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Brennpunkt Ebertplatz„Die Polizei muss mehr Präsenz zeigen“

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Spuren der Gewalt: Am Tatort auf der Mitte des Ebertplatzes haben Passanten Blumen abgelegt

Spuren der Gewalt: Am Tatort auf der Mitte des Ebertplatzes haben Passanten Blumen abgelegt

Köln – Es liegt eine seltsame Stimmung über dem Ebertplatz an diesem sonnigen, warmen Montagmittag. Passanten schlendern über die Platzfläche, stutzen, bleiben stehen und betrachten irritiert die Spuren der tödlichen Auseinandersetzung, die sich hier am Samstagabend gegen 21.45 Uhr ereignet hat. Viele reagieren betroffen, erkundigen sich bei Umstehenden, was geschehen ist, oder diskutieren über das Gewaltverbrechen, bei dem ein 22-Jähriger sein Leben ließ – offenbar eine Tat im Drogenmilieu.

An der Stelle, wo die Ermittler der Mordkommission Spuren am Tatort mit Sprühfarbe markiert haben, legt ein Mann einen Strauß Blumen auf den blutbefleckten Boden. Ein Mitarbeiter des Grünflächenamts hievt sein Gerät auf einen Lastwagen. Die Rasenflächen rings um den Platz, die tags zuvor von einer Polizeihundertschaft nach Beweismitteln durchsucht wurden, sind frisch gemäht. Doch von Normalität kann keine Rede sein an diesem Tag. „Es ist einfach schrecklich, was hier passiert ist“, sagt eine Anwohnerin (75), die seit 1979 im Viertel wohnt. Im Vergleich zu früher habe sich die Lage auf dem Ebertplatz „auf erschreckende Weise verändert“, betont die Frau.

Wie so viele Anwohner geht auch sie bei Dunkelheit nicht mehr über den Platz, sondern außen herum, und meidet insbesondere die unterirdische Passage zwischen Eigelstein und Neusser Straße. „Diese triste, dunkle Passage war schon bei der Eröffnung eine Katastrophe. Das muss dringend umgebaut werden.“

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Geschaftsinhaber: Polizei soll auch nachts präsent sein

Bei den Geschäftsleuten an der Eigelsteintorburg sorgt die Bluttat für Entsetzen. Der Chef des Restaurants „Leo“ fordert, dass die Polizei nicht nur am Tag Präsenz zeigt, sondern auch nachts dort verstärkt kontrollieren soll. „Bis 23 Uhr sind Beamte dort, aber mitten in der Nacht habe ich dort selten Polizisten gesehen“, betont Gastronom Robert Atay. Der Drogenhandel habe dramatische Ausmaße angenommen. Dies belaste auch das Geschäft in dem Lokal. „Kunden beschweren sich bei uns, wenn sie auf unserer Terrasse von Drogensüchtigen um Geld angebettelt werden.“

Atay fordert eine Polizeiwache am Ebertplatz. Eine ständige Polizeipräsenz verlangt auch Burkhard Wennemar, Vorsitzender des Bürgervereins Eigelstein. „Ich bin über die Ausmaße des Drogenhandels am Ebertplatz schockiert. Es muss jetzt sehr zügig etwas geschehen, sonst passieren erneut Verbrechen.“ Der Ebertplatz sei mittlerweile ein rechtsfreier Raum, sagt Wennemar. Die Polizei müsse deutlich mehr Präsenz zeigen – tagsüber und nachts. Als Sofortmaßnahme fordert der Bürgerverein eine mobile Wache und eine sofortige helle Ausleuchtung der dunklen Gänge in der Nacht.

Der Bezirksbürgermeister der Innenstadt, Andreas Hupke (Grüne), ist schockiert, sagt: „So darf es nicht weitergehen am Ebertplatz. Jetzt müssen alle Alarmglocken schrillen.“ Weil sich die Polizei seit den Silvesterübergriffen 2015 stärker um die Befriedung des Bereichs rund um Hauptbahnhof und Dom kümmere, verlagere sich die Drogenkriminalität verstärkt auf andere Orte in der Innenstadt wie Ebertplatz, Friesenplatz und Rudolfplatz. Doch mit Polizeiarbeit allein seien die Probleme ohnehin nicht zu lösen, betont Hupke. „Die Polizei kann keine Sozialarbeiter ersetzen. Wir brauchen am Ebertplatz eine gemeinsame Anstrengung von Polizei, Ordnungsamt, Staatsanwaltschaft, Jugendamt, Streetworkern und Ausländerbehörde. Die Oberbürgermeisterin muss dieses Thema zur Chefsache machen.“ Hupke will Polizeipräsident Uwe Jacob in die Bezirksvertretung Innenstadt einladen. „ Wir wollen wissen, wie es jetzt aus seiner Sicht weitergehen soll.“

Auf Anfrage der Rundschau teilte die Polizei Einzelheiten über ihre seit 2016 verstärkten Einsätze gegen die Drogenszene am Ebertplatz mit. Demnach ist die Behörde dort täglich mit Bereitschaftspolizei, Zivilkräften und uniformierten Beamten vor Ort, teils mehrmals am Tag. Wurden 2016 dort 257 Rauschgiftdelikte erfasst, waren es in diesem Jahr bereits 372 Fälle. Von Januar bis September führte die Polizei am Ebertplatz 1855 Personenkontrollen durch. 480 Platzverweise wurden erteilt und 137 Strafanzeigen geschrieben. Es gab 19 Festnahmen, 26 Gewahrsamnahmen, 226 Gefährderansprachen und 124 Sicherstellungen. 4000 Arbeitsstunden wurden investiert.

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