Köln Marathon114 Kilo abgenommen – Jetzt läuft Guido Sander 42 Kilometer

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Hat in vier Jahren 114 Kilogramm Gewicht verloren und läuft jetzt beim Köln Marathon mit: Guido Sander. 

  • Guido Sander sah noch vor vier Jahren mit 193 Kilogramm Körpergewicht überhaupt nicht wie ein Marathonläufer aus.
  • Der IT-Fachmann aus Niedersachsen hat inzwischen 114 Kilogramm abgespeckt.
  • Sander läuft beim Köln Marathon mit und peilt ein schnelle Zeit an.

Köln – Wenn sich Guido Sander (46) auf alten Fotos betrachtet, kann er seinen eigenen Anblick nur schwer ertragen. „Das zu sehen, macht mich extrem traurig“, sagt er, sofort komme ihm der Gedanke, wie er sich das bloß antun konnte.

Sein Körpergewicht hatte 193 Kilogramm erreicht, „ich habe mich bewegt wie ein Tanker“, erinnert er sich. Knapp vier Jahre ist das her. Kommenden Sonntag läuft Sander den Rheinenergie-Marathon. Die Volldistanz, 42,195 Kilometer. Er wird die Startnummer 5177 tragen.

Laufgewicht: 79 Kilogramm

Inzwischen zeigt die Waage nur noch 79 Kilogramm. Inzwischen läuft Guido Sander zwischen 90 und 120 Kilometern pro Woche, 2800 Kilometer hat er dieses Jahr bereits zurückgelegt. Heute ist er selbst Lauftrainer und erzählt bei Vorträgen seine Lebens- und Leidensgeschichte.

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Denn Sander hat nicht bloß abgespeckt. Er hat sein Leben komplett verändert. „Ich bin zweimal durch die Hölle gegangen. Denn abnehmen ist das eine. Das Gewicht zu halten, ist viel krasser“, hat der IT-Fachmann aus Wagenfeld in Niedersachsen festgestellt.

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Den Entschluss, den Kampf gegen die Kilos aufzunehmen, hatte er zum Jahreswechsel 2016 gefasst. Bis dahin hatte Sport nie zu seinem Leben gehört. Er führte eine erfolgreiche IT-Firma, zu Glanzzeiten mit 20 Mitarbeitern, saß viel am Schreibtisch, ernährte sich ungesund. Ein Gegengewicht gab es nicht, er habe keine Freunde gehabt und keine Hobbys.

Schlechtes Stress-Management

Schon als 16-Jähriger habe er sich selbstständig gemacht und sich immer mehr zum Computernerd entwickelt. „Aber ich hatte ein schlechtes Stress-Management“, meint er rückblickend.

Anfangs änderte Sander radikal seine Ernährung, der Sport kam erst später noch hinzu. 500 Kalorien pro Tag seien nach kurzer Umstellung das Limit gewesen. Viel frisches Gemüse, ein bisschen Obst. 100 Kilo habe er auf diese Weise innerhalb der ersten zehn Monate verloren.

Sander

Guido Sander, bevor er mit dem Abnehmen begann und ein neues Verhältnis zu seinem Körper entwickelte. 

Heute gesteht sich Guido Sander ein, eigentlich „pflegebedürftig“ gewesen zu sein. Die Socken habe er sich nicht selbst anziehen können, jeder Gang auf die Toilette sei eine Tortur gewesen. „Ich wollte nicht bloß abnehmen. Ich wollte schlank sein“, lautete sein Ziel.

Damals habe er keinerlei Verbindung zu seinen Beinen oder Füßen gehabt. So bitter es klingt, er konnte sie auch nur schwer sehen. Erst 2017 begann er vorsichtig zu joggen, um keine Verletzung zu riskieren. „Ich musste Vertrauen in meine Beine entwickeln“, sagt er. Durch das Laufen habe er schließlich weitere 20 Kilo verloren.

Nun will Sander wissen, was alles in seinen Beinen steckt. Es ist, als habe er plötzlich ein neues Körperteil entdeckt. Voriges Jahr kam er bei seinem ersten Marathon in Berlin nach 4:15 Stunden ins Ziel. In Köln peilt er nun eine Zeit zwischen drei und dreieinhalb Stunden an.

Professionelles Training

Damit das klappt, lässt er sich von Thomas Eickmann (LAZ Puma Rhein-Sieg) trainieren. Die zehn Kilometer schafft er mittlerweile in 40:09 Minuten. Drei Stunden täglich mache er Sport. Mindestens zehn Kilometer laufen, abends noch eine Stunde Geräte-Training. Ob er laufsüchtig ist? „Ja, durchaus“, sagt Sander.

