Kölner Stalking-Opfer„Sein Ziel war, mich auszulöschen“

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Steht er wieder vor der Tür? Dann lieber 110 wählen und die Polizei rufen.

Steht er wieder vor der Tür? Dann lieber 110 wählen und die Polizei rufen.

  • Eine junge Frau wird Opfer von Stalking. Jetzt spricht sie über ihre Erfahrungen.

Köln – Sie schicken SMS. Sie stehen vor der Tür. Sie senden Blumen. Sie durchwühlen den Müll, hacken das E-Mail-Konto oder brechen in die Wohnung ein. „Sie verwenden die Energie eines Besessenen, um dich auszuspionieren“, sagt Karo. Mit „sie“ meint die Frau: Stalker.

Karo ist nicht ihr richtiger Name, sie will ihn nicht in der Zeitung lesen. Aber sie will ihre Geschichte los werden, als sie in einem Kölner Café sitzt und erzählt. Der Mann, der ihr nachstellte, „hat über 100.000 Euro investiert, um mich auszulöschen“. In dieser Zeit setzt er laut ihrer Aussage einen Privatdetektiv auf sie an, hackt Handy und Computer. Er bringt einen gefälschten Lebenslauf in Umlauf, um sie bei möglichen Arbeitgebern schlecht zu machen, schwärzt sie beim Vermieter an. „Sein Ziel war, mich auszulöschen.“ Irgendwann hat Karo genug: Als er mit nachgemachtem Schlüssel in ihre Wohnung einbricht, geht sie zur Polizei.

Betroffenen Mut machen

In dem Roman „Dem Wahnsinn entkommen“ erzählt der Schauspieler Ralf Scharrer die fiktive Geschichte einer Frau, die Opfer eines Stalkers wird und sich schließlich erfolgreich dagegen zur Wehr setzt. Dafür hat er mit vielen Frauen gesprochen und deren Erlebnisse zusammengefasst. „Ich möchte Betroffenen Mut machen, sich nicht zu verstecken, sondern an die Öffentlichkeit zu gehen“, sagt Scharrer. Das Buch soll zur Leipziger Buchmesse, die vom 21. bis 24. März stattfindet, erscheinen. (sab)

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Aus heutiger Sicht würde sie diesen Schritt eher tun. Doch sie weiß, warum viele sich nicht trauen. „Der Anfang von Stalking ist oft schleichend. Außerdem manipulieren die Täter das Umfeld. Man fragt sich, ob wirklich der andere oder doch man selber spinnt.“ Die Polizei rücke die Sicht gerade, nehme Betroffene ernst (siehe weiteren Text). Mit Stalkern sei nicht zu spaßen: „Das sind Psychopathen.“

Stalking ist das absichtliche und wiederholte Verfolgen und Belästigen eines Menschen, in Deutschland ist es seit April 2007 strafbar. 446 Fälle sind laut Kriminalstatistik 2017 in Köln zur Anzeige gebracht worden. In 75 Prozent aller Fälle kennen sich Opfer und Täter schon vorher, bei 50 Prozent folgt das Stalking auf eine Trennung. In 80 Prozent der Fälle ist das Opfer eine Frau und der Täter ein Mann.

Selbsthilfegruppe macht Mut

„Der Stalker will Macht ausüben“, sagt Karo. Mit ihrem Schritt zur Polizei hat sie dem Stalker diese Macht verwehrt, ist aus der Opferrolle herausgekommen, handlungsfähig geworden. „Danach hat es aufgehört.“ Heute engagiert sie sich in der Selbsthilfegruppe „Aktiv gegen Stalking“, die der Schauspieler Ralf Scharrer in Köln gegründet hat. Auch er wurde gestalkt, spricht aber nicht öffentlich über seinen Fall. Im geschützten Raum der Gruppe will er andere Betroffene beraten und Mut machen. „Alles, was wir dort bereden, bleibt absolut vertraulich“, versichert er. Bis zu zwölf Frauen und Männer kommen bisher zu den zweimonatlichen Treffen.

Psychologische Hilfe bekommen sie dort nicht, da verweist Scharrer an professionelle Therapeuten. Aber seelische Unterstützung anderer Betroffener und so manchen Tipp. Dass es etwa wichtig ist, alle Vorfälle aufzuschreiben, um sie vor Gericht dokumentieren zu können.

Außer in Köln gibt es in NRW nur in Aachen und Düsseldorf eine solche Selbsthilfegruppe. Das versteht Scharrer nicht, immerhin würden laut Statistik zwölf Prozent aller Deutschen einmal im Leben gestalkt. Das Wichtigste sei, damit nicht allein zu sein.

Die Selbsthilfegruppe „Aktiv gegen Stalking“ trifft sich jeden ersten und dritten Dienstag im Monat. Wer Interesse hat, meldet sich unter der E-Mail-Adresse aktivgegenstalking@gmx.de.

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Ratschläge der Polizei

Jeden Kontakt verweigern und Anzeige erstatten: Das sind die zwei wichtigsten Ratschläge, die die Polizei Betroffenen von Stalking gibt. Das heißt: auf E-Mails oder SMS nicht reagieren, die Annahme von Paketen oder Blumensträußen, die der Stalker schickt, an der Tür verweigern. „Der Stalker will in den Gedanken seines Opfers präsent sein“, erklärt Claudia Sobotta von der Kriminalprävention Köln. Das müsse ihm verwehrt werden.

Am besten sollten Betroffene dem Stalker ein einziges Mal schriftlich per Einschreiben mitteilen, dass sie den Kontakt nicht wollen. „Das schafft Distanz und ist gleichzeitig gerichtlich verwertbar.“ Danach gilt es, sich unerreichbar zu machen: neue Telefonnummer zulegen, soziale Medien abschalten, Schlösser austauschen. Gegen nächtlichen Terror hilft, die Klingel abzustellen.

Wichtig ist, die Situation ernst zu nehmen. Oft trauen die Betroffenen ihrem eigenen Gefühl nicht. Trotzdem sollten sie zur Polizei gehen, rät Sobotta. „Ob eine Straftat vorliegt, entscheiden wir, das müssen nicht die Betroffenen machen.“ Hilfe kann man sich auch bei einem Anwalt holen, der vor Gericht eine einstweilige Verfügung gegen den Stalker erwirken kann. „Wir raten aber bei Stalking grundsätzlich zur Anzeige“, sagt Claudia Sobotta. Denn „vor allem schnelles und konsequentes Einschreiten der Polizei gegen Stalker zeigt Wirkung“. (sab)

Unterstützung bekommen Stalking-Opfer hier: Opferschutzbeauftragte der Polizei Köln, Tel. 0221/229-8080; Weißer Ring, bundesweites Opfer-Telefon 116 006; Hilfetelefon „Gewalt gegen Frauen“ mit Beratung in vielen verschiedenen Sprachen, Tel. 08000/116 016. Infos zum Thema Stalking auf der Seite www.polizei-beratung.de.

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