Abo

Kölner SPD fordert ÄnderungenFußgänger spielen bei Verkehrsplanung geringe Rolle

Lesezeit 6 Minuten
Fußgänger in Köln müssen oft schauen, wo sie bleiben. Zebrastreifen sind im Verkehrschaos oft nicht sicher, Gehwege nicht selten zugeparkt.

Fußgänger in Köln müssen oft schauen, wo sie bleiben. Zebrastreifen sind im Verkehrschaos oft nicht sicher, Gehwege nicht selten zugeparkt.

Köln – Wenn auf Kölns Straßen alles steht, wenn auch die Busse sich in die Blechschlange einreihen und wenn die Stadtbahnen zum Feierabend hoffnungslos überfüllt sind, wenn also mal wieder alles zu stehen scheint, dann geht dennoch was in der Domstadt. Zu Fuß ist immer noch ein Durchkommen. Und die Fußgänger sind eine Macht in der Domstadt. Theoretisch.

Beim Modal Split (Kenngröße zur Aufteilung des Verkehrs auf verschiedene Verkehrsmittel) belegen sie den zweiten Platz mit rund 23 Prozent. Nur noch die Autofahrer toppen das (40 Prozent). Und dennoch: Der Fußgängerverkehr in Köln steckt in den Kinderschuhen. Ein paar kleinere Projekte (siehe nächste Seite). Ein paar Allgemeinposten im Konzeptpapier Mobil 2025. Das war es. Ansonsten wird bei Straßen immer noch geplant wie anno dazumal: In der Mitte die Autos, am Rand die Räder und was über bleibt, für die Fußgänger.

SPD fordert Fußgängerbeauftragte in Köln

Da geht mehr, wissen Verkehrsexperten – und verweisen auf Wien. Die Alpenmetropole ist in Sachen Verkehr einen großen Schritt weiter: Dort läuft nicht nur die Straßenbahn besser als in Köln, dort gibt es auch eine Fußgängerbeauftragte. Das fordern nun auch Teile der SPD für Köln.

„Die Interessen der Fußgänger werden in Köln einfach nicht bedacht“, sagt Regina Börschel, Vorsitzende der SPD-Fraktion in der Bezirksvertretung (BV) Innenstadt. „Keine Lobby, kein Ansprechpartner bei der Stadt“, fasst sie die Misere zusammen. Mit einem Fußgängerbeauftragten würde es besser laufen als jetzt, ist sie sich sicher.

Stadtrat hat das letzte Wort

Negativbeispiele gefällig? Börschel verweist auf die Baustelle am WDR. Entlang eines ellenlangen Holzzauns werden die Fußgänger zwischen Nord-Süd-Fahrt und Appellhofplatz in die Irre geführt. „Der Friesenplatz ist für Fußgänger ein einziges Wirrwarr. Und dann die zahlreichen Konfliktpunkte mit den Radfahrern: Domgässchen, Hohenzollernbrücke und rund um die Eigensteintorburg.“

In der BV wird der Antrag für einen Fußgängerbeauftragten wohl breiten Anklang finden. CDU, Grüne, FDP und Gute haben Zustimmung signalisiert. Allein, die BV hat nicht das letzte Wort. Das hat der Stadtrat. Die dortige SPD-Fraktion ist sich aber noch nicht im Klaren, ob sie in dem Vorstoß der BV folgen will.

Fußgänger in Köln haben es schwer

Braucht es überhaupt einen weiteren Beauftragten? Franz Linder ist sich da nicht so sicher. Gewiss täte es not, dass sich jemand in der Kölner Verwaltung intensiv um das Thema Fußgängerverkehr kümmere, sagt der Ingenieur, der sich sowohl mit seinem Planerbüro Südstadt wie auch mit dem Kommunikationsbüro P3 Verkehrskonzepten annimmt. Zudem betreut er in Planungs- und Kommunikationsfragen die Arbeitsgemeinschaft fußgänger- und fahrradfreundlicher Städte, Kreise und Gemeinden in Nordrhein-Westfalen (AGFS). Ein Verkehrsexperte also – und als solcher ein leidenschaftlicher Fußgänger.

Zu Fuß zu gehen ist für ihn weit mehr als Fortbewegung. „Das ist ein Beitrag zu Gesundheit und zur Umwelt. Ich erlebe die Jahreszeiten. Ich sehe viel mehr, ich nehme die Stadt intensiver wahr.“ Er habe es sich angewöhnt, immer mehr zu Fuß zu gehen. „Allerdings wird einem das in Köln sehr erschwert“, sagt Linder. „Fußgängerverkehr wird in der Verwaltung als Selbstläufer betrachtet.“ Etwas, wofür nicht viel gemacht werden müsse.

