Wenn der Nubbel zum Leben erwachtDieser Musiklehrer hat gleich mehrere jecke Talente

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Michael Hehn als jecker Trompeter. Aber er kann auch anders.

Michael Hehn als jecker Trompeter. Aber er kann auch anders.

Köln – Mehrere Musiker mit Trompeten haben sich im ersten Stockwerk der „Neumarkt-Passage“ postiert und blasen kräftig das Lied von der Kayjass Nummer Null in das Einkaufszentrum. Im nächsten Augenblick verwandeln sich die Rolltreppen in Showtreppen, denn eine Schar bunt kostümierter Trommler fährt taktvoll lärmend auf und ab. Die Kaufhaus-Musik ist in diesem Moment ein rauschendes karnevalistisches Live-Spektakel.

Einer der Trompeter ist Michael Hehn (51). Die meisten Menschen kennen ihn nur als Nubbel. Im Sitzungskarneval steht er im roten Brokat-Gewand in der Bütt, er reimt und witzelt in tiefstem Kölsch, dabei wirkt er meist ernsthaft und etwas steif – eben figuradäquat. Doch im Straßenkarneval zieht Hehn seit Jahren mit einer Gruppe von gut 40 Jecken durch die Stadt. Manche schrabbeln auf Waschbrettern, andere spielen Posaune oder Decke Trum. Vor der „Kleinen Glocke“ stimmen sie fröhlich „Goria in excelsis Deo“ an, dann schmettern sie den „Treuen Husar“. Erst Funkenbiwak, dann jecke Eskalation. „Für mich ist das der schönste Tag im Karneval“, sagt er. Als Student hatte er sich einst als Kirchenorganist Geld dazu verdient.

Lehrer am Dreikönigsgymnasium in Bilderstöckchen

An einem Tag wie diesem begann einst die Karnevalskarriere von Michael Hehn, Musiklehrer am Dreikönigsgymnasium in Bilderstöckchen. Denn unter den Zuhörern befand sich damals Christoph Kuckelkorn, inzwischen Präsident des honorigen Festkomitees. Er notierte sich die Telefonnummer von Hehn und bot ihm zwei Jahre später die Rolle des Nubbel in einer kölschen Halloween-Oper an. Inzwischen hat Hehn die Figur aus dem Reich der Toten mit Leben gefüllt. Anfangs hatte er stur auf Kölsch gereimt, „ich dachte, das versteht doch jeder“, erzählt er. Doch bei vielen Sitzungsbesuchern blieb er unverstanden, nun schwenkt er bei Bedarf ins „Rheinische“ um und reimt nicht mehr ausschließlich. „Das engt zu sehr ein, bei einer Reimrede hast du keinen Plan B“, hat Michael Hehn festgestellt.

Im vierten Jahr steht Dä Nubbel nun in der Bütt, das kölsche Sessionsmotto war wie für ihn gemacht. Anfang Februar durfte er für das Festkomitee die Rosenmontags-Matinee in der Philharmonie moderieren, rund 70 Auftritte hat er inzwischen in der Session. „Montags habe ich erst zur sechsten Stunde Unterricht. Die Schulleiterin hat ein Herz für Karneval“, sagt er.

Schlimmster Auftritt einst bei Hänneschen-Sitzung

Die kleinen Sitzungsformate wie das „Jeckespill“ in den Kneipen der Stadt sind sein Metier, in den großen Sälen hat er es zuweilen schwer, wie etwa bei der Proklamation des Dreigestirns im Gürzenich. Der schlimmste Auftritt, so erzählt er, sei ihm einst bei der Hänneschen-Sitzung widerfahren. „Ich war gegen Mitternacht der letzte Redner“, erzählt er. Die Erinnerung hat sich eingebrannt, die mitleidigen Blicke der Kapelle, die Stille im Saal. Vorige Session verpackte er in kölscher Sprachakrobatik nahezu alle Kölner Stadtteile in eine liebevolle Geschichte. Hier offenbarte sich seine Stärke, die in der Sprache liegt und nicht so sehr im Pointen-Gewitter.

Zu Hause an seinem Kühlschrank hängt ein Foto, es zeigt ihn als vierjährigen Knirps, er trägt ein Lappenclown-Kostüm. „Als Kind habe ich mich mehr auf Karneval gefreut als auf Weihnachten“, bekennt er.

Aus Liebe zur Musik und zum Kölschen hatte er 2002 mit befreundeten Musikern das Kohberg-Orchester gegründet, heute eine feste Größe in der Stadt, zum Repertoire gehören die Hits von Willi Ostermann, August Batzem, Karl Berbuer und Jupp Schmitz. Im Oktober wird das Orchester ein Konzert in der Volksbühne geben.

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