Serie „Spurensuche“Kaiser Wilhelm II. wusste genau, was die Kölner hören wollten

Lesezeit 5 Minuten
Kaiser Wilhelm II.

Kaiser Wilhelm II.

Köln – Romy Schneider, Karl Marx, Max Schmeling: In unserer Serie „Spurensuche“ stellen wir berühmte Personen und ihre Zeit in Köln vor.  Historiker Anselm Weyer spürt Orten nach, an denen Großes begann oder seinen Lauf nahm. Heute geht es um Wilhelm II., der vor 100 Jahren abdankte.

Als letzter Kaiser Deutschlands dankte Wilhelm II. am 28. November 1918 ab. Bis zu seinem Tod 1941 hoffte er, die Deutschen würden ihn aus dem niederländischen Exil zurück auf den Thron rufen. Aber der Ruf unterblieb. Und da Reiterstatuen von Monarchen traditionell erst nach deren Ableben erstellt werden, gab es wenig Anlass, dem Kaiser ohne Thron nach seinem Tod eine solche Ehre zu erweisen. Eine einzige Reiterstatue von Wilhelm II. gibt es jedoch: in Köln.

Das Rheinland war Wilhelm II. nicht fremd. Als Prinz Wilhelm studierte er von Oktober 1877 bis 1879 an der Friedrich-Wilhelms-Universität zu Bonn und stattete hierbei auch Köln so manchen Besuch ab – fast immer begleitet von der Presse. „Gestern Nachmittag bald nach 5 Uhr traf der älteste Sohn unseres Kronprinzen, Prinz Wilhelm, aus Bonn hier ein, um der sechsten Comitésitzung der Großen

Karnevals-Gesellschaft beizuwohnen“, berichtet die „Köln-Zeitung“ am 4. Februar 1878: „Von einer Deputation des Elfer-Rats begleitet und von den lauten Zurufen der am Bahnhof, auf den Straßen und namentlich am Waidmarkte harrenden Volksmengen begrüßt, begab sich der Prinz nach dem Victoriasaale.“

Wilhelm II. wusste genau, was die Kölner hören wollten

So gut gefiel dem Prinzen das Programm, dass er zusagte, „den Festlichkeiten am Rosenmontage anzuwohnen, und wenn irgend möglich auch in der Fremdensitzung am Karnevalssonntag anwesend zu sein“, wie die „Köln-Zeitung“ schreibt.

Auch als Kaiser kam Wilhelm immer wieder zu Besuch. Von Düsseldorf aus zog er am 5. Mai 1891 ins festlich geschmückte Köln ein, wo seine Rede beim Festmahl im Gürzenich bewies, dass er wusste, was Kölner Patrioten hören wollen. Zunächst schwelgte er in Erinnerungen an hier verbrachte Karnevalsfeste, um denn die Bedeutung der Rheinmetropole zu betonen: „Was an mir liegt, so werde ich gern nach dem Vorbilde meiner Vorfahren meine schützende Hand über die Stadt halten, und ich denke, dass unter dem schwarz-weißen Hohenzollernschilde die Stadt ihren guten Fortgang nehmen wird.“

Dann trank der Kaiser aus einem Kölner Pokal auf das Wohl der „ur- und kerndeutschen Stadt Köln“.

In Begleitung seiner Gattin kam Wilhelm II. zur Enthüllung des für seinen geliebten Großvater Kaiser Wilhelm I. am Kaiser-Wilhelm-Ring errichteten Denkmals am 18. Juni 1897 – beim Festmahl im Gürzenich gab es diesmal ein kaiserliches Hoch „auf das Wohl, Gedeihen und Vorwärtskommen von Köln und seiner Bürgerschaft“. Um Schießübungen im benachbarten Porz-Urbach beizuwohnen, reiste der Kaiser dann am 8. August 1906 über Köln.