Linder liest diese Haltung nicht zu letzt am Parken auf dem Bürgersteig ab. „Der Killer für Fußgänger.“ Als eine stille Umwidmung der Gehwege bezeichnet er die Duldung. Dabei sei die Grunddimension für Fußgänger, dass sich zwei Paare auf dem Trottoir begegnen können. Illusorisch auf vielen Gehwegen in Köln. „Die Richtlinien sind da schon weiter. Fußgänger sind als eigenständiger Verkehrsteilnehmer zu sehen.“

Wien als Vorzeigemodell

Aber schreit das alles nicht geradezu nach einen Fußgängerbeauftragten? „Zwischen den ganzen Beauftragten in der Verwaltung gibt es doch nur Reibungsverluste“, befürchtet Linder. Ginge es nach ihm, sollte der Fußgängerverkehr zusätzlich beim Fahrradbeauftragten Jürgen Möllers angesiedelt werden. „Die Basismobilität in einer Hand.“

Wer wissen will, was ein Fußgängerbeauftragter leisten kann, der muss über die Grenzen Deutschlands hinaus gehen – nach Wien. Petra Jens arbeitet dort in der Mobilitätsagentur als Fußgängerbeauftragte. „Mein Aufgabe ist eine rein kommunikative“, sagt sie sogleich. Sie wirbt für mehr Fußverkehr. „Zu Fuß zu gehen ist in den Köpfen nicht so verankert wie Auto oder Rad zu fahren. Vergleichbar mit Atmen. Man macht es einfach.“

Jens arbeitet in Wien seit fünfeinhalb Jahren daran, ein Bewusstsein für das zu Fuß gehen zu schaffen. Und ihre Arbeit macht Fortschritte. In Österreichs Hauptstadt hat der Fußgängerverkehr beim Modal Split den Autoverkehr überholt, mit 28 Prozent Fußgängeranteil zu 27 Prozent Mobilität mit dem privaten Pkw. Als Jens ihre Arbeit aufnahm lag der Anteil des reinen Fußverkehrs, ohne abschnittsweise Nutzung von Bahn und Auto, noch bei 26 Prozent. Wie ist der Sprung gelungen?

Auf „Schleichwege“ hinweisen

„Beispielsweise haben wir aufgezeigt, wie viele Gehminuten zwischen einzelnen U-Bahn-Stationen liegen.“ Manchem Wiener oder auch Touristen wurde dadurch klar, dass er zu Fuß auf kurzen Strecken schneller ans Ziel kommen kann, als wenn er in die U-Bahn herabsteigt. „Auch machen wir Durchgänge öffentlich sichtbar.“ In Wien wird also auf „Schleichwege“ hingewiesen. Abseits der Hauptachsen können sie oftmals viel kürzere und schnellere Verbindungsstrecken sein. So etwas gibt es auch in Köln, wie beispielsweise Parallelwege zu der ewig überlaufenen Hohe Straße. Doch diese Abkürzungen kennen meist nur Ortskundige.

Das könnte Sie auch interessieren:

Für Fahrradfahrer werden in Köln Radstraßen und Schnellradwege geplant. Und für Fußgänger? „In Wien schaffen wir Flaniermeilen“, erzählt Petra Jens. „Das sind übergeordnete Routen, die wichtige Punkte miteinander verbinden.“ Bäume beschatten diese Wege. Kreuzungspunkte wurden besonders sicher gemacht. Es gibt viele Sitzbänke für kleine Pausen. Jens zieht Bilanz: „Wir haben es geschafft, dass der durchschnittliche Fußweg in Wien 800 Meter beträgt. Durch den Fußgängerverkehr sparen wir Platz und auf den Straßen und in den Bahnen ist es weniger eng.“

Konzepte der Stadt

Einen Ansprechpartner für Fußgängerbelange gibt es in der Stadtverwaltung nicht. Anders als das Radfahrern, vertreten durch den Fahrradbeauftragten Jürgen Möllers, ist zu Fuß gehen Randprodukt der Verkehrsplanung.

Lediglich zwei Mikro-Projekte nennt die Verwaltung, wenn es um die Stärkung des Fußverkehrs geht. Über das Modellverfahren „Aktive Mobilität in städtischen Quartieren“ soll für das Severinsviertel ein Konzept entwickelt werden. Eine Studie dazu ist geplant. Ansonsten führt die Verwaltung noch das „Verkehrsführungskonzept Altstadt“ ins Feld. Ziel des Konzeptes sei es gewesen, die Straßenräume in der Altstadt für Fußgänger und Radfahrer aufzuwerten. Bisher ist noch unklar, wie das Konzept aussehen wird. Die Politik berät sich.

Verkehrsdezernentin Andrea Blome, von der Rundschau auf einen Fußgängerbeauftragten angesprochen, zeigte sich nicht abgeneigt. „Grundsätzlich ist das eine gute Idee, den Fußverkehr zu verbessern und zu stärken. Es muss ja nicht sofort mit einem Beauftragten einhergehen.“

Rundschau abonnieren