erste „Humba Tätärä“ an.

Es riecht nach Bier, durch die Schuhsohlen bohren sich die ersten Glassplitter der kleinen Schnaps- und Likörfläschchen, die es am Sicherheitspersonal vorbeigeschafft haben. Alles wie immer. Dass russische Truppen zur gleichen Zeit in die Ukraine einmarschieren, dass dort Krieg herrscht, spielt in den Köpfen der Jugendlichen und jungen Erwachsenen hier im Viertel nur eine untergeordnete Rolle. „Klar habe ich das mitgekriegt“, sagt ein noch weitestgehend nüchternes Krümelmonster. „Es ist im Kopf, aber wenn wir hier feiern, können wir das verdrängen. Wir wollen jetzt einfach mal Spaß haben.“ Andere haben von der Lage in der Ukraine noch überhaupt nichts mitbekommen. Vielen hier scheint es aber ähnlich zu gehen wie dem Krümelmonster.

Endlich mal wieder feiern. Endlich mal wieder so fühlen, als wäre alles so wie früher. Was außerhalb der Feierzone passiert: egal – zumindest für den Moment.

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Viele müssen an den Kontrollpunkten lange warten

Die Kontrollen sind gründlich, die Wartezeiten an den vielen Einlassstellen deshalb lang. Der Großteil der Feiernden weiß zumindest, dass ein 2G-Nachweis für den Einlass nötig ist. Im Detail kennt die Regeln aber kaum jemand. „Wir sind alle geboostert, getestet und teilweise auch genesen. Damit sollten wir überall reinkommen“, sagt Matrose Marc, der sich in seiner WG im ersten Stock auf der Zülpicher zum „Vortrinken“ mit seinen Freunden getroffen hat.

Die Stadt hat die Einlässe baulich so verändert, dass übermütige Jugendliche nicht mehr über die Absperrungen klettern können. An den engeren, übersichtlichen Kontrollpunkten funktioniert das. Wird es weitläufiger, wie auf der Uniwiese, gelingt es einigen, die Hürden zu überwinden. „Wir dribbeln das System aus“, ruft eine Gruppe, die abseits der großen Menschenmassen nach einer Lücke in eben jenem sucht. Vergeblich. So einfach ist es dann doch nicht.

Entlastungszonen als „Festival-Gelände“

Während sich die Zülpicher Straße zwischen Bahnhof Süd und Zülpicher Platz rasch füllt, dauert das auf den sogenannten Entlastungszonen deutlich länger. Die Stadt hat auf der Uniwiese zwei große Areale abgezäunt und mit Getränkeständen und meterhohen Boxentürmen ausgestattet. Kritik daran kommt vom Verein Gastro Kwartier Latäng. Dessen Vorsitzender Markus Vogt sagt: „Das sind professionelle Veranstalter, die da ein komplettes Festival-Gelände aufgebaut haben. Das ist alles etwas, das die Leute nicht dazu animiert, nächstes Jahr eher woanders hinzugehen, wie das eigentlich geplant war.“ Das Angebot ziehe vor allem „sehr junges, sehr alkoholaffines Klientel“ an.

Eine große Masse Kostümierter steuert die Fläche vom Bahnhof Süd aus ohne Umwege über die Zülpicher an. Über die Luxemburger Straße gelangen sie zum Kontrollpunkt 27. Es sind scheinbar mehr Menschen als erwartet, schon früh am Tag spitzt sich die Lage zu. Das Problem: Die Fläche, über die die Feiernden auf den rund drei Meter breiten Einlass zustürmen, ist zu groß, so dass die Menge aus allen Richtungen schiebt und drängelt. Die Polizei meldet sich per Durchsage: „Sie müssen den Druck auf den Eingang reduzieren und zurückweichen. Sonst kommt niemand rein.“ Nach ein paar Minuten geht es weiter, die Polizei muss die Durchsagen kurze Zeit später aber wiederholen.

Für die Ersten ist der Tag zu dieser Zeit schon gelaufen. Zu viel Bier, zu viel Schnaps – da kann es schon mal passieren, dass der Magen sich wehrt. Die ersten Alkoholleichen liegen auf der Uniwiese, wie immer haben sie auch ihren festen Platz in den Seitenstraßen der Zülpicher. Die, die es übertrieben haben, sitzen alle paar Meter verstreut auf der Heinsbergstraße oder der Kyffhäuser Straße. Direkt daneben ein Wildpinkler, nur mit dem Kopf an die Hauswand angelehnt – die vollkommen freie Toilettenanlage steht nur 20 Meter entfernt.

Auf der Zülpicher wird es immer voller, auch in den Kneipen. Doch vor allem draußen geht nichts mehr. Die Sicherheitskräfte lassen niemanden mehr rein und verweisen auf die Entlastungszonen. Als sich die Sonne anders als angekündigt am frühen Nachmittag dann doch mal zeigt, steigt auch auf der Uniwiese neben dem Alkohol Pegel auch die Stimmung. In einzelnen Gruppen singen und tanzen jungen Menschen ausgelassen zu Querbeats „Guten Morgen, Barbarossaplatz“.

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Polizei: Brennpunkt Zülpicher Straße

Die Einsätze der Kölner Polizei beschränkten sich am Donnerstag fast ausschließlich auf die Partymeile im Zülpicher Viertel. „Alle anderen Bereiche sind rar besucht“, sagte ein Polizeisprecher der Rundschau. Mit dem zunehmenden Alkoholkonsum habe sich die Aggressivität bei manchen Feierenden gesteigert. Ab dem Nachmittag gab es zunehmend Schlägereien und sexuelle Belästigungen von Frauen, hieß es weiter. Auch Taschendiebe waren wieder aktiv. Erwartungsgemäß würden diese Einsätze im Laufe des Abend und der Nacht zunehmen.

Bis zum Abend blieb es aber weitgehend ruhig und es kam zu keinen dramatischen Vorfällen.

Probleme gab es gegen 13 Uhr an der Moselstraße. Einsatzkräfte von Polizei und Ordnungsamt konnten an einer Kontrollstelle für den Eintritt auf die Partymeile gerade noch verhindern, dass Feierende unkontrolliert auf die Straße gelangen. Wie zu erfahren war, wollten Feiernde die Kontrollen überrennen. Durch einen Einsatz von Polizei und Ordnungsamt konnte dies verhindert werden. „Die Sperrstelle wurde anschließend geschlossen“, sagte eine Polizeisprecherin. Ähnliche Vorfälle hatte es auch zur Sessionseröffnung am Elften im Elften gegeben. Dabei gelangten zahlreiche Feiernde ohne Kontrollen ihres Impfstatus ins Partygebiet.

Aufregung gab es gegen 16 Uhr im Partyviertel. Plötzlich wurde es stürmisch, es regnete stark. Mit Durchsagen wurden die Feiernden aufmerksam gemacht, dass es eine Unwetterwarnung für Köln gibt. Diese Durchsage galt besonders für die Besucher in den Entlastungszonen.

Für den Rettungsdienst war auch das Zülpicher Viertel der Schwerpunkt der Arbeit am Donnerstag. Die Sanitäter mussten Betrunkene versorgen und beispielsweise Menschen nach Schlägereien verarzten. „Es waren Einsätze quer durch die Bank“, sagte ein Feuerwehrsprecher. (ta)

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