KölnBundespräsident Steinmeier besucht Realschule und Integrationsverein

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Ein T-Shirt überreichten Schüler dem Bundespräsidenten und seiner Lebensgefährtin Elke Büdenbender.

Ein T-Shirt überreichten Schüler dem Bundespräsidenten und seiner Lebensgefährtin Elke Büdenbender.

Köln – Bildung ist der Schlüssel zur Integration und gegen Gewalt. Wahrscheinlich hat das Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier schon vor seinem Besuch nach Köln gewusst. Doch in der Domstadt hat er am Donnerstag dafür gleich zweifach Bestätigung bekommen: Einmal bei seinem Besuch der Eichendorff-Realschule in Ehrenfeld und zum Zweiten bei dem Verein „Coach“.

Ein Happy End hatte der Besuch in der Eichendorff-Realschule nicht für den Bundespräsidenten. Die 15 und 16 Jahre alten Schüler führten für Steinmeier das Theaterstück „Der Wolf im Schafspelz“ auf. Ihr „Klassiker“, mit dem sie schon in vielen Klassenzimmern aufgetreten sind.

Die Handlung: Es ist im Grunde nur eine Kleinigkeit, über die Jugendlichen verschiedenster Nationalitäten in Streit geraten. Doch aus Streit wird Hass, und aus Hass wird Gewalt. Hinter den Schülern stehen schon die Extremisten verschiedenster Lager – radikale Islamisten und radikale Nationalisten – in Lauerstellung, um Nachwuchs für Ihre Zwecke zu rekrutieren. Und sie haben Erfolg.

Gespräche mit den Schülern

„Ich finde es gut, dass hier nichts mit einer Harmoniesauce zugeschüttet wird“, sagt der Bundespräsident zu der Aufführung. Das Stück habe ihn berührt. Er sei sich sicher, wer an einem solchen Projekt mitgearbeitet habe, „der verlässt die Schule mit einem großen Verantwortungsgefühl“. Steinmeier nahm sich Zeit für Gespräche mit den Schülern. Zum Abschied gab es für ihn ein T-Shirt. Und auch für die Schüler brachte der Besuch kleinere Geschenke ein.

Für einen Tag erfüllte sich ein lang gehegter Wunsch. Auf Bitten des Präsidialbüros wurde für die Aufführung extra eine Tonanlage angemietet. Der Mietpreis soll ungefähr in der Höhe gelegen haben, für die eine einfachere Anlage hätte angeschafft werden können – so, wie sie schon lange auf der Wunschliste der Schule steht. Bleibender als die Miettonanlage ist hingegen der neue Anstrich der Schultoiletten zum Besuch des Bundespräsidenten.

Das Happy End gab es dann doch noch für Frank-Walter Steinmeier: Bei seinem zweiten Besuchstermin an diesem Tag. Der führte ihn auf den Wendehammer eines Gewerbegebietes an der Oskar-Jäger-Straße in Ehrenfeld. Nicht gerade eine Vorzeigeadresse für einen Bundespräsidenten. „Wir hatten vor 15 Jahren große Probleme, Räume zu finden. Als wir sagten, wir brauchen die für ein Jugendprojekt, winkten alle ab“, erzählt Mustafa Bayram, Gründer von Coach e.V, einer Kölner Initiative für Bildung und Integration junger Menschen.

Es war nur ein kleiner Kreis von Mitgliedern, die Steinmeier in dem Ehrenfelder Räumen treffen durfte. Doch jeder einzelne von ihnen konnte eine ergreifende Geschichte erzählen – vom unbedingten Willen, die Chance zu ergreifen, die Bildung bietet. Beispielsweise Ronny Ciplik. Seine Familie fand aus Polen nach Köln. Der junge Mann drohte am Fach Englisch zu scheitern. „Meine Eltern konnten nicht mehr für mich tun, als Vokabeln abzufragen.“ Er wurde auf „Coach“ aufmerksam, lernte Englisch und studierte schließlich Chemie. Heute steht er mit beiden Beinen im Berufsleben und Mitten in der Gesellschaft.

Das klingt, als wäre „Coach“ ein Nachhilfeinstitut. Weit gefehlt. „Auffangen, stabilisieren, ausbilden“, so umreißt Bayram die Arbeit. Meist liegt hinter dem Jugendlichen ein verkorkster Bildungsweg und Streit mit den Eltern. Die werden bei Coach einbezogen. So wird in vielen Fällen aus dem selbst gestellten Bildungsauftrag aktive Lebenshilfe. „Coach hat mir so viel gegeben, ich kann da alles gar nicht mehr zurückgeben“, sagt eine Teilnehmerin, die heute selbst im Vorstand aktiv ist. Eine junge Frau beschreibt sich selbst als Wildfang, bevor sie zu dem Verein fand. Mathe? Katastrophal. „Ich habe hier Disziplin gelernt.“ Ein sichtlich beeindruckter Bundespräsident vergaß übers Nachfragen seinen Zeitplan.

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