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Premiere der StunksitzungVon Bestäubern, Sprachproblemen und Kirchenkritik

Lesezeit 3 Minuten
We will rock you: Ozan Akhan ist Ferdi Mercürü und als türkischer Gemüsehändler Inspirationsquelle für Queen-Sänger Freddie Mercury.

We will rock you: Ozan Akhan ist Ferdi Mercürü und als türkischer Gemüsehändler Inspirationsquelle für Queen-Sänger Freddie Mercury.

  • Due Stunksitzung feierte im E-Werk Premiere.
  • Mit 17 Musik- und Gesangsstücken und eben so vielen kabarettistischen Stücken lässt die Kultsitzung des alternativen Karnevals kaum Wünsche offen.

Köln – Die Touristin (Anne Rixmann) fasst Neigung zu einem kölschen Jeck (Tom Simon), der ihr immerzu, wie sie glaubt, charmante Komplimente macht. Das Problem an der Sache: „Leider spreche ich kein Kölsch“. Deshalb versteht die verzückte Zugereiste auch nicht, was der Lappenclownskerl da von sich gibt: „Ich bin esu rösig. . .“. Bei #MeToo-Betroffenen dürfte das Entsetzen auslösen – aber die von Rixmann wunderschön gesungene Version von Namikas „Je ne parle pas français“, in die hinein Simon seine triebgesteuerten Kommentare brummkölscht, ist trotzdem herrlich. Und in ihrer politischen Unkorrektheit, zudem beste Stunker-Tradition.

Bei der Premiere mit 17 Musik- und Gesangsstücken und eben so vielen kabarettistischen Stücken lässt die Kultsitzung des alternativen Karnevals im E-Werk kaum Wünsche offen. Präsidentin Birgit Wanninger moderiert souverän, die Hausband Köbes Underground beherrscht sämtliche Stilrichtungen famos. Von Salsa, Rock und Pop über erzkölsches Liedgut, Rap und Chanson bis hin zu Trance, Soul und Swing.

Übers Jahr haben die Stunker Augen und Ohren aufgesperrt. Macht sich ein Paar im Tretboot, das einen Ertrinkenden retten will, strafbar? Weil der sich illegal im Wasser aufhält: „Der kommt vom anderen Ufer!“ Kann ich als Startup Investoren für meinen Solar-Mülleimer finden? Obwohl „der Müll in den Parks und in den Straßen fester Bestandteil des kölschen Lebensgefühls“ ist? Oder: Was ist für Jongleure im Abendverkehr tödlich? Grün.

Alles zum Thema Bläck Fööss

Kinder-Sharing und Blumenbestäuber

Innovativ und subversiv findet sich für (fast) jedes Problem eine praktikable Lösung. Alleinerziehende in zu kleinen Südstadt-Wohnungen setzen aufs „Kinder-Sharing“, menschliche Mitbestäuber in Hürth retten Bienen („Bee or not to bee“), und wenn der Porsche Cayenne nicht in die Parklücke passt: der Rheinbraun-Bagger macht alles hübsch platt. Sogar Köln. Wo dann aus Hahnwald ein Veedel namens Halver Hahn wird.

Beim „AfD Coaching“ muss Alice Weidel ihren Schützlingen beibringen, dass „Auf die Fresse!“ keineswegs dem korrekten Verhalten bei Demos entspricht, und auf „Videobeweise“ beim Fußball ist längst kein Verlass mehr, wenn die Überprüfer heimlich dabei „Bares gegen Rares“ schauen. Zur Melodie von „Sweet Caroline“ erklingt der Song vom „Blutspendeschwein“ – empfohlen für alle Vegetarier, die auf ihre Flönz nicht verzichten können. Als anatolischer Gemüsehändler Ferdi Mercüri, der stimmlich und tänzerisch unter Beweis stellt, dass die Queen-Songs allesamt von Namensvetter Freddie geklaut wurden, ist Ozan Akhan einer der Publikumslieblinge. Seine (zu überzogene) Parodie von Mesut Özil kommt da aber nicht mit.

Märchenhaft: „Pakete“, wo ein selbstgepacktes Päckchen mit rotweißer Schleife sich tapfer gegen seine gefräßigen Amazon-Vettern zur Wehr setzt. Mit der ABBA-Revue „Mao Mia“, die im Brauhaus „Zur Roten Socke“ unter Alt 68ern spielt, landen die Stunker vor der Pause noch einen Knaller. Rabenschwarz: „Dom Duuve“. „Den Taubendreck an der Kathedrale kann man abkratzen, aber den Priestern nicht den Teufel austreiben.“ Also was tun? „Also ich gebe meinen Messdienern immer ein Hanuta und eine Guthabenkarte für Nintendo!“

Aus der „Kaffeebud“ der Bläck Fööss wird, zeitgemäß, eine „Muckibud“, als tobende Andrea Nahles bekommt Wanninger standing „Bätschi!-Ovations“. Zeit für den Einzug von Prinz (Ecki Pieper), Jungfrau (Carlos Neisel) und Bauer (Winni Rau). Wobei der noch immer die Landwirt-Power hat. Das kann nur noch das Finale toppen. Zu „No roots“ von Alice Merton trommelt sich das Ensemble menschenverbindend durch die Kulturen der ganzen Welt.

Rekordjahr

62 Mal ist die Stunksitzung zu sehen. Damit läuten die Stunker die längste Session seit ihrem Start 1984 ein. An 25 Tagen bis zur Nubbelverbrennung wird nicht gespielt, etwa Weihnachten, Silvester und Neujahr. An einigen Sonntagen gibt es zwei Vorstellungen. Pro Sitzung finden 1200 Jecke Platz im E-Werk. Ausschnitte zeigt der WDR an Weiberfastnacht um 22.10 Uhr. Alle Sitzungen sind ausverkauft. (sus)

www.stunksitzung.de

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