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Klimanotstand in KölnDiese Entscheidung hat Konsequenzen – für Stadt und Politik

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Symbolbild

  • Vor knapp zwei Monaten hat die Kölner Politik den Klimanotstand beschlossen.
  • Eine Entscheidung, die weitreichende Konsequenzen für die Stadt hat.
  • In Zukunft wird die Politik entscheiden müssen, was ihr Maßnahmen zum Klimaschutz wert sind.

Köln – Nicht mal drei Monate ist es her, als der Naturschutzbeirat notgedrungen der Kölner Verwaltung erlaubte, ab 2020 im Bürgerpark Nord Schulcontainer aufzubauen – mitten auf der grünen Wiese. Die Verwaltung bezeichnete diese Interimslösung im Landschaftsschutzgebiet als „am besten geeignet“, während sie nebenan das Dreikönigsgymnasium saniert. Schon im Mai schien die Idee fragwürdig, der Beirat war außer sich, stimmte aber angesichts der Schulnot zu.

Wären Container auf der Wiese heute auch möglich?

In diesen Tagen stellt sich angesichts des Kampfes um die Ausbau-Pläne des 1. FC Köln im Äußeren Grüngürtel die Frage: Hätte die Stadt auch heute noch die grüne Wiese als beste Option für Schulcontainer vorgeschlagen? In Zeiten, in denen der Klimanotstand gilt? Und in Zeiten, in denen der FC trotz laufenden Bebauungsplanverfahrens bangen muss, weil Oberbürgermeisterin Henriette Reker (parteilos) dem Vorhaben die Unterstützung versagt hat. Reker sagte vergangenen Freitag: „Der Klimanotstand ist ernst gemeint. Es hat ein Umdenken stattgefunden.“

Seit dem 9. Juli und dem Votum des Stadtrates haben Umweltschützer eine Einflugschneise für ihre Argumente gefunden, das erlebt gerade der FC. Über die Jahre mühte der Verein sich mit seinem Plan für neue Fußballplätze durch die üblichen Verfahren, nun will Reker plötzlich andere Flächen prüfen lassen. Man könnte fragen: Für Schulen dürfen Landschaftsschutzgebiete – kurzzeitig – geopfert werden, für Sportplätze aber nicht? Wer entscheidet das nach welchen Kriterien? Und ist der FC nur der Anfang?

Alles zum Thema Henriette Reker

Oder ist der Klimanotstand nur ein weiteres Beispiel für Symbolpolitik, für das kurzzeitige Anschmeicheln der Politik an ein Thema, das gerade en vogue ist? Sollte es so sein, haben manche Politiker die Wucht ihres Beschlusses unterschätzt. Reker sagte schon im Juli: „Es wird darum gehen, jetzt bei jeder Vorlage aktiven Klimaschutz mitzubedenken und abzuwägen, ob dann noch gebaut werden kann oder nicht.“ Es müsse abgewogen werden. „Das werden wir vernünftig und mit Augenmaß tun und Ihnen (dem Rat, Anmerkung der Red.) dann vorlegen.“

Über allem steht die Politik

Letztlich bleibt es eine politische Entscheidung, auch beim FC, egal, was Reker will. Aber ab sofort kann jede Vorlage der Verwaltung für den Rat noch mehr zum Zankapfel geraten. Der ohnehin schon aufreibende politische Abnutzungskampf erhält eine neue Komponente. Erst die weiteren Jahre werden zeigen, wie ernst die Fraktionen den Beschluss nehmen oder ob sie nicht doch einfach mal ein bisschen Greta Thunberg sein wollten.

Denn Köln wächst, es braucht Schulen, Sportplätze, Straßen, Radwege, Gewerbegebiete – und viele, viele Wohnungen. Soll in Kreuzfeld etwa keine Wiese geopfert werden für bis zu 6000 Menschen? Darauf hat Niklas Kienitz, Chef des Stadtentwicklungsausschusses, hingewiesen. Zugespitzt gesagt: Sind höhere Mieten und zu wenige Wohnungen besser auszuhalten als die Versiegelung einer Wiese? Der Klimaschutz gerät zur sozialen Frage. Darauf weist der Städte- und Gemeindetag hin, er sieht Bund und Länder in der Pflicht, die Städte zu unterstützen. Soziale Härten seien mit geeigneten Maßnahmen abzufedern.

Oder beim FC: Die Nachwuchsfußballer im Auto oder Bus – und vielleicht nicht mit der Bahn – zu einem Areal in Marsdorf zu transportieren, produziert Abgase. Sind die weniger schlimm als das Planieren der Gleueler Wiese für den FC?

Eine wachsende Stadt verschlingt Platz, bedeutet aber auch Arbeitsplätze. Ist das nichts wert? Oder ist alles andere nichts mehr wert, wenn der Planet vor die Hunde geht? Also Vorfahrt um jeden Preis für den Klimaschutz? Tut sich Köln damit wirklich einen Gefallen?

Köln ächzt unter der Aufgabenfülle

Baudezernent Markus Greitemann hat über den Klimanotstand gesagt: „Es wird komplexer, Flächen für Wohnen, Schule und Gewerbe bereit zu stellen.“ Noch komplexer? Schon jetzt ächzt Köln unter der Aufgabenfülle, unter elend langen und klageanfälligen Vergabeverfahren, unter einem Tempo, das der Entwicklung einer Metropole nicht hinterherkommt. Greitemann hat angekündigt, alle Interessen abzuwägen, beim Grüngürtel-Ausbau zeigt sich: Der grüne Druck wird vehementer, es gibt ein gesellschaftliches Klima für den Klimawandel, das hat die Europawahl offenbart.

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Vor allem kostet Klimaschutz Geld, bevor er sich auszahlt. Reker sagte: „Diese Entscheidung wird der Verwaltung vieles ermöglichen, was sie vorher nicht tun konnte, weil das Rechnungsprüfungsamt vielleicht auf den Preis geschaut hätte, wenn er höher wird, weil eine Maßnahme den Klimazielen entspricht.“

Für 2022 etwa peilte Köln einen ausgeglichen Haushalt an, doch das im vorigen Jahr errechnete Plus fiel mit 3,36 Millionen Euro schmal aus – und ist angesichts der abflauenden Wirtschaft wohl kaum zu halten. Höhere Ausgaben fürs Klima waren 2018 nicht eingepreist. Es wird spannend zu sehen sein, wie die Politiker entscheiden, wenn Klimaschutz plötzlich Geld kostet.

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