Seine „Abnehm-Karriere“, wie Sander es nennt, verlief nicht ohne Rückschläge. Als er plötzlich binnen weniger Tage durch Wassereinlagerungen zehn Kilo zunahm, habe ihn „Verzweiflung“ überkommen. Ärzte schafften es, seinen Stoffwechsel zu normalisieren, ohne Medikamente ging das nicht.

„Aber meine Frau und die Kinder haben immer zu mir gehalten“, erzählt er. Wenn Guido Sander an Lauf-Wettkämpfen teilnimmt, feuert ihn seine Frau Renate an der Strecke an. Zu Beginn hatte sie Zweifel, ob ihr Mann wirklich das Durchhaltevermögen besitzt, abzunehmen.

Lauftipps für Anfänger

Viel hilft viel – so oder so ähnlich lautet das Motto einiger Menschen, die nach Jahren wieder anfangen wollen zu laufen oder zum ersten Mal damit beginnen. Aber hilft viel wirklich viel? Und sind ausgelatschte Laufschuhe gute Trainingsutensilien? Einige Tipps für Laufanfänger im Überblick.

Bevor es los geht, sollte man sich beim Arzt gründlich durchecken lassen, dort ein Belastungs-EKG absolvieren. Möglicherweise werden gesundheitliche Probleme erkannt, die vorher noch gar nicht bekannt waren.

Wer kennt das nicht? Endlich hat man sich aufgerafft, aktiv zu werden und will am liebsten die ganze Welt einreißen, sprich sofort lange Strecken laufen. Typischer Anfängerfehler, der oft in Verletzungen endet – und schon sinkt die Motivation.

Deshalb rät auch Laufpapst und Ex-Olympiateilnehmer Herbert Steffny: „Haben sie Geduld! Biologische Anpassungsprozesse brauchen Zeit (...). Der Kopf will oft Dinge zu schnell erreichen, die die Muskeln, Sehnen und Knochen noch gar nicht können.“

Zu große Umfänge sind aber nicht die einzige Falle, sondern auch: zu schnelles Lauftempo. Aus lauter Übermut rennt manch Anfänger los, als müsse er noch die letzte Straßenbahn nach Hause bekommen. Am Anfang gilt: Es langsam angehen und mit der Zeit steigern. Auch Gehpausen sind vollkommen okay und normal am Anfang.

Es muss ab und zu weh tun, damit die Leistung steigt: Nein. Training kann zwar anstrengend sein, aber wer die Signale seines Körpers ignoriert, überhört, was er braucht – und fördert Verletzungen. Bei einer dicken Erkältung gilt: kein Training. Das Knie zwickt ständig: kein Training und ab zum Arzt. Schmerzmittel sind keine Lösung.

Jeder Läufer hat andere Füße, also braucht er auch andere Schuhe. Eine fachmännische Beratung ist gut investierte Zeit. Auch hier gilt: Viel hilft nicht immer viel, es muss kein Schuh für 200 Euro sein. Von Zeit zu Zeit braucht es zwingend neue Schuhe. (mhe) 

„Anfangs konnte ich nicht mehr, ich war fertig“, gesteht Sander. Er habe keinen Bezug zu sich gehabt. Wenn er sich im Spiegel sah, habe er nur eine „dicke Person“ realisiert. Psychologische Unterstützung holt sich Sander in einer Coaching-Ausbildung.

„Plötzlich war ich mit mir selbst konfrontiert“, sagt er. Schon drei Jahre vor seinem Lebenswandel habe er gemerkt, „so geht es nicht weiter“. Plötzlich sei er bereit gewesen, sich sein Unglück einzugestehen. Und dagegen vorzugehen.

Schnell merkt Sander, dass die Selbstfürsorge keine Nebentätigkeit ist. Er gibt seinen Job auf und kümmert sich noch mehr um seinen Körper. Den täglichen Stress tauscht er ein gegen ein Leben auf dem Land, übernimmt einen Resthof, hält ein paar Esel.

Er fährt Fahrrad, er läuft viel. „Ich habe noch nie so hart gearbeitet wie in den vergangenen Jahren“ resümiert er. Man könnte sagen, er hat mit dem Sport auch ein neues Leben begonnen. Wenn Guido Sander jetzt in den Spiegel schaut, ist er zufrieden.

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