Besondere Aufregung verursachte ein Besuch am 28. Oktober 1910, als der Kaiser auf der Durchfahrt von Brüssel nach Berlin den spontanen Wunsch verspürte, seiner Tochter Viktoria Luise den Kölner Dom zu zeigen. Der in der Nacht eingetroffene kaiserlicher Kurier setzte die unvorbereitete Stadt in helle Aufregung. Hektisch wurden Schutzleute und Kriminalbeamte aus ihren Betten geholt, ebenso Dombaumeister Bernhard Hertel. Im Bahnhof und dessen Umfeld sowie im Dom schuf man eilig noch etwas Ordnung, bevor um 7 Uhr morgens der Hofzug eintraf, aus dem um 7.20 Uhr der uniformierte Kaiser Zigarette rauchend auf den Bahnsteig trat. Zeitgenössische Berichte fanden es erwähnenswert, dass die Kaiserin ihren Schirm ungeöffnet ließ und die Familie, obwohl an der Trankgasse ein Wagen bereit stand, zu Fuß vom Bahnhof bis zum Dom ging, durch den Verkehr und die Menschenmenge hindurch, um die Kathedrale durch das Dreikönigenportal am Westportal zu betreten. Kurz nach 8 Uhr war die kaiserliche Familie schon wieder weg.

Mehr noch als den Dom interessierte den Kaiser die Hohenzollernbrücke. Sein Großonkel Friedrich Wilhelm IV. hatte die Stelle bestimmt, wo die erste Kölner Rheinbrücke der Neuzeit achsig zum Domschiff gebaut zu werden hatte. Als diese wegen des erhöhten Verkehrsaufkommens nicht mehr ausreichte, war der Neubau an gleicher Stelle Wilhelm II. ein persönliches Anliegen. Die moderne Brückenkonstruktion von Fritz Beermann und Friedrich Dircksen ermöglichte eine mittige Schifffahrtsöffnung von 167,75 Metern.

Es fehlte noch etwas „Schmuck“ an der Brücke

Eine beeindruckende Leistung war die Bauausführung, denn während der Bauzeit durfte weder der Bahnverkehr zum Erliegen kommen, noch der Rhein als wichtige Wasserstraße blockiert werden. Man errichtete deshalb neben der alten Brücke neue Brückenzüge und setzte neben die drei Pfeiler der Dombrücke die zwei der Hohenzollernbrücke. Erst als letztere nutzbar war, destruierte man die Dombrücke in Rekordzeit. So beeindruckend die Ingenieurskunst war, so verlangte der Kaiser doch repräsentativeren Bauschmuck und beauftragte hierfür Franz Schwechten, der bereits die Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche in Berlin erbaut hatte. Dieser fügte zur Stahlkonstruktion historistische Strompfeiler und Portalbauten hinzu, nach Vorbild der mittelalterlichen romanischen Burgen am Rhein. Das traf auf Kritik. Der Kölner Architekten- und Ingenieurverein fürchtete, dass das historistische Zierwerk das historische Rheinpanorama mit seinen Kirchtürmen stört. Damit nicht genug: Um zu verdeutlichen, wem Köln die tolle Brücke verdankt, flankieren vier Reiterstandbilder deutscher Könige und Kaiser aus dem Geschlecht der Hohenzollern die Eisenbahnbrücke.

Das könnte Sie auch interessieren:

Überbleibsel der alten Dombrücke sind rechtsrheinisch die Statuen von Friedrich Wilhelm IV. und Kaiser Wilhelm I. Linksrheinisch hinzu kamen nun Kaiser Friedrich III. und – obwohl solch ein Reiterstandbild für einen lebenden Herrscher äußerst unüblich war – eben auch Kaiser Wilhelm II. selbst. „Der Kaiser befindet sich samt seinem Leibarchitekt wie in Kunstanschauungen im allgemeinen so in der Kölner Brückenfrage und bei dieser neuesten Denkmalsidee im Widerspruch mit den weitesten Kreisen des Volkes“, ätzte die Rheinische Zeitung am 1908. Das kümmerte den Kaiser wenig. Stolz weihte er die Hohenzollernbrücke am

22. Mai 1911 ein. Und obwohl beim Wiederaufbau der am 6. März 1945 von der Wehrmacht zerstörten Brücke die vom Kaiser erwünschten steinernen Burgelemente nicht mehr zeitgemäß erschienen und deshalb bis auf wenige Relikte 1958 abgerissen wurden, reitet Wilhelm II. bis heute auf „seiner“ Brücke Richtung Köln.

Anselm Weyer (42) hat als Literaturwissenschaftler in Köln promoviert. Er bietet seit zehn Jahren Stadtführungen für die AntoniterCity-Tours an.

Rundschau abonnieren