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Rasanter Rückgang ohne AusgleichKöln verliert bis 2025 über 8000 Sozialwohnungen

Lesezeit 4 Minuten
Sozialer Wohnungsbau dpa

Braucht es den sozialen Wohnungsbau überhaupt noch? Darüber wird derzeit diskutiert. (Symbolbild)

Köln – Ist der soziale Wohnungsbau tot? Oder anders gefragt: Ist die Förderung günstigen Wohnraums überhaupt noch zeitgemäß? Die Diskussion darüber läuft gerade wieder – unter anderem das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft aus Köln hält den sozialen Wohnungsbau für ein überholtes Förderinstrument aus der alten Bundesrepublik.

In Köln schafft der Markt in der Zwischenzeit Fakten: Die Zahl der Sozialwohnungen geht rasant hinunter. Bis 2025 fallen laut einer Prognose weitere 8400 Wohnungen aus der sogenannten Bindung. Das ergab eine Anfrage der Rundschau. Während es die nächsten Jahre gut 400 Wohnungen pro Jahr sind, bei denen die Sozialbindung ausläuft, sind es allein im Jahr 2025 rund 4300 Wohnungen, ein dramatischer Rückgang. Die Stadt würde ohne Neubauten erstmals unter die Marke von 30 000 Sozialwohnungen rutschen. Das wird nicht passieren, aber die Zahl der neuen Wohnungen kann den Verlust der alten längst nicht kompensieren.

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Wann entstand der soziale Wohnungsbau?

Er hat eine lange Geschichte. Schon am 24. April 1950 erließ der Bund das erste Wohnungsbaugesetz, peilte 1,8 Millionen neue Wohnungen bis 1956 an – und zwar für „breite Schichten des Volkes“. Die Idee dahinter: Der Staat fördert neue Wohnungen über Darlehen, die zu niedrigen Zinsen zu haben oder zinslos sind. Im Gegenzug verpflichtet der Investor sich, die Wohnungen für einen bestimmten Zeitraum, häufig 20 bis 25 Jahre, billiger als auf dem Markt üblich zu vermieten. Im Fachjargon spricht man von der Bindung einer Wohnung, sie ist reserviert für Menschen mit relativ geringem Einkommen. Aber die Zahl der Wohnungen schrumpft – auch in Köln. Und: Viele Wohnungen werden von Menschen genutzt, die gar nicht mehr bedürftig sind.

Wie viele Wohnungen sind in Köln entstanden?

1990 gab es in der Stadt noch knapp 106 000 Sozialwohnungen, Ende 2017 sind es nur noch 38 103 – ein Minus von 64 Prozent. Franz-Xaver Corneth, Vorsitzender des Mietervereins, sagt: „Die Situation ist eine Katastrophe.“ Er geht davon aus, dass Köln eigentlich 86 500 neue Sozialwohnungen braucht. Denn: Fast jeder Zweite der rund 1,1 Millionen Kölner hat Anrecht auf den Wohnberechtigungsschein (WBS) und eine billigere Wohnung.

Wie versucht die Stadt gegenzusteuern?

Die Stadt hat sich 1000 neue Sozialwohnungen pro Jahr zum Ziel gesetzt. In den vergangenen Jahren sind im Schnitt aber nur 560 gebaut worden, viel zu wenig also, um die drastische Abnahme zu stoppen. Im Jahr 2013 waren es nur 209 Wohnungen. Volker Eichener, Politikwissenschaftler und Wohnungsbauexperte an der Hochschule Düsseldorf, sagt: „Wir brauchen eine große wohnungspolitische Offensive, aber das sehe ich nicht, auch in Köln nicht.“ Die Schärfe des Problems scheine bei den Politikern nicht angekommen. „Wir können gar nicht so viele Wohnungen bauen wie wir brauchen.“

Wieso fallen jetzt so viele Wohnungen raus?

Vereinfacht gesagt schlagen die niedrigen Zinsen und die Not auf dem Wohnungsmarkt brutal durch. In boomenden Metropolen wie Köln lässt sich Wohnraum extrem gut vermarkten. Für Investoren locken beste Renditen – mit all den bekannten Nachteilen für Wohnungssuchende.

Zum anderen verlieren günstige Darlehen, die Grundlage des Modells des sozialen Wohnungsbaus, in der Phase der Niedrigzinsen an Attraktivität. Und nun werden die Details der Darlehensgewährung interessant: Erhält ein Investor Darlehen vom Land NRW mit günstigen Zinsen, verpflichtet er sich im Gegenzug, die Wohnung für eine bestimmte Zeit, meist 20 bis 25 Jahre, billiger als zum Marktpreis zu vermieten – eben für jene Menschen, die aufgrund ihres relativ geringen Einkommens einen WBS besitzen. Investoren können jedoch die Bindungszeit verkürzen, wenn sie die Darlehen früher zurückzahlen – und das tun sie aktuell laut Wohnungsamtsleiter Josef Ludwig, weil die Zinsen am Markt noch günstiger sind als die des Landes. Auch die NRW-Bank teilt mit: „Außerplanmäßige Tilgungen sehen wir in ganz Nordrhein-Westfalen.“

Bei allen Wohnungen, die bis 2002 gefördert wurden, gilt: Nach der Tilgung des Darlehens bleibt die Wohnung zehn Jahre für sozial schwächeren Menschen reserviert, erst dann geht sie auf den freien Markt (und der Vermieter kann sie zu höheren Preisen vermieten). „Nachwirkungsfrist“ heißt das. Offenbar wurde 2015 massiv von dieser Regelung Gebrauch gemacht oder die Bindung läuft planmäßig aus. Denn zehn Jahre später fallen mehr als 8000 Wohnungen weg. Ludwig bestätigt: „Im Jahre 2025 fallen besonders viele Wohnungen aus der Zweckbindung, weil sich zehn Jahre zuvor entsprechend viele Vermieter zu einer Rückzahlung entschlossen haben.“

Gilt diese Regelung auch weiterhin?

Nein, oder besser: anders. Seit dem Jahr 2003 gilt eine Belegungsbindung für feste Zeiträume: 15, 20 oder 25 Jahre. Die vorzeitige Rückzahlung des Darlehens ist weiter möglich. Der Unterschied zu früher: Die Tilgung ändert nichts an der Dauer der Sozialbindung. Es sei weiter damit zu rechnen, dass viele Investoren die Darlehen vorzeitig tilgen, teilt die NRW-Bank mit. Dabei spielten unterschiedliche Aspekte eine Rolle: Da es vergleichsweise wenige attraktive Anlageformen für Eigenkapital gebe, werde eine Rückzahlung auch aus Eigenmitteln vorgenommen. Für die Sozialbindung bleibt dies ohne Wirkung – aber die Entwicklung zeigt, dass der soziale Wohnungsbau dramatisch an Attraktivität verliert.

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