Kölner „Spurensuche“Casanova und die „hässliche Stadt“ Köln

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Casanova

Köln – Hätte der Küster der „Elendskirche“ St. Gregorius Magnus zur Karnevalszeit im Februar 1760 einen Blick in den Beichtstuhl geworfen, bevor er die Türen über Nacht verschloss, hätte er darin versteckt den berühmtesten Liebhaber aller Zeiten, Casanova höchstpersönlich, gefunden. Der Küster sah aber nicht in den Beichtstuhl, und so konnte Casanova auch in Köln eine Kostprobe seines erotischen Könnens abgeben – und zwar mit der Frau des Bürgermeisters. „Erschöpft, aber nicht gesättigt, verließ ich sie mit Tagesanbruch“, schreibt Casanova.

Schon Casanovas Anreise war abenteuerlich, denn Köln war gerade Sammelpunkt des französischen Heeres, das im Zuge des Siebenjährigen Krieges soeben bei Minden eine empfindliche Niederlage erlitten hatte. Entsprechend hatten nicht mehr alle Soldaten Freude am Militärdienst und machten lieber die Gegend unsicher. „Eine halbe Meile vor der Stadt schlugen fünf Deserteure, drei rechts, zwei links vom Wege, ihre Gewehre auf mich an und schrien: Die Börse oder das Leben!“ berichtet Casanova in seinen Memoiren: „Ich aber ergriff meine Pistole, zielte auf den Postillon und drohte, ihn aus dem Sattel zu schießen, wenn er nicht im Galopp führe. Die Räuber schossen ihre Gewehre auf meinen Wagen ab, trafen aber weder Menschen noch Pferde, da sie nicht so klug waren, auf den Postillon zu schießen.“

Erst mal Schönmachen

Wohlbehalten in Köln angekommen, macht sich Casanova zunächst eine geschlagene Stunde lang im Gasthof „Zum Heiligen Geist“ auf dem Thurnmarkt schön und besucht dann mit alten Bekannten das Theater, eine Bretterbude, die französische Schauspieler auf dem Heumarkt aufgeschlagen hatten. „Der Duft meiner Pomade trug mir das Wohlwollen aller jungen Offiziere ein“, berichtet Casanova stolz.

Sein Interesse erregt die Frau des Bürgermeisters, die damals 25 Jahre alte Maria Ursula Columba de Groote, genannt Mimi. Sie ist auch vom Italiener beeindruckt, wobei es, wie Casanova selbst schreibt, vor allem seine „Spitzen, Uhrgehänge und Ringe“ sind, die „ihre volle Aufmerksamkeit erweckten“ – sowie ebenfalls seine „Pomade, deren köstlicher Duft die ganze Luft erfüllt“.

Er stellt ihr nach, unter anderem bei einem Maskenfest im Brühler Schloss, das zwar heute zum Weltkulturerbe zählt, aber laut Casanova „außer der geschmackvollen Einrichtung nichts Bemerkenswertes aufzuweisen hat“. Eher nebenbei sprengt er die Spielbank und macht die Bekanntschaft von Erzbischof und Kurfürst Clemens August. Wichtiger ist die Verführung der Bürgermeistergattin. Ihr zuliebe lädt er eine ausgewählte Kölner Gesellschaft zu einem opulenten Frühstück in eines der Lusthäuser im Brühler Schlosspark ein – das 1 Uhr nachmittags beginnt.

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Spätestens danach ist es um die Dame geschehen. Wie nun aber verbotene Wünsche in die Tat umsetzen? Zunächst versuchen Casanova und Mimi, sich bei einer abendlichen Kutschfahrt näher zu kommen – mit wenig Erfolg, wie Casanova beklagt: „Wir mussten zweimal durch die öde, schlecht gepflasterte Stadt fahren. Der Wagen war ein Coupé. Wir taten, was wir konnten, aber das war so gut wie nichts. Der Mond schien uns ins Gesicht, und der Kutscher, ein frecher neugieriger Bursche, drehte sich ab und zu um, wodurch wir genötigt wurden, unsere Bewegungen zu mäßigen.“

Im Beichtstuhl versteckt

Die Lösung bringt die Kirche – nämlich die Elendskirche, An St. Katharinen 5. Die Originalschauplätze sind nicht mehr erhalten. Die Elendskirche war bereits während Casanovas Aufenthalt baufällig, weshalb sie von 1765 bis 1771 umgebaut wurde. An die alte Kirche aber grenzten zwei Wohnungen, wobei in der einen der Küster wohnte, während die andere der Familie des Bürgermeisters zur Verfügung stand. Und vom Innenraum der Kirche führte eine Tür zu den Wohnungen: „Der Teufel, der bekanntlich in der Kirche mehr Macht hat als anderswo, flößte mir den Plan ein, mir mit Hilfe dieser Tür den Genuss meiner Schönen zu verschaffen.“

Casanova versteckt sich also im Beichtstuhl, bis der Küster um 17 Uhr die Kirche von außen verschließt. Danach schleicht Casanova ins Treppenhaus. Hier, schreibt er, „verbrachte ich fünf Stunden, die mir in der Erwartung des Glücks nicht peinlich erschienen wären, wenn nicht die Ratten, die fortwährend hin und her liefen, mich fürchterlich gequält hätten“.

Als aber Mimi endlich kommt, macht sie Casanova sehr glücklich: „Unsere Genüsse beschäftigten uns sieben volle Stunden, die mir recht kurz vorkamen, obwohl wir uns keine Ruhe gegönnt hatten, außer um die Wollust mit den süßesten Reden zu würzen und uns zu neuen Wonnen anzuspornen.“

Mit Pistole „zu Besuch“ in der Zeitung

Es bleibt nicht bei einem Mal. Am 20. März aber muss dann Casanova nach Stuttgart abreisen. Einige Jahre später jedoch, im Juli 1767, hat Casanova wieder einen Grund, in der wie er es formuliert, „hässlichen Stadt haltzumachen“: Er hatte in der „Gazette de Cologne“ wenig schmeichelhafte Berichte über sich gelesen und besuchte deshalb den verantwortlichen Redakteur in der Glockengasse. Mit Rohrstock und Pistole in der Hand hat Casanova genug Argumente dafür, dass die Zeitung einen Widerruf druckt.

Aber auch ein Wiedersehen mit Mimi ergibt sich. Obwohl Casanova sie nun noch schöner als vor sieben Jahren findet, wird die Liebschaft nicht wiederholt. Der Beichtstuhl, belehrt Mimi Casanova, „darf uns nur noch dazu dienen, unsere früheren Sünden zu bereuen“. Dies trübt Casanovas Stimmung beträchtlich, denn „Frauen haben stets die Macht besessen, meinen Geist zu beleben oder zu dämpfen“. Auch die kölschen Mädchen.

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